Das im Rechtsfolgenausspruch aufgehobene Urteil – und die Feststellungen zur Person

Hat das Revisionsgericht das im ersten Durchgang ergangene Urteil im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, bedeutet dies, dass alle Feststellungen aufgehoben worden sind, die sich – wie diejenigen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten und zu seinem Werdegang – ausschließlich auf die Straffrage beziehen.

Das im Rechtsfolgenausspruch aufgehobene Urteil – und die Feststellungen zur Person

Im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hat das Landgericht angenommen, dass die im ersten Durchgang getroffenen und in den Gründen des (ersten) Urteils niedergelegten Feststellungen zur Person und zum Werdegang des Angeklagten in Rechtskraft erwachsen sind; eigene Feststellungen hat es insoweit nicht getroffen und nur ergänzend festgestellt, dass der Angeklagte seit seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft eine Arbeit gefunden hat. Im Rahmen der Beweiswürdigung hat das Landgericht festgehalten, dass „die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten“ „im Umfang der Urteilsgründe – I des Urteils vom 18.01.2018 bindend“ feststünden.

Das Landgericht hat seinem Urteil daher Feststellungen zugrunde gelegt, die mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs gemäß § 353 Abs. 2 StPO aufgehoben waren und hat damit – entgegen der bindenden Entscheidung des Revisionsgerichts – diese Feststellungen als nicht aufgehoben behandelt1. Das Landgericht wäre gehalten gewesen, umfassende eigene Feststellungen zu treffen und diese in den Urteilsgründen niederzulegen2.

Der Bundesgerichtshof vermochte ein Beruhen des Urteils auf dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht auszuschließen. Zwar hat das Landgericht Feststellungen zu den Lebensumständen des Angeklagten nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft getroffen. Dies genügte jedoch nicht, um auf ihrer Grundlage die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe neu zuzumessen.

Darüber hinaus hat das Landgericht die Annahme gewerbsmäßigen Handelns in den Fällen II. 2. bis 4. der Urteilsgründe unter anderem darauf gestützt, dass der Angeklagte im Tatzeitraum außer dem Bezug von Krankengeld nicht über legale Einkünfte verfügte. Soweit das Landgericht die unter dem Abschnitt „1. Tatvorgeschichte“ im ersten Urteil des Landgerichts enthaltene Feststellung, der Angeklagte, habe „einen beträchtlichen Teil seines Lebensunterhalts“ durch die Betäubungsmittelgeschäfte finanziert, als bindend angesehen haben sollte, wäre auch dies unzutreffend.

Die in den Urteilsgründen des im Rechtsfolgenausspruch aufgehobenen Urteils enthaltenen und die Annahme gewerbsmäßigen Handelns im Sinne des § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG tragenden Feststellungen nehmen regelmäßig nicht an der Bindungswirkung des Schuldspruchs teil. Denn sie betreffen als Grundlage für die Prüfung der Frage, ob ein besonders schwerer Fall des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG vorliegt, allein die Straffrage3.

Anderes gilt auch nicht unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Begehungsweise des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 1 BtMG Eigennützigkeit, also ein Streben des Täters nach Gewinn oder nach einem anderen persönlichen materiellen oder immateriellen Vorteil voraussetzt4. Eigennützigkeit beschreibt die Handlungsmotivation des Täters bezogen auf die verfahrensgegenständliche Tat; demgegenüber ist Gewerbsmäßigkeit – insoweit über die einzelne Tat hinausweisend – nur gegeben, wenn der Täter die Absicht hegt, sich durch künftige wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen5. Die Feststellung von Eigennützigkeit führt daher nicht stets zur Annahme von Gewerbsmäßigkeit, beide Tatmotivationen sind nicht deckungsgleich, so dass die Grundsätze der Einheitlichkeit und Widerspruchsfreiheit der Urteilsgründe die Annahme von Doppelrelevanz nicht erfordern6. Über sie hätte das Tatgericht auf der Grundlage eigener Feststellungen umfassend neu befinden müssen.

Auch die Strafzumessungserwägungen sind – worauf die Revision zutreffend hingewiesen hat – wiederum rechtlich nicht unbedenklich. Das Landgericht hat in den Fällen, in denen der Angeklagte mit Marihuana Handel getrieben hat, strafmildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte „mit einer sogenannten weichen Droge und mithin mit Drogen mittlerer Gefährlichkeit handelte“. Sollte es sich bei dieser widersprüchlich anmutenden Formulierung nicht nur um ein reines Fassungsversehen handeln, wäre die Einordnung von Marihuana als Droge „mittlerer Gefährlichkeit“ – wie der Bundesgerichtshof bereits in seinem Beschluss vom 21.11.2018 ausgeführt hat – rechtlich durchgreifend bedenklich. Es handelt sich bei Marihuana um eine sogenannte weiche Droge, die auf einer Gefährlichkeitsskala keinen mittleren Platz einnimmt7. Dieser rechtlich bindenden Einordnung wird das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht Rechnung zu tragen haben.

Die Aufhebung der Strafaussprüche zog die Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs nach sich. Die Sache bedurfte daher im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20. November 2019 – 4 StR 504/19

  1. vgl. BGH, Beschluss vom 20.11.2016 – 4 StR 542/16, NStZ 2017, 108; Beschluss vom 12.12 2012 – 2 StR 481/12 mwN[]
  2. vgl. BGH, Beschluss vom 31.08.2017 – 4 StR 267/17; st. Rspr.[]
  3. vgl. BGH, Beschluss vom 20.06.2017 – 1 StR 458/16, BGHSt 62, 202, 210 f.[]
  4. zum Begriff der Eigennützigkeit vgl. BGH, Beschluss vom 10.10.2018 – 4 StR 247/18, StV 2019, 337[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 26.10.2015 – 1 StR 317/15, BGHR BtMG § 29 Abs. 3 Nr. 1 Gewerbsmäßig 6[]
  6. im Ergebnis a.A. OLG Stuttgart, Beschluss vom 03.12 2013 – 1 Ss 701/13, NStZ 2014, 719, 720[]
  7. vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2018 – 4 StR 274/18 7[]