Ausgangspunkt jeder Schadensberechnung ist die Differenzhypothese. Ob und inwieweit ein nach §§ 249 ff BGB zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich regelmäßig nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre.
Erforderlich ist ein Gesamtvermögensvergleich, der alle von dem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen finanziellen Positionen umfasst. Dieser erfordert eine Gegenüberstellung der hypothetischen und der tatsächlichen Vermögenslage1. Die Differenzbetrachtung darf nicht auf einzelne Rechnungspositionen beschränkt werden.
Die Geltendmachung eines Teilschadens wird durch diesen Grundsatz aber nicht ausgeschlossen. Der geschädigte Mandant ist nicht gehalten, den gesamten ihm entstandenen Schaden einzuklagen. Er kann die Klage etwa aus Kostengründen auf einen Teilbetrag beschränken. Ebenso ist es ihm nicht aus Rechtsgründen verwehrt, einen bereits bezifferbaren Schaden im Wege der Leistungsklage geltend zu machen und im Übrigen eine Feststellungsklage zu erheben, um so dem Eintritt der Verjährung vorzubeugen. Er ist lediglich gehalten, im Rahmen der Teilklage die negativen wie die positiven Folgen des schädigenden Ereignisses zu berücksichtigen.
Im hier entschiedenen Streitfall hat die Mandantin den Zahlungsantrag ausschließlich mit der Nachfestsetzung der Sozialversicherungsbeiträge für ihren Geschäftsführer im Zeitraum 1.06.2011 bis 31.12 2016 begründet. Den ihr entstandenen Steuerschaden hat sie bisher nicht beziffert. Sie hat ihn nur zur Begründung des Feststellungsantrags herangezogen. Mit dem Grundsatz der Gesamtvermögensbetrachtung wäre dieses Vorgehen dann nicht vereinbar, wenn ein Steuerschaden nicht bestünde, die Klägerin vielmehr steuerliche Vorteile erlangt hätte, die den durch die Nachfestsetzung der Sozialversicherungsbeiträge entstandenen Schaden minderten. Die Klägerin hat dazu unter Beweisantritt vorgetragen, keinen Vorteil erlangt zu haben, weil die nunmehr nachträglich abzuführenden Beiträge zwar ihren Gewinn minderten, die verlangten Schadensersatzzahlungen jedoch als Gewinn zu versteuern seien. Der steuerliche Nachteil, der durch den höheren Gewinn in den Jahren, in denen keine Arbeitgeberanteile abgeführt worden seien, und die damit verbundene höhere Steuerlast entstanden sei, werde durch etwaige steuerliche Vorteile in den Jahren, in denen die Nachzahlungen geleistet werden müssten, nicht ausgeglichen, zumal die Schadensersatzleistungen der Beklagten ebenfalls zu versteuern seien.
Ob das höhere Gehalt des Geschäftsführers im Wege der konsolidierten Schadensberechnung2 schadensmindernd zu berücksichtigen ist, richtet sich nach dem Auftrag, welchen die Klägerin den Beklagten erteilt hat. Wenn der Mandant im Rahmen einer Beratung die Berücksichtigung der Interessen eines Dritten zum Gegenstand der Beratungsleistung gemacht hat, ist die Schadensberechnung unter Einbeziehung dieser Drittinteressen vorzunehmen. Grundsätzlich ist Bezugspunkt des Gesamtvermögensvergleichs das Vermögen des Geschädigten, nicht dasjenige Dritter.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. Juni 2019 – IX ZR 115/18
- vgl. etwa BGH, Urteil vom 08.09.2016 – IX ZR 255/13, WM 2018, 139 Rn. 11 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 18.02.2016 – IX ZR 191/13, WM 2016, 2089[↩]
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