Konkurrentenstreitverfahren um eine Richterstelle – und die inzidente Prüfung der der Auswahlentscheidung

Im Konkurrentenstreitverfahren hat die inzidente verwaltungsgerichtliche Prüfung der der Auswahlentscheidung zugrundeliegenden Beurteilung unter allen Gesichtspunkten zu erfolgen, die ihre Eignung als Auswahlgrundlage beeinträchtigen könnten. Dies gilt auch für Aspekte der richterlichen Unabhängigkeit. Die Auswahlentscheidung stellt keine Maßnahme der Dienstaufsicht im Sinne des § 26 Abs. 3 DRiG dar. Eine Aussetzungspflicht nach § 85 Abs. 3 Satz 1 LRiStAG besteht in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht.

Konkurrentenstreitverfahren um eine Richterstelle – und die inzidente Prüfung der der Auswahlentscheidung

Ein abgelehnter Bewerber, dessen Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt worden ist, kann eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung zumindest dann beanspruchen, wenn deren Erfolgsaussichten bei einer erneuten Auswahl offen sind, seine Auswahl also möglich erscheint1. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Denn es ist nicht glaubhaft gemacht, dass das nach den Grundsätzen des Art. 33 Abs. 2 GG zu führende und der angegriffenen Auswahlentscheidung zugrunde liegende Auswahlverfahren den Anspruch des Antragstellers auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Auswahlentscheidung verletzt. Selbst wenn von Mängeln seiner dienstlichen Beurteilung ausgegangen wird, kann nicht festgestellt werden, dass eine Auswahl des Antragstellers in einem erneuten Auswahlverfahren ernsthaft möglich erscheint.

Der für die Bewerberauswahl maßgebende Leistungsvergleich ist grundsätzlich anhand aktueller dienstlicher Beurteilungen vorzunehmen. Der gebotene Vergleich der dienstlichen Beurteilungen muss bei gleichen Maßstäben in sich ausgewogen und stimmig sein. Maßgebend ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil, das durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden ist2

Die Eignung von dienstlichen Beurteilungen als Vergleichsgrundlage setzt voraus, dass sie inhaltlich aussagekräftig sind. Hierfür ist erforderlich, dass sie die dienstliche Tätigkeit im maßgebenden Beurteilungszeitraum vollständig erfassen, auf zuverlässige Erkenntnisquellen gestützt sind, das zu erwartende Leistungsvermögen in Bezug auf das angestrebte Amt auf der Grundlage der im innegehabten Amt erbrachten Leistungen hinreichend differenziert darstellen sowie auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhen. Die Beurteilungen dürfen keine rechtlichen Mängel aufweisen, die zur Rechtswidrigkeit der auf sie gestützten Auswahlentscheidung führen können und bei der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung der Auswahlentscheidung berücksichtigt werden müssten3. Sie müssen in sich widerspruchsfrei und nachvollziehbar sein.

Die dienstlichen Beurteilungen können von den Verwaltungsgerichten allerdings nur eingeschränkt auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden. Die maßgebliche Beurteilung darüber, wie Leistungen eines Beamten bzw. Richters einzuschätzen sind und ob und in welchem Grad er die für sein Amt und für seine Laufbahn erforderliche Eignung, Befähigung und fachliche Leistung aufweist, ist ein von der Rechtsordnung dem Dienstherrn bzw. dem für ihn handelnden jeweiligen Beurteiler vorbehaltener Akt wertender Erkenntnis. Die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung hat sich deshalb darauf zu beschränken, ob der Dienstherr den rechtlichen Rahmen und die anzuwendenden Begriffe zutreffend gewürdigt, ob er richtige Sachverhaltsannahmen zugrunde gelegt und ob er allgemein gültige Wertmaßstäbe beachtet und sachfremde Erwägungen unterlassen hat. Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Abgabe dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, ist vom Gericht auch zu prüfen, ob die Richtlinien eingehalten sind und ob sie mit den gesetzlichen Regelungen in Einklang stehen4.

Die inzidente verwaltungsgerichtliche Prüfung der der Auswahlentscheidung zugrundeliegenden Beurteilung(en) hat unter allen Gesichtspunkten zu erfolgen, die ihre Eignung als Auswahlgrundlage beeinträchtigen könnten. Auch die Zuständigkeit des Richterdienstgerichts nach § 26 Abs. 3, § 62 Abs. 1 Nr. 4e)) DRiG, § 63 Nr. 4f)) LRiStAG zur Überprüfung von Maßnahmen der Dienstaufsicht im Hinblick auf eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit5 führt nicht dazu, dass im vorliegenden Verfahren der Prüfungsumfang beschränkt wäre und das Verwaltungsgerichtshof bei seiner Prüfung Aspekte der richterlichen Unabhängigkeit ausblenden müsste. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Die Zuständigkeit des Richterdienstgerichts ist nicht nur dem Gegenstand (Maßnahmen der Dienstaufsicht), sondern auch dem Anfechtungsgrund nach („aus den Gründen des § 26 Abs. 3“) begrenzt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts6, der sich das Dienstgericht des Bundes mit seiner Entscheidung vom 31.01.19847 unter ausdrücklicher Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung angeschlossen hat, hat bei Anfechtung einer Maßnahme der Dienstaufsicht aus den Gründen des § 26 Abs. 3 DRiG das Dienstgericht nur darüber zu entscheiden, ob die Maßnahme die Unabhängigkeit des Richters beeinträchtigt; hingegen hat es nicht zu prüfen, ob sie auch allgemein rechtmäßig und sachlich gerechtfertigt ist. Für diese Prüfung sind und bleiben die Verwaltungsgerichte zuständig. Entsprechendes gilt, soweit der Richter bezüglich einer Maßnahme, die nicht der Dienstaufsicht zugeordnet ist, die Verletzung seiner richterlichen Unabhängigkeit geltend macht. Hiervon ausgehend wird der Art.19 Abs. 4 Satz 1 GG, Art. 33 Abs. 2 GG entsprechende Schutz des Bewerbers im Konkurrentenstreitverfahren vor der abschließenden Stellenbesetzung ausschließlich im verwaltungsgerichtlichen und nicht auch im dienstgerichtlichen Verfahren gewährt.

Die den streitgegenständlichen Bewerbungsverfahrensanspruch betreffende Auswahlentscheidung stellt keine Maßnahme der Dienstaufsicht dar. Das Dienstgericht des Bundes hat den Begriff „Maßnahme der Dienstaufsicht“ entsprechend dem auf einen umfassenden Rechtsschutz der richterlichen Unabhängigkeit gerichteten Zweck des § 26 Abs. 3 DRiG zwar seit jeher weit ausgelegt. Es genügt bereits eine Einflussnahme, die sich lediglich mittelbar auf die rechtsprechende Tätigkeit des Richters auswirkt oder darauf abzielt. Erforderlich ist jedoch, dass sich das Verhalten einer dienstaufsichtführenden Stelle bei objektiver Betrachtung gegen einen bestimmten Richter oder eine bestimmte Gruppe von Richtern wendet, es also zu einem konkreten Konfliktfall zwischen der Justizverwaltung und dem Richter oder bestimmten Richtern gekommen ist bzw. ein konkreter Bezug zur Tätigkeit eines Richters besteht. Eine Maßnahme der Dienstaufsicht muss sich daher in irgendeiner Weise kritisch mit dem dienstlichen Verhalten eines oder mehrerer Richter befassen oder geeignet sein, sich auf das künftige Verhalten dieser Richter in bestimmter Richtung auszuwirken8. Diese Voraussetzungen erfüllt die Auswahlentscheidung nicht, die sich darauf beschränkt, darüber zu entscheiden, welcher der Bewerber der für ein bestimmtes Richteramt am besten geeignete im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG ist. Ist die Auswahlentscheidung aber keine Maßnahme der Dienstaufsicht und bildet der auf sie bezogene Bewerbungsverfahrensanspruch im vorliegenden Verfahren den alleinigen Streitgegenstand, kommt eine Beschränkung der verwaltungsgerichtlichen Prüfung nicht in Betracht, weil insoweit keine Zuständigkeit des Dienstgerichts besteht. Umgekehrt gilt Entsprechendes in dem Fall, in dem der eigentliche Streitgegenstand in der ausschließlichen Zuständigkeit des Richterdienstgerichts liegt, wie dies z.B. bei der einen Richter auf Probe betreffenden Entlassungsverfügung der Fall ist (§ 63 Nr. 4d) LRiS tAG, § 42 Abs. 1 Nr. 4c)) DRiG)). Die im Rahmen des gegen die Auswahlentscheidung oder die Entlassungsverfügung gerichteten Verfahrens vorzunehmende inzidente Prüfung der Rechtmäßigkeit einer dienstlichen Beurteilung ist dabei jeweils umfassend, verändert aber den jeweiligen Streitgegenstand nicht. Ebenso wie das Richterdienstgericht eine inzident erfolgende Überprüfung der Rechtmäßigkeit der einer Entlassungsentscheidung zugrundeliegenden Beurteilung – soweit erforderlich – in vollem Umfang vornimmt9, muss dies für das Verwaltungsgericht bei der inzidenten Prüfung einer dienstlichen Beurteilung im Rahmen einer Auswahlentscheidung gelten.

Gegen eine nur eingeschränkte inzidente Prüfung der der Auswahlentscheidung zugrunde liegenden Beurteilung spricht zusätzlich das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art.19 Abs. 4 GG). Nur so kann dem grundrechtlichen Anspruch des Bewerbers auf eine tatsächlich wirksame und möglichst lückenlose gerichtliche Kontrolle der Auswahlentscheidung Rechnung getragen werden. Das gilt umso mehr, als das von den Verwaltungsgerichten allgemein praktizierte Modell des vor die Ernennung gezogenen Rechtsschutzes im einstweiligen Anordnungsverfahren nach § 123 VwGO den sich aus Art.19 Abs. 4 Satz 1 GG ergebenden Anforderungen nur dann gerecht wird, wenn das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach Prüfungsmaßstab,

-umfang und -tiefe nicht hinter einem Hauptsacheverfahren zurückbleibt. Dies bedeutet, dass sich die Verwaltungsgerichte nicht auf eine wie auch immer geartete summarische Prüfung beschränken dürfen. Vielmehr ist eine umfassende tatsächliche und rechtliche Überprüfung der Bewerberauswahl verfassungsrechtlich geboten10.

Dem steht die Regelung des § 85 Abs. 3 Satz 1 LRiStAG nicht entgegen. Diese sieht eine Pflicht zur Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Dienstgericht vor, wenn die Entscheidung eines anderen Gerichts als eines Dienstgerichts davon abhängt, ob eine Maßnahme der Dienstaufsicht aus den Gründen des § 26 Abs. 3 DRiG unzulässig ist.

Das Verwaltungsgerichtshof hat aus den dargelegten Gründen bereits Zweifel, ob sich der Anwendungsbereich der Vorschrift auf verwaltungsgerichtliche Verfahren erstreckt, in dem Streitgegenstand der auf eine bestimmte Auswahlentscheidung bezogene Bewerbungsverfahrensanspruch ist und (u.a.) geltend gemacht wird, die zugrunde liegende dienstliche Beurteilung verletze die richterliche Unabhängigkeit.

Jedenfalls beansprucht die Vorschrift keine Geltung für den hier vorliegenden Fall des vorläufigen Rechtsschutzes. Über die dargelegten Gründe hinaus ergibt sich dies aus Folgendem:

Bereits der Wortlaut, der Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht erwähnt, legt nahe, dass der Gesetzgeber die Aussetzungspflicht auf Hauptsacheverfahren beschränken wollte. Die Formulierung „ob eine Maßnahme der Dienstaufsicht … unzulässig ist“ sowie die Begründung der Pflicht zur Aussetzung der „Verhandlung“ deuten an, dass es hier um die Vorgreiflichkeit für die abschließende Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren geht. Bestätigt wird dies unter systematischem Aspekt durch eine ersichtlich auf Hauptsacheverfahren zugeschnittene Verfahrensvorschrift. Denn gemäß § 85 Abs. 3 Satz 3 LRiStAG gelten die Vorschriften des Absatzes 2 sinngemäß. Danach hat das „andere Gericht“ für den Fall, dass das dienstgerichtliche Verfahren noch nicht eröffnet ist, das Verfahren auszusetzen und im Aussetzungsbeschluss eine angemessene Frist zur Einleitung des dienstgerichtlichen Verfahrens zu setzen. Durch eine derartige Verfahrensgestaltung würde die gebotene zügige Durchführung eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig konterkariert. Auch den Materialien lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der Vorschrift auch auf Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erstrecken wollte11.

Gegen eine Aussetzungspflicht im Konkurrentenstreitverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sprechen nicht zuletzt verfassungsrechtliche Erwägungen. Die in § 85 Abs. 3 Satz 1 LRiStAG geregelte Möglichkeit einer Aussetzung führt – auf das konkrete Verfahren bezogen – zu dessen Verzögerung und tangiert damit den in Art.19 Abs. 4 GG angelegten Anspruch auf rechtzeitigen Rechtsschutz. Deshalb wird die Aussetzung in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes als jedenfalls regelmäßig ausgeschlossen angesehen, weil sie hier dem besonderen Eilbedürfnis als Schutzzweck jener Vorschriften zuwiderläuft12.

Überdies bilden die hier am Verfahren Beteiligten ein mehrpoliges Rechtsverhältnis und sind dementsprechend unter dem Gesichtspunkt des Gebots effektiven Rechtsschutzes unterschiedliche Belange von verfassungsrechtlichem Gewicht zum Ausgleich zu bringen. Den Grundrechten des Antragstellers aus Art.19 Abs. 4 Satz 1 GG, Art. 33 Abs. 2 GG stehen dieselben Grundrechte des Beigeladenen sowie das öffentliche Interesse an der Erfüllung des Justizgewährungsanspruchs gegenüber13. Diese gegenläufigen Interessen blieben bei einem unbedingten Vorrang des Verfahrens vor dem Richterdienstgericht unberücksichtigt. Dies wäre umso bedenklicher, als der Sache nach dem Antragsteller mit dem dienstgerichtlichen Verfahren zusätzlicher (vorläufiger) Rechtsschutz mit Blick auf eine dort nicht gegenständliche Auswahlentscheidung gewährt würde, obgleich der ausgewählte Konkurrent an diesem Verfahren nicht beteiligt ist.

Ergänzend weist der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg darauf hin, dass auch soweit in anderen Zusammenhängen eine Verpflichtung zur Aussetzung des Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit einer bestimmten Frage normiert ist, diese grundsätzlich nicht auf Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erstreckt wird. So sind die Fachgerichte durch Art. 100 Abs. 1 GG nicht gehindert, schon vor der im Hauptsacheverfahren einzuholenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren14.

Eine Einschränkung der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofs ergibt sich auch nicht aus einer etwaigen Bindungswirkung dienstgerichtlicher Entscheidungen. Wegen der unterschiedlichen Streitgegenstände im verwaltungsgerichtlichen Konkurrentenstreitverfahren und im dienstgerichtlichen Verfahren über eine Maßnahme der Dienstaufsicht kommt den Entscheidungen aus den beiden Gerichtsbarkeiten eine gegenseitige Bindungswirkung nicht zu15.

Nach alledem ist es nicht ausgeschlossen, dass die Frage, ob eine streitige dienstliche Beurteilung eines Richters wegen einer Beeinträchtigung der durch Art. 97 Abs. 1 GG geschützten richterlichen Unabhängigkeit zu beanstanden ist; vom Richterdienstgericht; und vom Verwaltungsgericht unterschiedlich beantwortet wird. Damit einhergehende Wertungswidersprüche erscheinen vor dem Hintergrund der vorstehenden Erwägungen hinnehmbar. Dies gilt insbesondere dann, wenn lediglich die Abweichung von einer dienstgerichtlichen Entscheidung des vorläufigen Rechtsschutzes in Betracht kommt. Denn stellt das Dienstgericht im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 79 Abs. 1 Satz 1 LRiStAG in Verbindung mit § 123 Abs. 1 VwGO vorläufig fest, dass bestimmte Inhalte der dienstlichen Beurteilung den Antragsteller in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigen, kommt dieser Entscheidung eben lediglich ein vorläufiger, nicht abschließender Charakter zu und steht sie unter dem Vorbehalt einer späteren Bestätigung im Hauptsacheverfahren. Im Übrigen kommt möglichen Divergenzen bei realistischer Betrachtung eine denkbar geringe Bedeutung zu. Denn es erscheint fernliegend, dass eine in einer dienstlichen Beurteilung enthaltene Wertung, die die richterliche Unabhängigkeit verletzt, sachlich gerechtfertigt sein könnte. Vielmehr wird die an eine bestimmte, der richterlichen Unabhängigkeit unterliegende Verfahrensweise oder Entscheidung des Richters anknüpfende negative Wertung in der Regel schon deshalb zu beanstanden sein, weil sie bezogen auf die richterliche Tätigkeit auf sachfremden Erwägungen beruht. Um diese als (beurteilungs-)fehlerhaft zu würdigen, bedarf es regelmäßig nicht der Feststellung, dass sie auch die richterliche Unabhängigkeit verletzt, d.h. sich auch in irgendeiner Weise kritisch mit dem dienstlichen Verhalten des beurteilten Richters befasst oder geeignet ist, sich auf das künftige Verhalten dieses Richters in bestimmter Richtung auszuwirken16. Ob die Fehlerhaftigkeit einer Beurteilung sich als in dieser Weise „qualifiziert“ darstellt, ist im verwaltungsgerichtlichen Konkurrentenstreitverfahren, das der wirksamen gerichtliche Kontrolle des vom Dienstherrn vorgenommenen Leistungsvergleichs und der darauf beruhenden Auswahlentscheidung dient, regelmäßig nicht entscheidungserheblich.

Verwaltungsgerichtshof Baden -Württemberg, Beschluss vom 27. Oktober 2015 – 4 S 1733/15

  1. vgl. zu diesem Prüfungsmaßstab auch im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.08.2015 – 4 S 1405/15, m.w.N.[]
  2. BVerwG, Urteile vom 26.01.2012 – 2 A 7.09, BVerwGE 141, 361; und vom 04.11.2010 – 2 C 16.09, BVerwGE 138, 102; Beschlüsse vom 19.12.2014 – 2 VR 1.14, IÖD 2015, 38; und vom 22.11.2012 – 2 VR 5.12, BVerwGE 145, 112; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.08.2015 a.a.O., jeweils m.w.N.[]
  3. vgl. BVerwG, Urteil vom 18.04.2002 – 2 C 19.01, DVBl.2002, 1641[]
  4. st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteile vom 27.11.2014 – 2 A 10.13, BVerwGE 150, 359; vom 21.03.2007 – 2 C 2.06, IÖD 2007, 206; und vom 24.11.2005 – 2 C 34.04, BVerwGE 124, 356; Beschluss vom 18.06.2009 – 2 B 64.08, NVwZ 2009, 1314; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.09.2010 – 4 S 1655/09; und VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.08.2015 a.a.O., m.w.N.[]
  5. vgl. hierzu BGH Dienstgericht des Bundes, Urteil vom 31.01.1984 – RiZ (R) 3/83; vgl. auch Urteil vom 08.11.2006 – RiZ (R) 2/05; BVerwG, Urteil vom 09.06.1983 – 2 C 34.80, BVerwGE 67, 222, und Beschluss vom 17.09.2009 – 2 B 69.09, BVerwGE 134, 388[]
  6. seit BVerwG, Urteil vom 09.06.1983, a.a.O.[]
  7. BGH, a.a.O.[]
  8. vgl. etwa BGH Dienstgericht des Bundes, Urteile vom 14.02.2013 – RiZ 3/12, m.w.N.; und vom 04.03.2015 – RiZ (R) 4/14[]
  9. vgl. BGH, Dienstgericht des Bundes, Urteil vom 10.07.1996 – RiZ (R) 3/95 – sowie Beschluss vom 04.05.1998 – RiZ (R) 4/98, zum vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 09.05.2014 – 2 M 43/14, zum vorläufigen Rechtsschutz nach § 123 VwGO[]
  10. vgl. nur BVerwG, Urteil vom 04.11.2010 – 2 C 16.09, BVerwGE 138, 102; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.04.2005 – 4 S 439/05, in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes; OVG NRW, Urteil vom 15.10.2003 – 1 A 2338/01, NVwZ-RR 2004, 874[]
  11. zu der den landesrechtlichen Regelungen zugrundeliegenden Vorschrift des § 68 DRiG vgl. BT-Drs. 3/516, S. 56 zu § 67 DRiG[]
  12. zu § 94 VwGO vgl. Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, § 94 RdNr. 6, 12[]
  13. zu Letzterem vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.11.1999 – 1 BvR 1708/99, NJW 2000, 797; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band IV/2, S. 1880[]
  14. vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 24.06.1992 – 1 BvR 1028/91, BVerfGE 86, 382[]
  15. vgl. BVerwG, Urteil vom 09.06.1983 – 2 C 34.80[]
  16. BGH, Dienstgericht des Bundes, Urteil vom 14.02.2013 – RiZ 3/12, m.w.N.[]