Die Nahrungsaufnahme in einer Betriebskantine ist grundsätzlich nicht gesetzlich unfallversichert. Dass nach der Betriebsphilosophie des Arbeitgebers die Führungskräfte ihre Mahlzeiten mit den übrigen Beschäftigten einnehmen sollen, begründet keine betrieblichen Gründe für die Nahrungsaufnahme. In der Verunreinigung des Kantinenbodens verwirklicht sich keine besondere betriebliche Gefahr.
Rechtsgrundlage für die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall ist § 8 Ab 1 Satz 1 SGB VII. Nach dieser Vorschrift sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Nach dessen Satz 2 sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitbegrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern u.a. für die Gewährung einer Verletztenrente1.
Der sachliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit – hier der Tätigkeit als Kfz-Meister – und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls – hier dem Mittagessen in der Daimler-Werkskantine – ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Bei einem nach § 2 Ab 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Beschäftigten, wie vorliegend, sind Verrichtungen im Rahmen des dem Beschäftigungsverhältnis zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses Teil der versicherten Tätigkeit und stehen mit ihr im erforderlichen sachlichen Zusammenhang. Dies bedeutet nicht, dass alle Verrichtungen eines grundsätzlich versicherten Arbeitnehmers im Laufe eines Arbeitstages auf der Arbeitsstätte versichert sind, weil nach dem Wortlaut des § 8 Ab 1 Satz 1 SGB VII nur Unfälle „infolge“ der versicherten Tätigkeit Arbeitsunfälle sind. Typischerweise und in der Regel unversichert sind höchstpersönliche Verrichtungen, wie z.B. Essen, oder eigenwirtschaftliche, wie z.B. Einkaufen. Maßgebliches Kriterium für die wertende Entscheidung über den sachlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist die Handlungstendenz des Versicherten, ob er eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Verrichtung ausüben wollte2,
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Bundessozialgericht ausnahmsweise den sachlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und einer Nahrungsaufnahme bejaht, wenn die versicherte Tätigkeit ein besonderes Hunger- oder Durstgefühl verursacht hat, der Versicherte sich bei der Mahlzeit infolge betrieblicher Zwänge besonders beeilen musste, er veranlasst war, seine Mahlzeit an einem bestimmten Ort oder in besonderer Form einzunehmen, die Essenseinnahme im Rahmen einer Kur angeordnet war oder dem Kurerfolg dienlich sein sollte oder ganz allgemein, wenn bestimmte betriebliche Umstände den Versicherten zwar nicht zwangen, aber wenigstens veranlassten, seine Mahlzeit an einem bestimmten Ort einzunehmen, betriebliche Umstände die Einnahme des Essens also wesentlich mitbestimmten3. Die bloße Zurverfügungstellung einer Kantine durch das Unternehmen genügt jedoch ebenso wenig wie der Umstand, dass der Versicherte sich auf einer Dienstreise befindet.
Das Ereignis ist – gemessen an diesen Kriterien – kein Arbeitsunfall, da es an einem inneren oder sachlichen Zusammenhang mit der nach § 2 Ab 1 SGB VII versicherten Tätigkeit des Klägers als Kfz-Meister fehlt.
Nach nach der Auskunft der Daimler AG lagen keine betrieblichen Gründe für die Nahrungsaufnahme in der Kantine vor. Der anberaumte Geschäftstermin war vielmehr erst zwei Stunden nach dem Unfallereignis und die zu veranschlagende Fahrzeit betrug nur 30 Minuten, so dass sogar unter Berücksichtigung von einem ausreichenden Sicherheitspuffer noch genügend Zeit verblieb, der Kläger deswegen das Essen nicht in der betriebseigenen Kantine zu sich nehmen musste. Dass es sich bei der Kantine um eine Betriebseinrichtung handelte, ist insoweit nach der Rechtsprechung nicht relevant. In diesem Zusammenhang kommt Führungskräften auch nicht ein erhöhter Versicherungsschutz aufgrund des Umstands zu, dass sie nach der Betriebsphilosophie des Arbeitgebers ihre Mahlzeiten mit den anderen Beschäftigten einnehmen sollen. Schließlich verwirklicht sich in der Verunreinigung des Kantinenbodens auch keine besondere betriebliche Gefahr4.
Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 22. November 2012 – L 6 U 1735/12
- BSG, Urteil vom 12.04.2005 – B 2 U 11/04 R, BSGE 94, 262; und Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R, BSGE 96, 196[↩]
- st.Rspr. BSG, Urteil vom 30.01.2007 – B 2 U 8/06 R[↩]
- vgl. zusammenfassend BSG, Urteil vom 24.02.2000 – B 2 U 20/99 R, SozR 3-2700 § 8 Nr. 2 m.w.N.[↩]
- LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.10.2001 – L 10 U 1968/00[↩]