Ist aus dem Inhalt des klageabweisenden finanzgerichtlichen Urteils, das keine explizite Aussage enthält, dass die Höhe der festgesetzten Steuer nicht zu beanstanden ist, eindeutig zu schließen, dass das Gericht auch die im Klageverfahren „unstreitige“ Höhe der festgesetzten Steuer von Amts wegen tatsächlich und rechtlich überprüft hat, liegt ein Verfahrensfehler („fehlende Urteilsbegründung“) nicht vor.
Von einem Verstoß gegen das Begründungsgebot und damit vom Vorliegen eines Verfahrensmangels i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist (nur) dann auszugehen, wenn den Beteiligten -zumindest in Bezug auf einen der wesentlichen Streitpunkte- die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen1. Ein Urteil enthält u.a. dann keine hinreichenden Entscheidungsgründe, wenn das Finanzgericht einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergeht oder einen bestimmten Sachverhaltskomplex überhaupt nicht berücksichtigt; eine zu kurze, lücken- oder fehlerhafte Urteilsbegründung ist dagegen kein Verfahrensfehler2. Ebenso liegt kein Verfahrensfehler vor, wenn noch zu erkennen ist, welche Feststellungen und Überlegungen für das Gericht maßgeblich waren3.
Im Streitfall ist aus dem Urteil zu erkennen, wie das Finanzgericht Köln4 zu seiner Auffassung gelangt ist, die Umsatzsteuerbescheide seien rechtmäßig, weil die in der Buchführung erfassten Beträge Entgelt für eine steuerpflichtige Leistung der Klägerin seien.
Das Finanzgericht hat zunächst im Tatbestand festgestellt, dass die Klägerin die dort genannten Beträge in ihrer Buchführung als Erträge erfasst hat. Dazu hat es weitere Feststellungen getroffen. Desweiteren hat es die Auffassung des Finanzamt zur Höhe der Steuer wiedergegeben, dass aus Vereinfachungsgründen nur die Gewinne angesetzt werden, und wegen der Feststellungen der Prüferin ergänzend auf den Bericht verwiesen. Sodann hat es die geltend gemachte Doppelerfassung und die Teilabhilfe wiedergegeben und schließlich den Klägervortrag wiedergegeben, der keine (nach der Einspruchsentscheidung und den Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung aufrechterhaltenen) Einwendungen zur Höhe der festgesetzten Umsatzsteuer enthält, sondern sich auf die Steuerbarkeit dem Grunde nach konzentriert.
Darüber hinaus hat das Finanzgericht an mehreren Stellen (sowohl im Tatbestand als auch in den Entscheidungsgründen) auf das Urteil des Finanzgericht Köln in EFG 2015, 1540 verwiesen, in dem der 13. Xenat des Finanzgericht Köln in Rz 93 f. ausgeführt hat, dass die Umsatzsteuer aus seiner Sicht eigentlich höher festzusetzen sei, aber dem das gerichtliche Verböserungsverbot entgegenstehe, so dass der Frage der zutreffenden Höhe der Umsatzsteuerfestsetzung nicht weiter nachgegangen werden müsse, da mindestens der bisher festgesetzte Betrag festzusetzen sei.
Auch wenn das Urteil des Finanzgerichts nach den Ausführungen zur Steuerbarkeit keine ausdrücklichen Aussagen dergestalt enthält, dass sonstige Rechtsfehler der angefochtenen Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung nicht ersichtlich seien, oder dass die Höhe der festgesetzten Umsatzsteuer nicht zu beanstanden sei, so dass die Begründung des Finanzgericht insoweit durchaus als lückenhaft angesehen werden kann, ergibt sich aus den zuvor genannten Ausführungen und Verweisen der Vorentscheidung nach Auffassung des Bundesfinanzhofs mit hinreichender Deutlichkeit, dass das Finanzgericht die (im Klageverfahren „unstreitige“) Höhe der festgesetzten Umsatzsteuer gemäß der ihm -auch ohne Streit der Beteiligten- gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO obliegenden Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären5, überprüft hat und der Rechtsauffassung des Finanzgericht Köln im Urteil in EFG 2015, 1540 gefolgt ist, dass der Höhe der Umsatzsteuer aufgrund des Verböserungsverbots nicht weiter nachgegangen werden müsse. Zulassungsgründe zu dem auch insoweit maßgeblichen Rechtsstandpunkt des Finanzgerichts sind nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Form dargelegt.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 23. März 2021 – XI B 69/20
- vgl. z.B. BFH, Beschlüsse vom 11.12.2013 – XI B 33/13, BFH/NV 2014, 714, Rz 17; vom 11.05.2015 – XI B 29/15, BFH/NV 2015, 1257, Rz 11; jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 03.02.2016 – XI B 53/15, BFH/NV 2016, 954, Rz 20; BFH, Urteil vom 14.11.2018 – XI R 32/17, BFH/NV 2019, 280, Rz 22 und 23, m.w.N.[↩]
- BFH, Beschlüsse vom 21.07.2017 – X B 167/16, BFH/NV 2017, 1447; vom 17.08.2020 – II B 32/20, BFH/NV 2021, 31, Rz 11[↩]
- FG Köln, Urteil vom 26.08.2020 – 9 K 602/16[↩]
- vgl. dazu z.B. Gräber/Herbert, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 76 Rz 1, 14 und 17, mit zahlreichen Nachweisen[↩]