Hat das Finanzgericht sein Urteil kumulativ auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt, muss hinsichtlich jeder Begründung ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden und vorliegen1.
In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall streiten die Beteiligten über die einkommensteuerliche Berücksichtigung eines negativen Progressionsvorbehalts für ausländische Verluste aus einem Goldhandel. Der Kläger und die Y-Limited (Ltd.) gründeten 2012 nach englischem Recht die X-LLP, eine Gesellschaft in der Rechtsform der Limited Liability Partnership. Alleiniger Gesellschafter der Ltd. war der Kläger. Als Geschäftsführer der Ltd. wurde B bestellt. Nach dem Gesellschaftsvertrag hatten die beiden Gesellschafter der X-LLP jeweils eine Einlage sowie der Kläger zusätzlich eine weitere Einlage zu leisten. Die X-LLP erwarb mit Eigenmitteln physisches Gold. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2012 erklärte der Kläger einen steuerpflichtigen Gewinn aus der Veräußerung eines GmbH-Anteils. Aus seiner Beteiligung an der X-LLP ermittelte er nach § 4 Abs. 3 EStG einen Verlust. Hierfür machte er gemäß § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG einen negativen Progressionsvorbehalt geltend, da es sich um Einkünfte handele, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung steuerfrei seien.
Mit dem Einkommensteuerbescheid 2012 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer ohne Berücksichtigung des über die X-LLP erzielten Verlusts fest. Ein Einspruch blieb erfolglos. Das Hessische Finanzgericht wies die hiergegen gerichtete Klage als unbegründet ab2. Ein negativer Progressionsvorbehalt sei bereits deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger über die X-LLP keine ausländischen gewerblichen Einkünfte, sondern lediglich Einkünfte aus privater Vermögensverwaltung erziele. Darüber hinaus habe der Kläger die Einkünfte aus der X-LLP nicht durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln dürfen. Vielmehr sei ein Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG durchzuführen, da die X-LLP nach ausländischem Recht verpflichtet gewesen sei, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen. Jedenfalls habe sie freiwillig Bücher geführt und Abschlüsse gemacht. Das Hessische Finanzgericht ließ die Revision nicht zu. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde, die vom Bundesfinanzhof als unbegründet zurückgewiesen wurde:
Ist das Urteil des Finanzgericht kumulativ auf mehrere Gründe gestützt, muss hinsichtlich jeder Begründung ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden und vorliegen3. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Für die selbständig tragende Begründung des Finanzgericht, aus der X-LLP erzielte Einkünfte seien nicht als gewerbliche Einkünfte, sondern als Einkünfte aus privater Vermögensverwaltung zu qualifizieren, liegen keine Zulassungsgründe vor.
Die Qualifizierung der Einkünfte des Klägers als Einkünfte aus privater Vermögensverwaltung führt nicht zu einer Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Variante 2 FGO.
Eine Divergenz setzt voraus, dass das Finanzgericht seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der von den tragenden abstrakten Rechtsausführungen einer Divergenzentscheidung abweicht. Die Entscheidungen müssen zu einem vergleichbaren Sachverhalt ergangen sein und dieselbe Rechtsfrage betreffen4.
Gemessen daran ist das Finanzgericht weder vom Urteil des Bundesfinanzhofs vom 07.02.20185 noch von seinen Urteil vom 21.08.1995 und vom 31.07.19906 abgewichen. Dies folgt bereits daraus, dass sich die vom Kläger formulierten Rechtssätze nicht dem angefochtenen Urteil entnehmen lassen.
Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Finanzgericht keinen abstrakten Rechtssatz aufgestellt, im Rahmen der Abgrenzung einer gewerblichen Tätigkeit von einer privaten Vermögensverwaltung sei nicht auf geplante Tätigkeiten abzustellen. Vielmehr hat das Finanzgericht die vom Bundesfinanzhof im Urteil vom 19.01.20177 zum Goldhandel aufgestellten Abgrenzungskriterien zugrunde gelegt. Anschließend ist es (lediglich) im Rahmen der umfangreichen Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger entgegen seiner Behauptungen keinen gewerblichen Goldhandel geplant habe und hinreichende Belege fehlten. Eine solche Einzelfallwürdigung kann aber nicht zu einer Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Variante 2 FGO führen.
Entsprechendes gilt für den vom Kläger formulierten Rechtssatz, eine einmalige Tätigkeit sei nicht dazu geeignet, eine gewerbliche Tätigkeit zu begründen, da sich hieraus nicht die erforderliche Nachhaltigkeit herleiten lasse. Dieser Rechtssatz lässt sich dem angefochtenen FG, Urteil ebenfalls nicht entnehmen. Es ist nicht nachvollziehbar, inwiefern die Ausführungen des Finanzgericht in diesem Sinne zu verstehen sein könnten.
Im Übrigen war der zugrunde liegende Sachverhalt auch nicht mit dem Sachverhalt der vermeintlichen Divergenzentscheidung in BFHE 260, 490, BStBl II 2018, 630 vergleichbar. Während dort kein Streit über die subjektive Zweckrichtung des Steuerpflichtigen bestand und es lediglich um die Folgen der inneren Vorbehalte seiner betrügerisch handelnden Geschäftspartner ging, kommt es im Streitfall gerade darauf an, auf welche subjektiven Vorstellungen des Klägers aus den objektiven Indizien geschlossen werden kann.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 9. Juni 2021 – I B 58/20
- ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Beschluss vom 22.12.2008 – IX B 143/08, BFH/NV 2009, 547, m.w.N.[↩]
- Hess. FG, Urteil vom 10.08.2020 – 9 K 141/19[↩]
- z.B. BFH, Beschluss vom 22.12.2008 – IX B 143/08, BFH/NV 2009, 547, m.w.N.[↩]
- ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 20.03.2012 – I B 93/11, BFH/NV 2012, 1143, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 07.02.2018 – X R 10/16, BFHE 260, 490, BStBl II 2018, 630[↩]
- BFH, Urteile vom 21.08.1985 – I R 60/80, BFHE 145, 33, BStBl II 1986, 88; und vom 31.07.1990 – I R 173/83, BFHE 162, 236, BStBl II 1991, 66[↩]
- BFH im Urteil vom 19.01.2017 – IV R 50/13, BFH/NV 2017, 751[↩]