Versorgungsabschlag bei Dienstunfähigkeit

Das Bundesverfassungsgericht hatte sich aktuelle mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit des sogenannten Versorgungsabschlags bei vorzeitigem Eintritt in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit auf der Grundlage des § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BeamtVG (in der Fassung vom 20. Dezember 2001, gültig ab 1. Januar 2003) zu befassen und hat den Versorgungsabschlag für verfassugnskonform befunden.

Versorgungsabschlag bei Dienstunfähigkeit

Hintergrund der Entscheidung war die Verfassungsbeschwerde eines hessischen Lehrers. Der 1947 geborene und seit 1980 schwerbehinderte Beschwerdeführer – zuletzt als verbeamteter Lehrer der Besoldungsgruppe A 13 G.D. im Dienst des Landes Hessen – war mit Wirkung zum 1. November 2005 wegen Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden. Auf der Basis eines Ruhegehaltssatzes von 75 % hatte er Anspruch auf ein erdientes Ruhegehalt in Höhe von 2.970,33 €. Der vom Regierungspräsidium Darmstadt auf der Grundlage des § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BeamtVG festgesetzte Versorgungsabschlag in Höhe von 10,80 % führte zu einer Kürzung seiner Versorgungsbezüge um 320,80 €.

Seine Klage auf Berechnung und Auszahlung seiner Versorgungsbezüge ohne Vornahme eines Versorgungsabschlags wies das Verwaltungsgericht Wiesbaden ab1, der hiergegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung wurde vom Hessischem Verwaltungsgerichtshof abgelehnt2, die dagegen gerichtete Anhörungsrüge und Gegenvorstellungen blieben erfolglos3. Das Bundesverfassungsgericht nahm nun die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an:

§ 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BeamtVG, der für die Berechnung der Versorgungsbezüge derjeniger Beamten, die wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden, einen zusätzlichen Zeitfaktor einführt und der die Höhe der Versorgungsbezüge an das Lebensalter bei Eintritt in den Ruhestand anknüpft und damit auch die unterschiedliche Dauer des Bezuges der Leistungen nach versorgungsmathematischen Gesichtspunkten berücksichtigt, verstößt – wie auch die darauf beruhenden Entscheidungen – nicht gegen Art. 33 Abs. 5 GG.

Art. 33 Abs. 5 GG verpflichtet den Gesetzgeber, bei beamtenversorgungsrechtlichen Regelungen den Kernbestand der Strukturprinzipien, welche die Institution des Berufsbeamtentums tragen und von jeher anerkannt sind, zu beachten und gemäß ihrer Bedeutung zu wahren. Dem Besoldungs- und Versorgungsgesetzgeber verbleibt jedoch ein weiter Spielraum des politischen Ermessens, innerhalb dessen er die Versorgung der Beamten den besonderen Gegebenheiten, den tatsächlichen Notwendigkeiten sowie der fortschreitenden Entwicklung anpassen und verschiedenartige Gesichtspunkte berücksichtigen kann. Jede gesetzliche Regelung des Versorgungsrechts muss generalisieren und enthält daher auch unvermeidbare Härten; sie mag für die Betroffenen insofern fragwürdig erscheinen. Daraus sich ergebende Unebenheiten, Friktionen und Mängel müssen in Kauf genommen werden, solange sich für die Gesamtregelung ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund anführen lässt. Das gilt für die Anwendung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums in gleicher Weise wie für die Anwendung des Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG4.

Zum hergebrachten, das öffentlichrechtliche Dienstverhältnis des Beamten in seinen Kernelementen prägenden und vom Gesetzgeber zu beachtenden Grundsatz der Beamtenversorgung gehört, das Ruhegehalt unter Wahrung des Leistungsprinzips und Anerkennung aller Beförderungen aus dem letzten Amt zu berechnen. Art. 33 Abs. 5 GG fordert im Grundsatz, dass die Ruhegehaltsbezüge sowohl das zuletzt bezogene Diensteinkommen als auch die Zahl der Dienstjahre widerspiegeln5.

Die Regelung zum Versorgungsabschlag bei vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nach § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BeamtVG hält sich im Rahmen dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben. Angesichts des weiten Spielraums politischen Ermessens beim Erlass von Besoldungs- und Versorgungsregelungen ist Art. 33 Abs. 5 GG für die Regelung von Versorgungsabschlägen kein gesetzgeberischer Handlungsauftrag zu entnehmen, zwischen Fällen des antragsabhängigen und damit freiwilligen vorzeitigen Eintritts in den Ruhestand im Sinne des § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 BeamtVG sowie unfreiwilligen Versetzungen in den vorzeitigen Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit im Sinne des § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BeamtVG zu unterscheiden.

§ 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BeamtVG führt nicht zu einer Reduzierung des Ruhegehaltssatzes, sondern lediglich zu einer Verminderung des sich aus den Faktoren des Ruhegehaltssatzes und der ruhegehaltsfähigen Bezüge ergebenden Betrages. Die Länge der aktiven Dienstzeit eines Beamten, die entsprechend dem Leistungsprinzip gemäß Art. 33 Abs. 5 GG bei der Beamtenversorgung Berücksichtigung finden muss, bleibt bei einer Festsetzung von Versorgungsabschlägen für den vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand auch weiterhin eine maßgebliche Berechnungsgrundlage für die Versorgungsbezüge6.

Der Gesetzgeber ist nicht daran gehindert, dem Zusammenspiel von Alimentation und dienstlicher Hingabe dadurch Rechnung zu tragen, dass er einem vorzeitigen Ausscheiden eines Beamten – und damit einem Ungleichgewicht zwischen Alimentierung und Dienstleistung – durch eine Verminderung des Ruhegehalts Rechnung trägt. Andernfalls würde das Pflichtengefüge im Beamtenverhältnis insgesamt verschoben7.

Versorgungsabschläge orientieren sich vor diesem Hintergrund zunächst allein an der Tatsache des vorzeitigen Eintritts in den Ruhestand und müssen von Verfassungs wegen nicht danach unterschieden werden, ob die Zurruhesetzung aus der Perspektive des Beamten freiwillig oder unfreiwillig erfolgte. Der Minderung des Ruhegehalts bei vorzeitigem Eintritt in den Ruhestand sind verfassungsrechtlich ausnahmsweise dann Grenzen gesetzt, wenn das vorzeitige Ausscheiden aus dem aktiven Dienst auf bestands- beziehungsweise rechtskräftig festgestellten Umständen beruht, die der Verantwortungssphäre des Dienstherrn zuzurechnen sind8.

Schließlich hat der Beamte mit Blick auf sonstige Grundsätze des Berufsbeamtentums – unter Beachtung des Alimentationsgrundsatzes – grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass ihm die für die Bemessung der Bezüge maßgeblichen Regelungen, unter denen er in das Beamten- und Ruhestandsverhältnis eingetreten ist, unverändert erhalten bleiben. Der Gesetzgeber darf vielmehr die Höhe der Bezüge kürzen, wenn dies aus sachlichen Gründen und nicht allein aus finanziellen Erwägungen gerechtfertigt ist9.

Solche zusätzlichen sachlichen Gründe liegen vorliegend im bestehenden System der Altersversorgung begründet. Das geltende Versorgungsrecht begünstigt Frühpensionierungen dadurch, dass der Höchstruhegehaltssatz regelmäßig bereits mehrere Jahre vor der gesetzlichen Altersgrenze erreicht wird. Die mit dem vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand verbundenen Belastungen der Staatsfinanzen rechtfertigen deshalb Einschnitte in die Beamtenversorgung mit dem Ziel, das tatsächliche Pensionierungsalter anzuheben und die Zusatzkosten dadurch zu individualisieren, dass die Pension des Beamten um einen Abschlag gekürzt wird10.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 27. Juli 2010 – 2 BvR 616/09

  1. VG Wiesbaden, Urteil vom 22.04.2008 – 6 E 720/07(2) []
  2. Hess. VGH, Beschluss vom 06.01.2009 – 1 A 1246/08.Z[]
  3. Hess. VGH, Beschluss vom 12.02.2009 – 1 A 1246/08.Z.R []
  4. ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfGE 26, 141, 158 f.; 65, 141, 148; 103, 310, 319 f.; 110, 353, 365[]
  5. vgl. BVerfGE 114, 258, 286; 117, 372, 381, 389; BVerfGK 8, 232, 235 m.w.N.[]
  6. so bereits BVerfGK 8, 232, 235; in diesem Sinne auch BVerfGE 117, 372, 389[]
  7. vgl. BVerfGK 8, 232, 235 f.; BVerfG, Beschluss vom 11.12.2007 – 2 BvR 797/04[]
  8. vgl. BVerfGK 8, 232, 236[]
  9. ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfGE 8, 1, 12 ff.; 18, 159, 166 f.; 70, 69, 79 f.; 76, 256, 310[]
  10. vgl. BVerfGE 114, 258, 291 f.; im Anschluss daran auch BVerfGK 8, 232, 237; aus der fachgerichtlichen Rechtsprechung vgl. BVerwG, Urteil vom 19.02.2004 – 2 C 12/03[]