Rückübertragung von VBL-Rentenanteile aus dem Versorgungsausgleich

Mit der Frage der Rückübertragung der im Wege des Versorgungsausgleichs übertragenen Rentenanteile in der Zusatzversorgung des Öffentlichen Dienstes – also mit der Frage der Anwendbarkeit von § 37 VersAusglG auf VBL-Renten – hatte sich aktuell das Landgericht Karlsruhe zu befassen:

Rückübertragung von VBL-Rentenanteile aus dem Versorgungsausgleich

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückübertragung der im Wege des Versorgungsausgleichs übertragenen Rentenanteile1.

Der Kläger hat aus § 4 VAHRG keinen Anspruch auf Rückübertragung der im Wege des Versorgungsausgleichs übertragenen Anrechte. Gem. § 4 Abs. 1 VAHRG wird die Versorgung des Verpflichteten oder seiner Hinterbliebenen nicht auf Grund des Versorgungsausgleichs gekürzt, wenn ein Versorgungsausgleich gem. § 1587b Abs. 1 oder 2 BGB durchgeführt wurde und der Berechtigte vor seinem Tod keine Leistungen aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht erhalten hat. Diese Vorschrift ist auf den Kläger nicht mehr anwendbar, da sie zum 31.08.2009 außer Kraft getreten ist und der Antrag des Klägers nicht vor dem 1.09.2009 beim Versorgungsträger eingegangen ist, § 49 VersAusglG.

Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich nicht unmittelbar aus § 37 VersAusglG. Die Vorschrift sieht vor, dass ein Anrecht der ausgleichspflichtigen Person auf Antrag nicht länger auf Grund des Versorgungsausgleichs gekürzt wird, wenn die ausgleichsberechtigte Person gestorben ist, § 37 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG. Beiträge, die zur Abwendung der Kürzung oder zur Begründung von Anrechten zugunsten der ausgleichsberechtigten Person gezahlt wurden, sind unter Anrechnung der gewährten Leistungen an die ausgleichspflichtige Person zurückzuzahlen, § 37 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG.

Die Vorschrift des § 37 VersAusglG ist auf die Versorgungsanteile des Klägers nicht anwendbar. Gemäß § 32 VersAusglG gelten die Vorschriften der §§ 33 bis 38 VersAusglG, also auch § 37 VersAusglG, nur für in § 32 VersAusglG unter Nr. 1 bis 5 aufgeführte Anrechte.

Nach der Begründung zum Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG)2 sind die Vorschriften zur Vermeidung verfassungswidriger Härten obligatorisch nur für die Regelsicherungssysteme vorgesehen. Im Bereich der ergänzenden Altersvorsorge kommen die Anpassungsvorschriften grundsätzlich nicht zur Anwendung. Die von der Beklagten gewährte Versorgung ist eine ist vielmehr eine ergänzende Versorgung zur gesetzlichen Rentenversicherung, so dass die Vorschrift des § 37 VersAusglG nicht anwendbar ist.

Die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs ist an der gleichen Stelle jedoch ungenau, soweit es um die Abgrenzung der öffentlich-rechtlichen von den privaten Versorgungsträgern geht. Es heißt dort:

„Die Vorschriften zur Vermeidung verfassungswidriger Härten sind nach § 32 VersAusglG obligatorisch nur für die Regelsicherungssysteme vorgesehen. Insoweit bleibt es beim bisherigen Rechtszustand. Im Bereich der ergänzenden Altersvorsorge kommen die Anpassungsvorschriften grundsätzlich nicht zur Anwendung. Die Nummern 1 bis 5 nennen deshalb nur öffentlich-rechtliche Versorgungsträger. Im Übrigen waren private Versorgungsträger, die sich gemäß § 1 Abs. 2 VAHRG für eine (interne oder externe) Realteilung entschieden hatten, auch nach bislang geltendem Recht von der unmittelbaren Anwendung der §§ 4 bis 9 VAHRG ausgenommen. Die Nummern 1 bis 5 zählen abschließend auf, für welche Regelsicherungssysteme die Vorschriften der §§ 33 bis 38 VersAusglG gelten.“

Diese Begründung ist in sich nicht ganz stimmig. Denn bei der Beklagten handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsträger, der nach der bis zum 31.08.2009 geltenden Rechtslage über § 10 VAHRG in den Geltungsbereich des § 4 VAHRG fiel3.

Allein wegen dieser Unstimmigkeit ist es jedoch weder geboten noch möglich, die Beklagte etwa als „Beamtenversorgung“ i.S.d. § 32 Nr. 1 VersAusglG zu verstehen und das Gesetz entsprechend auszulegen. Der Wortlaut des Gesetzes gibt eine solche Auslegung nicht her. Außerdem kommt in der Gesetzesbegründung vor allem zum Ausdruck, dass § 32 VersAusglG nur die Regelsicherungssysteme erfassen soll; zu diesen gehört die Pensionskasse der Beklagten nicht.

§ 37 i.V.m. § 32 VersAusglG ist nicht analog auf den Fall des Klägers anzuwenden. Es fehlt an einer Regelungslücke, da die vorgenannten Vorschriften den Fall des Klägers eindeutig regeln. Eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes, was Voraussetzung für eine entsprechende Anwendung von § 32 VersAusglG auf die Zusatzversorgung der Beklagten wäre4, ist aus den o.g. Gründen nicht gegeben5.

§ 37 i.V.m. § 32 VersAusglG ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Verstöße gegen das Grundgesetz sind nicht erkennbar.

Das Bundesverfassungsgericht6 formulierte wie folgt:

„Der rechtskräftig vollzogene Versorgungsausgleich mit der Folge zweier getrennter Rentenversicherungsverhältnisse kann aber auch durch nachträglich eintretende Umstände zu Ergebnissen führen, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sind. Die Rechtfertigung des Versorgungsausgleichs durch Art 6 Abs 1 GG und Art 3 Abs 2 GG entfällt dann, wenn einerseits beim Verpflichteten eine spürbare Kürzung der Rentenansprüche erfolgt, ohne daß sich andererseits der Erwerb eines selbständigen Versicherungsschutzes angemessen für den Berechtigten auswirkt. In einem solchen Fall erbringt der Verpflichtete ein Opfer, das nicht mehr dem Ausgleich zwischen den geschiedenen Ehegatten dient; es kommt vielmehr ausschließlich dem Rentenversicherungsträger, in der Sache der Solidargemeinschaft der Versicherten, zugute. Dies läßt sich weder mit den Nachwirkungen der Ehe (Art 6 Abs 1 GG) noch mit der Gleichberechtigung der Ehegatten (Art. 3 Abs 2 GG) begründen. Eine andere Rechtfertigung ist nicht ersichtlich. Zur Vermeidung solcher ungerechtfertigten Härten muß der Verpflichtete befugt sein, eine nachträgliche Korrektur zu beantragen… Fälle, die nach rechtskräftigem Vollzug des Versorgungsausgleichs grundgesetzwidrig sein können, sind im Zusammenhang mit dem Vorversterben des ausgleichsberechtigten vor dem ausgleichsverpflichteten Ehegatten denkbar.“

Daraus schließen einige Autoren auf die Verfassungswidrigkeit des § 32 VersAusglG7, soweit anpassungsfähige Anrechte nach § 32 VersAusglG nur Anrechte der „Regelsicherungssysteme“ (gesetzliche Rentenversicherung, Beamtenversorgung, berufsständische Versorgung, Alterssicherung der Landwirte, Versorgung der Abgeordneten und Regierungsmitglieder) sind, nicht aber Anrechte der betrieblichen oder privaten Vorsorge, so dass – wie hier virulent – die durch die erfolgte Kürzung eines Betriebsrentenanrechts nach dem Tod der ausgleichsberechtigten Person nicht mehr (wie bisher nach § 4 VAHRG) entfallen kann.

Auch nach dem OLG Schleswig-Holstein8 ist die Beschränkung der anpassungsfähigen Rechte auf die in § 32 VersAusglG genannten Versorgungen mit Art. 14 Abs. 1 GG unvereinbar.

Das Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) war im Jahre 1983 in Reaktion auf die zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21.02.1983 geschaffen worden. Durch die Neuregelung im VersAusglG ist indes nicht jede Art von Anpassung bzw. Abänderung abgeschafft worden, sondern auf bestimmte Systeme beschränkt worden. Das Gericht geht in Übereinklang mit der bisher bekannt gewordenen Rechtsprechung9 davon aus, dass diese Art der Beschränkung der Anpassungsregelungen noch mit dem Grundgesetz vereinbar ist. § 32 VersAusglG sieht die Vermeidung verfassungswidriger Härten für Regelversicherungssysteme, nicht für die ergänzende Altersvorsorge vor.

Es stellt einen sachlichen Differenzierungsgrund im Sinne von Art 3 Abs. 1 GG dar, nur Versorgungen anzupassen, deren Berechtigter lediglich eine einzige Art der Versorgung erhält. Der Kläger dagegen erhält sowohl aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine Versorgung als auch aus der Versorgungsanstalt eine Zusatzversorgung; insoweit liegt eine Ungleichbehandlung nicht vor. Denn die Zusatzversorgung der Beklagten stellt kein alternatives Versorgungssystem zur gesetzlichen Rentenversicherung dar, sondern sie ergänzt die daraus bestehenden Ansprüche lediglich. Auch die Tatsache, dass eine Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten für den Kläger bestand, ändert ebenso wenig am Charakter der Zusatzversorgung etwas wie deren Finanzierung teilweise durch Beiträge der Versicherten.

Der Gesetzgeber hat bei der Regelung der Möglichkeiten der Anpassung des Versorgungsausgleichs einen weiten Ermessensspielraum. Gemäß amtlicher Begründung10 ist die Beschränkung der Anpassungsmöglichkeit auf die Regelsicherungssysteme erfolgt, um so einerseits dem Versicherungsprinzip hinsichtlich der durch die Entscheidung des Familiengerichts geschaffenen getrennten Versorgungsschicksale, andererseits dem Gebot des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung vom 28.02.198011 zur Vermeidung verfassungswidriger Härten gerecht zu werden12.

Ein Verstoß gegen Art. 14 GG ist ebenfalls nicht erkennbar. Zwar kommen die der Ehefrau übertragenen Anrechte nun weder dem Kläger noch seiner Ehefrau zu Gute. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass mit der Abwicklung des Versorgungsausgleichs die Anrechte ohnehin aus dem Vermögen des Klägers in das Vermögen der Ehefrau geflossen sind, so dass sie nicht mehr dem Kläger zustanden. Es verstößt nicht gegen Art. 14 GG, wenn der Gesetzgeber die Möglichkeit schafft, die übertragenen Anrechte nur unter bestimmten (engen) Voraussetzungen wieder an den Verpflichteten zurück zu übertragen13.

Soweit eine „unechte Rückwirkung“ oder eine „tatbestandliche Rückanknüpfung“ vorliegen sollten, stößt dies nicht auf Bedenken aus dem Rechtsstaatsprinzip. Denn unechte Rückwirkungen oder tatbestandliche Rückanknüpfungen sind grundsätzlich möglich. Im vorliegenden Fall hat sich die Gesetzeslage zwar erheblich zum Nachteil des Klägers geändert. Bei einer Interessen- und Güterabwägung unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes, der Grundrechte und von Sinn und Zweck des Gesetzes ist dem Betroffenen Vertrauensschutz dann zu gewähren, wenn sein schutzwürdiges Vertrauen auf den bisherigen Rechtszustand überwiegt. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers in die von ihm begehrte Handhabung konnte indes gar nicht entstehen. Geschütztes Vertrauen hätte nur hinsichtlich derjenigen Berechnungsgrößen entstanden sein können, die bis zur Umstellung sicher feststanden14. Indes hat der Kläger im vorliegenden Fall den Antrag auf Anpassung wegen Todes erst nach dem Umstellungsstichtag des Gesetzes gestellt.

Mithin ist weder die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht im Rahmen eines konkreten Normenkontrollverfahrens noch eine – ggf. auch ohne Rücksicht auf den Gesetzeswortlaut – erfolgende verfassungskonforme Auslegung nötig oder möglich.

Landgericht Karlsruhe, Urteil vom 8. Februar 2013 – 6 S 15/12

  1. vgl. LG Karlsruhe, Urteile vom 13.07.2012 – 6 S 3/12; vom 12.10.2012 – 6 O 143/12; vom 23.12.2011, 6 O 133/11 sowie 6 O 382/10, bestätigt durch OLG Karlsruhe, Urteil vom 03.05.2012, 12 U 9/12; so auch: BGH, Beschluss vom 07.11.2012 – XII ZB 271/12, in FamRZ 2013, 189; OLG Hamm, Beschluss vom 17.05.2011 – II-1 UF 192/10; LG München, Urteil vom 01.03.2012 – 30 S 14722/11; VG München, Urteil vom 04.11.2010 – M 12 K 10.3273; bestätigt durch BayVGH, Urteil vom 15.11.2011 – 21 BV 11.151; Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss des BVerwG vom 31.05.2012 – 8 B 6/12 zurückgewiesen; Dankelmann in: jurisPK-SGB VI, Stand: Juni 2011, § 6 SGB VI, Rn. 95.1[]
  2. BT-Drs.16/10144, zu § 32, US 71/72[]
  3. s. OLG Hamm, Beschluss vom 17.05.2011 – II-1 UF 192/10[]
  4. vgl. dazu auch BGH vom 13.11.2001 – X ZR 134/00, Tz 35; und vom 13.03.2003 Az. I ZR 290/00, Tz 24, jeweils m.w.N.[]
  5. s. BayVGH, Urteil vom 15.11.2011 – 21 BV 11.151; Breuers in: jurisPK-BGB, 5. Aufl., § 32 VersAusglG[]
  6. vgl. BVerfG, Urteil vom 28.02.1980 – 1 BvL 17/77, 1 BvL 7/78, 1 BvL 9/78, 1 BvL 14/78, 1 BvL 15/78, 1 BvL 16/78, 1 BvL 37/78, 1 BvL 64/78, 1 BvL 74/78, 1 BvL 78/78, 1 BvL 100/78, 1 BvL 5/79, 1 BvL 16/79, 1 BvR 807/78 -, BVerfGE 53, 257-313[]
  7. vgl. Bergner, NJW 2009, 1169, 1174; Bergner., ZRP 2008, 211, 213; Born, NJW 2008, 2289, 2292; Rehme, FuR 2008, 474; Ruland, Versorgungsausgleich, 2. Aufl. (2009), Rdnrn. 863ff.; Ruland, NZS 2008, 225, 237; Ruland NJW 2009, 2781, 2786, FN 47[]
  8. OLG Schleswig-Holstein, Vorlagebeschluss an das BVerfG, FamRZ 2012, 1388[]
  9. vgl. BGH, Beschluss vom 07.11.2012 – XII ZB 271/12, in FamRZ 2013, 189; OLG Hamm, Beschluss vom 17.05.2011 – II-1 UF 192/10; LG München, Urteil vom 01.03.2012 – 30 S 14722/11; VG München, Urteil vom 04.11.2010 – M 12 K 10.3273; bestätigt durch BayVGH, Urteil vom 15.11.2011 – 21 BV 11.151[]
  10. vgl. BT-Drs. 16/10144 S. 71 f[]
  11. BVerfGE 53, 257 bis 313[]
  12. vgl. MünchKomm-BGB, Band 7/2. Halbband 5. Aufl.2010 RdNrn. 3 und 4 zu Art. 4. Anpassung nach Rechtskraft[]
  13. BayVGH, Urteil vom 15.11.2011 – 21 BV 11.151[]
  14. vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 02.12.2009 – IV ZR 279/07, Tz 20, unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 14.11.2007 aaO. Tz. 54 ff, 57; LG Karlsruhe, Urteil v. 10.06.2011 – 6 O 12/11[]