Steuerfreiheit von Sanierungserträgen – und die Feststellung ihrer Voraussetzungen

Für die erforderliche Feststellung der Sanierungseignung enthält das Gesetz keine feste Beweisregel dahingehend, dass ein bestimmtes Kriterium, aus dem die Sanierungseignung abgeleitet werden kann, unbedingt vorliegen müsste. Wesentliche Indizien für das Bestehen von Sanierungseignung sind unter anderem das Vorliegen eines nachvollziehbaren und prüfbaren Sanierungskonzepts oder ein rückblickend erfolgreicher Abschluss der Sanierung. Das Tatbestandsmerkmal der „Sanierungsabsicht der Gläubiger“ hat im Rahmen des § 3a Abs. 2 EStG eine eigenständige Relevanz1. Damit wäre es unvereinbar, das Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmals stets bereits dann zu vermuten, wenn ein einzelner Gläubiger im Zusammenhang mit einer Sanierung auf eine Forderung ganz oder teilweise verzichtet.

Steuerfreiheit von Sanierungserträgen – und die Feststellung ihrer Voraussetzungen

Für die Auslegung der in § 3a Abs. 2 EStG enthaltenen Tatbestandsmerkmale ist auf die zu § 3 Nr. 66 EStG a.F. ergangenen Rechtsprechungsleitlinien zurückzugreifen2.

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall streiten die Beteiligten darüber, ob der Gewinn aus einem im Streitjahr 2014 ausgesprochenen Forderungsverzicht eines Gläubigers die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nach § 3a EStG erfüllt. Der klagende Gesellschafter war seit 2001 sowohl einziger Komplementär als auch alleiniger Treugeber der einzigen Kommanditistin einer KG, die zahlreiche Tankstellen besaß. Weil dem Gesellschafter steuerrechtlich sämtliche Anteile und Einkünfte der KG zuzurechnen waren, wurde eine gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus der KG nicht vorgenommen; diese wurden vielmehr unmittelbar im Rahmen der Einkommensteuerveranlagungen des Gesellschafters ermittelt und erfasst. Die KG bezog die von ihr vertriebenen Kraftstoffe größtenteils von der zur A-Gruppe gehörenden A-AG. Schon im Jahr 2003 hatte sich die KG in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden. Damals verzichteten die beiden Hauptgläubiger (die A-AG und eine Sparkasse) sowie eine Volksbank gegen Besserungsscheine auf Teile ihrer Forderungen gegen die KG. In den Jahren 2009 und 2010 gab es erneut aufgrund einer krisenhaften Entwicklung bei der KG Gespräche zwischen der KG und der F-GmbH. Beabsichtigt war, dass sich die F-GmbH im Wege einer Kapitalerhöhung um 1 Mio. € mit anfänglich 49 % und einer Option auf den Erwerb weiterer 49 % an der KG beteiligen sollte. In diesem Zusammenhang wollte die A-AG gegen Rückzahlung eines Teilbetrags von 1 Mio. € auf den Besserungsschein verzichten. Diese Überlegungen wurden nach den Feststellungen des Finanzgerichts nicht umgesetzt. Im Februar 2012 verkaufte die KG 16 der zu diesem Zeitpunkt noch 19 ihr gehörenden Tankstellen an die F-GmbH; tatsächlich wurden allerdings nur 13 Tankstellen übertragen. Von den verbleibenden sechs Tankstellen wurden drei geschlossen; bei den übrigen drei Tankstellen handelte es sich um reine Automatenbetriebe ohne Verkaufspersonal. Die Verkaufserlöse führten zum Eintritt der auflösenden Bedingungen der 2003 vereinbarten Besserungsscheine und mussten daher im Wesentlichen zur Schuldentilgung verwendet werden. Im Mai 2012 verzichtete die Sparkasse endgültig auf eine Restforderung von 150.020, 65 €. Im Dezember 2012 betrieb die A-AG wegen ihrer Forderungen (seinerzeit 4.440.425,73 €, von denen wiederum 4.322.051,07 € im Jahre 2012 entstanden waren) fruchtlos die Zwangsvollstreckung gegen die KG. Am 25.03. des Streitjahres 2014 schloss die KG mit der A-AG einen Abfindungsvergleich. Danach hatte die KG einen Abgeltungsbetrag von 50.000 € zu zahlen. Im Gegenzug stellte die A-AG ihre Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ein, verzichtete auf alle Sicherheiten für ihre Ansprüche und verpflichtete sich, die KG und den Gesellschafter von allen eventuellen Ansprüchen des Warenkreditversicherers freizustellen. Mit der Erfüllung des Vergleichs sollten alle wechselseitigen Ansprüche zwischen den Beteiligten (einschließlich des Gesellschafters persönlich) erledigt sein. Aus dem Forderungsverzicht der A-AG resultierte bei der KG im Jahr 2014 ein Buchgewinn von 3.693.617, 05 €. Im Jahr 2019 veräußerte die KG zwei weitere Tankstellen; im Jahr 2020 meldete sie ihr Gewerbe ab.

Die A-AG teilte dem Finanzamt auf dessen Anfrage am 12.07.2019 unter anderem mit, die A-Gruppe sei eine Gemeinschaft, deren Mitglieder in den Grenzen des Zumutbaren zur gegenseitigen Solidarität verpflichtet seien. Die Zustimmung zum Abfindungsvergleich sei einerseits erfolgt, um einen Teil der Forderungen zu sichern, andererseits, um die bestehende Geschäftsbeziehung -soweit es möglich sei- zu retten. Der im Jahr 2014 geschlossene Abfindungsvergleich habe sich nicht mehr auf das im Jahr 2010 diskutierte, aber letztlich nicht durchführbare Sanierungskonzept bezogen. Ein weitergehendes Sanierungskonzept sei nicht aufgestellt worden. Die A-AG als größte Gläubigerin habe unter Beachtung der Solidarität das Ziel gehabt, ihre Forderungen zu reduzieren. Ihr Warenkreditversicherer habe auf Risikobegrenzung gedrängt und Ende 2012 eine Vertragsverlängerung abgelehnt, sodass der Versicherungsschutz für das Forderungsengagement gefährdet gewesen wäre. Die A-AG habe deshalb den Forderungsstand reduzieren müssen. Vor diesem Hintergrund sei im Dezember 2012 die Zwangsvollstreckung eingeleitet worden. Damit sei der Versicherungsfall beim Warenkreditversicherer eingetreten. 

Das Finanzamt behandelte den Buchgewinn aus dem Forderungsverzicht im Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheid 2014 als steuerpflichtig. Der Gesellschafter begehrte hingegen die Anwendung des § 3a EStG und des § 7b des Gewerbesteuergesetzes und beantragte die rückwirkende Anwendung dieser Regelungen (§ 52 Abs. 4a Satz 3 EStG). Das Niedersächsische Finanzgericht wies die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage des Gesellschafters ab3 da es sowohl an der von § 3a Abs. 2 EStG vorausgesetzten Sanierungseignung des Schuldenerlasses als auch an der Sanierungsabsicht der A-AG fehle. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde wies der Bundesfinanzhof als jedenfalls unbegründet ab:

Dies gilt zunächst insoweit, als der Gesellschafter die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) begehrt.

Die Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert, dass eine bestimmte, für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausgestellt wird. Des Weiteren muss die Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darlegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. Dazu muss ausgeführt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchem Grunde die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist4.

Der Gesellschafter formuliert (sinngemäß) die Rechtsfrage, ob die zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 3a EStG ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Voraussetzungen für einen Sanierungserlass auf die in § 3a Abs. 2 EStG genannten Tatbestandsmerkmale übertragen werden kann. Er setzt sich allerdings nicht mit der zu dieser Frage bereits vorhandenen Rechtsprechung und Literatur auseinander, insbesondere mit dem in der Beschwerdeerwiderung des Finanzamtes zutreffend genannten Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 27.11.20205 sowie mit den ebenfalls vom Finanzamt angeführten Literaturzitaten. Damit ist eine Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage nicht dargelegt. Der Bundesfinanzhof hat sie in dem vorstehend zitierten Beschluss ohnehin bereits verneint, da die materiell-rechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen der Steuerfreiheit in § 3a Abs. 2 EStG und die Erlassvoraussetzungen des Sanierungserlasses des Bundesministeriums der Finanzen vom 27.03.20036 identisch sind.

Darüber hinaus formuliert der Gesellschafter die Rechtsfragen, ob die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen die Existenz eines schriftlichen Sanierungskonzepts zum Zeitpunkt des Schuldenerlasses sowie den Abschluss des Sanierungsprozesses innerhalb einer bestimmten maximalen Zeitdauer voraussetzt, ob Änderungen eines Sanierungsprogramms nur zwischen den jeweiligen Teilnehmern des Sanierungsprozesses abgestimmt werden müssen und ob solche Abstimmungen mündlich geschehen können.

Auch insoweit fehlt es aber an einer Auseinandersetzung mit den hierzu in Rechtsprechung -auch der Rechtsprechung zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 3a EStG- und Literatur vertretenen Auffassungen. § 3a Abs. 2 EStG ist zwar im Vergleich zu dem -auf der höchstrichterlichen Rechtsprechung beruhenden- früheren Sanierungserlass der Finanzverwaltung insoweit etwas anders formuliert, als die Norm verlangt, dass der Steuerpflichtige die materiell-rechtlichen Voraussetzungen „nachweist“, ohne noch das Sanierungskonzept zu erwähnen. Gleichwohl wäre auch eine Auseinandersetzung mit der vor Einfügung des § 3a EStG zum Nachweis der Erlassvoraussetzungen, namentlich der Sanierungseignung, ergangenen umfangreichen höchstrichterlichen Rechtsprechung erforderlich gewesen einschließlich der Frage, ob diese auf das -gleichlautende- nunmehrige gesetzliche Tatbestandsmerkmal übertragen werden kann. Letztlich greift der Gesellschafter in diesem Teil der Beschwerdebegründung im Wesentlichen die materiell-rechtliche Rechtsauffassung und Würdigung des Finanzgerichts einzelfallbezogen an, legt aber keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dar.

Lediglich ergänzend weist der Bundesfinanzhof darauf hin, dass ein schriftliches Sanierungskonzept schon deshalb keine notwendige Voraussetzung für die Anwendung des § 3a EStG sein kann, weil diese Norm eine solche feste Beweisregel nicht kennt. Auch das FG, Urteil lässt sich nicht dahingehend verstehen, dass es die Steuerfreiheit vom Vorliegen eines schriftlichen Sanierungskonzepts abhängig machen wollte. Vielmehr hat das Finanzgericht im Rahmen seiner Tatsachen- und Beweiswürdigung zum gesetzlichen Tatbestandsmerkmal der Sanierungseignung in einem ersten Schritt geprüft, ob dem im Jahr 2014 ausgesprochenen Forderungsverzicht der A-AG ein -nicht notwendig schriftliches, aber nachvollziehbares und prüfbares- Sanierungskonzept zugrunde gelegen hat. Dabei wäre die Existenz eines solchen Konzepts -so versteht der Bundesfinanzhof auch das FG, Urteil- zugunsten des Gesellschafters als wesentliches Indiz für das Vorliegen einer Sanierungseignung zu werten gewesen. Nachdem das Finanzgericht sich indes nicht von der Existenz eines Sanierungskonzepts hat überzeugen können -was für sich alleine noch nicht zur Verneinung der Sanierungseignung ausreicht, hat es im Anschluss in einem zweiten Schritt geprüft, ob eventuell rückblickend aus einer erfolgreichen Sanierung darauf geschlossen werden kann, dass die Sanierungseignung bereits zum Zeitpunkt des Forderungsverzichts gegeben war. Auch ein solcher tatsächlicher Sanierungserfolg wäre zugunsten des Gesellschafters als wesentliches Indiz für das Vorliegen einer Sanierungseignung zu werten gewesen; umgekehrt ist das rückblickend festgestellte Fehlen eines Sanierungserfolgs aber kein zwingendes Indiz gegen die Annahme, dass im Zeitpunkt des Forderungsverzichts eine Sanierungseignung gegeben war. Da aus beiden vom Finanzgericht herangezogenen Hauptindizien keine Sanierungseignung abzuleiten war und auch keine sonstigen Indizien für eine Sanierungseignung erkennbar waren, hat das Finanzgericht zu Recht -entsprechend der ausdrücklichen gesetzlichen Zuweisung der Feststellungslast an den Steuerpflichtigen (§ 3a Abs. 2 EStG), die aber auch aus den allgemeinen Regeln über die Feststellungslast folgen würde- die Sanierungseignung als nicht nachgewiesen angesehen.

Die Revision ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen.

Die Voraussetzungen dieses Zulassungsgrundes sind erfüllt, wenn der Streitfall Veranlassung gibt, Leitsätze zur Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen, Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen oder wenn gegen eine bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung Argumente vorgetragen werden, die der Bundesfinanzhof (BFH) noch nicht erwogen hat. Für diesen Zulassungsgrund gilt ebenso wie für den der grundsätzlichen Bedeutung, dass die Rechtsfortbildung über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegen und eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage betreffen muss7.

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die einzige in diesem Abschnitt formulierte abstrakte Rechtsfrage geht dahin, ob die Sanierungsabsicht stets zu vermuten ist, wenn ein Gläubiger auf eine Forderung im Zusammenhang mit der Sanierung eines Unternehmens ganz oder teilweise verzichtet. Auch insoweit fehlt es aber an jeglicher Auseinandersetzung mit der hierzu vorhandenen Rechtsprechung und Literatur. Letztlich stellt der Gesellschafter in diesem Teil seiner Beschwerdebegründung ebenfalls nur seine eigene -von der des Finanzgerichts abweichende- Rechtsauffassung dar, was für die Darlegung der Notwendigkeit einer Revisionszulassung zur Fortbildung des Rechts aber nicht ausreicht. Im Übrigen ist die Rechtsauffassung des Gesellschafters offenkundig unzutreffend, denn mit der Vermutung, die er aufstellen möchte, wäre Sanierungsabsicht stets gegeben, wenn ein Forderungsverzicht vorliegt. Damit liefe das Tatbestandsmerkmal „Sanierungsabsicht“ leer. Eine solche Interpretation hat bereits der Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 27.11.20208 abgelehnt. Daran hält der Bundesfinanzhof fest.

Auch in Bezug auf die geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) sind überwiegend bereits die Darlegungsanforderungen nicht erfüllt; jedenfalls liegen die bezeichneten Verfahrensmängel nicht vor.

Ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten ist nicht hinreichend dargelegt.

Zum Gesamtergebnis des Verfahrens im Sinne des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO gehört auch die Auswertung des Inhalts der dem Gericht vorliegenden Akten. Ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten und damit eine Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist gegeben, wenn das Finanzgericht seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, der dem schriftlichen oder protokollierten Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht, oder wenn es eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt gelassen hat und die angefochtene Entscheidung darauf beruht9. Hingegen wird kein Verfahrensmangel, sondern ein -grundsätzlich nicht zur Revisionszulassung führender- materiell-rechtlicher Fehler geltend gemacht, wenn der Beteiligte rügt, das Finanzgericht habe eine unzutreffende Sachverhalts- oder Beweiswürdigung vorgenommen oder bestimmte Vorgänge in rechtlicher Hinsicht abweichend gewürdigt10.

Vorliegend begehrt der Gesellschafter im Gewand einer Verfahrensrüge ausschließlich eine von der Entscheidung des Finanzgerichts abweichende materiell-rechtliche Würdigung der Tatsachen. Er rügt nicht, das Finanzgericht habe das Schreiben der Sparkasse vom 23.05.2012 nicht berücksichtigt, sondern es habe dessen Inhalt falsch verstanden. Damit wird indes kein Verfahrensmangel dargelegt.

Auch eine Verletzung der aus § 76 Abs. 2 FGO folgenden richterlichen Hinweispflicht ist nicht hinreichend dargelegt.

Zwar kann die Hinweispflicht verletzt sein, wenn ein Finanzgericht die Klage mit der Begründung abweist, der Gesellschafter habe sein Vorbringen nicht hinreichend substantiiert, ohne ihn zuvor auf die Notwendigkeit weiterer Substantiierung hingewiesen zu haben11. Vorliegend hat das Finanzamt in der Beschwerdeerwiderung aber zutreffend angeführt, dass dem Gesellschafter die Auffassung der Vorinstanz, sein Vorbringen sei unsubstantiiert, spätestens seit dem im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung ergangenen Beschluss vom 03.03.2021 – 10 – V 183/20, der mit dem späteren Urteil weitgehend übereinstimmt, bekannt war. Der Gesellschafter hätte zur Erhebung einer schlüssigen Verfahrensrüge daher zumindest vortragen müssen, weshalb er trotz des vorangegangenen finanzgerichtlichen Beschlusses nicht damit habe rechnen können, dass das Finanzgericht sein Vorbringen weiterhin als unsubstantiiert ansieht.

Wird ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) mit der Begründung gerügt, das Finanzgericht hätte auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, so sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Ausführungen dazu erforderlich, welche Beweise das Finanzgericht von Amts wegen hätte erheben beziehungsweise welche Tatsachen es hätte aufklären müssen, aus welchen Gründen sich ihm die Notwendigkeit einer Beweiserhebung auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern die Beweiserhebung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des Finanzgerichts zu einer anderen Entscheidung hätte führen können12. Daran fehlt es hier.

Im Zusammenhang mit dem -vom Gesellschafter so bezeichneten- „Schuldenerlassvertrag vom 20.03.2014“  und der darin enthaltenen Freistellung von eventuellen Ansprüchen der Warenkreditversicherung rügt der Gesellschafter im Kern nicht etwa, die Vorinstanz hätte diesen Vertrag -der dem Finanzgericht vorlag und von ihm bei der Urteilsfindung ersichtlich berücksichtigt worden ist- nicht ermittelt oder verwertet. Vielmehr begehrt der Gesellschafter auch hier lediglich eine andere Würdigung des Inhalts dieses Vertrags, was aber nicht im Wege einer Sachaufklärungsrüge geltend gemacht werden kann.

Auch in Bezug auf den Lizenzvertrag vom 18.09.2012 führt die Beschwerde selbst aus, dass dieser Vertrag vom Finanzgericht ausdrücklich erwähnt wird. Damit scheidet eine Sachaufklärungsrüge in Bezug auf diesen Vertrag aus. Insoweit rügt der Gesellschafter nur, das Finanzgericht hätte dem Vertrag eine bestimmte Indizwirkung beimessen müssen, begehrt also wiederum eine andere als die vom Finanzgericht vorgenommene Beweiswürdigung. Dasselbe gilt für die Ausführungen des Gesellschafters zu der Prognoseberechnung des steuerlichen Beraters über die bei einer Expansion zu erwartenden Ergebnisse.

Mit seiner Schlussfolgerung, das Gericht habe die Änderungen in der Struktur der Veräußerung des Tankstellengeschäfts erkennbar nicht verstanden, äußert der Gesellschafter ebenfalls lediglich Kritik an der Tatsachenwürdigung des Finanzgerichts. Eine Sachaufklärungsrüge liegt darin nicht, zumal der Gesellschafter in diesem Abschnitt nicht anführt, welchen Beweis das Finanzgericht nicht erhoben haben soll.

Auch soweit der Gesellschafter rügt, das Finanzgericht hätte den Verlust von Korrespondenz und E-Mails der KG näher aufklären müssen, hat er die notwendige Angabe unterlassen, welche Beweise die Vorinstanz hierzu hätte erheben müssen.

Im Zusammenhang mit dem Verlust von Korrespondenz und E-Mails der KG ist dem Finanzgericht auch der gerügte Gehörsverstoß nicht unterlaufen.

Der Gesellschafter führt insoweit aus, das Finanzgericht habe diesen -sich aus den Steuerakten ergebenden- Umstand verwertet, ohne die Beteiligten zuvor darauf hinzuweisen. Indes ergibt er sich deshalb aus den Steuerakten, weil die steuerlichen Berater des Gesellschafters dies dem Finanzamt im Rahmen eines Gesprächs am 28.05.2019 mitgeteilt haben. Es muss deshalb dem Gesellschafter auch ohne Einsichtnahme in seine Steuerakten bekannt gewesen sein, dass die Korrespondenz und die E-Mails der KG nicht mehr vorhanden waren. Soweit der Gesellschafter nun vorträgt, im Falle eines rechtzeitigen Hinweises des Finanzgerichts hätte er zu seinem fehlenden Verschulden am Nichtvorhandensein dieser Unterlagen ausgeführt, fehlt es an einer Darstellung, inwieweit dies zu einer anderen Entscheidung hätte führen können. Für das Finanzgericht kam es auf die Frage eines Verschuldens ersichtlich nicht an. Das ist im Übrigen auch zutreffend, denn schon nach dem klaren Wortlaut des § 3a Abs. 2 EStG ist der Steuerpflichtige für das Vorliegen der Voraussetzungen dieses Tatbestands nachweispflichtig. Aus welchen Gründen der Steuerpflichtige einen solchen Nachweis nicht führen kann und ob ihn an der fehlenden Nachweismöglichkeit ein Verschulden trifft, ist danach unerheblich und war auch für das Finanzgericht unerheblich.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 9. August 2024 – X B 94/23

  1. vgl. bereits BFH, Beschluss vom 27.11.2020 – X B 63/20, BFH/NV 2021, 531, Rz 9[]
  2. vgl. BFH, Beschluss vom 27.11.2020 – X B 63/20, BFH/NV 2021, 531, Rz 7[]
  3. Nds. FG, Urteil vom 25.05.2023 – 10 K 182/20[]
  4. vgl. zum Ganzen BFH, Beschluss vom 24.06.2014 – X B 216/13, BFH/NV 2014, 1888, Rz 12, m.w.N.[]
  5. BFH, Beschluss vom 27.11.2020 – X B 63/20, BFH/NV 2021, 531, Rz 7, m.w.N.[]
  6. BStBl I 2003, 240[]
  7. ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. zum Ganzen BFH, Beschluss vom 02.04.2014 – XI B 16/14, BFH/NV 2014, 1098, Rz 14, m.w.N.[]
  8. BFH, Beschluss vom 27.11.2020 – X B 63/20, BFH/NV 2021, 531, Rz 9[]
  9. BFH, Beschluss vom 08.05.2017 – X B 78/16, BFH/NV 2017, 1061, Rz 34, m.w.N.[]
  10. BFH, Urteil vom 30.08.2017 – II R 48/15, BFHE 259, 127, BStBl II 2018, 24, Rz 30, zu einer Revisionsrüge; BFH, Beschluss vom 10.01.2024 – XI B 13/22, BFH/NV 2024, 401, Rz 20[]
  11. vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 12.06.2013 – X B 191/12, BFH/NV 2013, 1622, Rz 16[]
  12. BFH, Beschluss vom 18.05.2011 – X B 124/10, BFH/NV 2011, 1838, Rz 36 und BFH, Urteil vom 30.08.2017 – II R 48/15, BFHE 259, 127, BStBl II 2018, 24, Rz 29[]