Hat die steuerliche Beratung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach dem Inhalt des Vertrages auch die Interessen der Gesellschafter zum Gegenstand, ist der Schaden unter Einbeziehung der Vermögenslagen der Gesellschafter zu berechnen1.
Im vorliegenden Fall hatten es die Steuerberater einer Psysiotherapeuten-GbR unterlassen, der GbR auf die Umsatz- und Gewerbesteuerpflicht ihrer Einnahmen aus der von dieser gesondert angebotenen (gewerbesteuerpflichtigen) Wellnessbehandlungen hinzuweisen und eine Ausgliederung jener Leistungen in eine neu zu gründende, personenidentische Gesellschaft zu empfehlen, so dass aufgrund der Infektionsregelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG die gesamten Einnahmen der – ansonsten freiberuflich tätigen – Physiotherapeuten gewerbesteuerpflichtig wurden.
Der Bundesgerichtshof bejahte eine Schadensersatzpflicht der Steuerberatersozietät nicht hinsichtlich der gesamten nachzuzahlenden Gewerbesteuer:
Grundlage des von der Mandantin geltend gemachten Schadensersatzanspruchs ist § 280 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Beratungsvertrag. Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt ist für die Schadensbetrachtung allerdings nicht ausschließlich die Vermögenslage der Mandantin entscheidend. Vielmehr sind aufgrund der Ausgestaltung des den Steuerberater erteilten Mandats auch die Vermögensinteressen der Gesellschafterinnen der Mandantin zu berücksichtigen. Danach ist das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Mandantin grundsätzlich den ihr durch die Pflichtverletzung der Steuerberater entstandenen Gewerbesteuerschaden ersetzt verlangen kann. Allerdings sind auch die bei den Gesellschafterinnen der Mandantin angefallenen Anrechnungsvorteile im Rahmen einer konsolidierten Schadensbetrachtung in die Gesamtbewertung einzubeziehen.
Ausgangspunkt jeder Schadensberechnung ist die Differenzhypothese. Ob und inwieweit ein nach §§ 249 ff BGB zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich regelmäßig nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre2. Erforderlich ist ein Gesamtvermögensvergleich, der alle von dem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen finanziellen Positionen umfasst. Dieser erfordert nicht lediglich eine Berücksichtigung von Einzelpositionen, sondern eine Gegenüberstellung der hypothetischen und der tatsächlichen Vermögenslage3.
Bezugspunkt des Gesamtvermögensvergleichs ist grundsätzlich das Vermögen des Geschädigten, nicht aber dasjenige Dritter4. Daher kann auf Grund eines Vertrages regelmäßig nur derjenige Schadensersatz verlangen, bei dem der Schaden tatsächlich eingetreten ist und dem er rechtlich zur Last fällt5. Dies führt im Rahmen der Beraterhaftung dazu, dass der zum Ersatz verpflichtete Steuerberater grundsätzlich nur für den Schaden seines Mandanten einzustehen hat, wobei die Drittschadensliquidation und der Vertrag zugunsten Dritter sowie mit Schutzwirkung für Dritte eine Ausnahme bilden6. Ebenso ist es dem ersatzpflichtigen Steuerberater verwehrt, sich auf Vorteile zu berufen, die Dritte infolge der schädigenden Handlung erlangt haben mögen7.
Ausnahmen von diesem Grundsatz hat der Bundesgerichtshof jedoch insbesondere im Zusammenhang mit der Übertragung von Vermögenswerten an Familienangehörige oder innerhalb eines Unternehmensverbundes anerkannt. Hierfür ist der konkrete Auftrag entscheidend, den der Mandant dem Berater ausdrücklich oder den Umständen nach erteilt hat. Wenn der Mandant im Rahmen einer Gestaltungsberatung die Berücksichtigung der Interessen eines Dritten zum Gegenstand der Beratungsleistung gemacht hat, ist die Schadensberechnung auch unter Einbeziehung dieser Drittinteressen vorzunehmen8.
Das Berufungsgericht ist demnach zutreffend von der Entstehung eines Schadens in Höhe der zu viel entrichteten Gewerbesteuer ausgegangen. Der Umstand, dass der Mandantin Einnahmen auch aus den Wellnessbehandlungen zugeflossen sind, die sie im Fall der Ausgliederung nicht erzielt hätte, wirkt sich entgegen der Auffassung der Revision nicht schadensmindernd aus.
Der zwischen der Mandantin und den Steuerberater abgeschlossene Beratungsvertrag umfasste nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt auch die Vermögensinteressen der Gesellschafterinnen der Mandantin. Weil aufgrund des steuerrechtlichen Transparenzprinzips der von der Mandantin als Personengesellschaft erwirtschaftete Gewinn anteilig bei den Gesellschafterinnen zu erfassen war9, schloss die steuerliche Beratung der Mandantin auch einkommensteuerliche Fragen sowie die Anfertigung der Einkommensteuererklärungen der Gesellschafterinnen ein. Die Steuerberater hatten demnach die wirtschaftlichen Folgen einer Ausgliederung der nicht der Regelung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG unterfallenden Leistungen sowohl im Hinblick auf das Vermögen der GbR als auch ihrer Gesellschafterinnen zu prüfen.
Die aus den Wellnessbehandlungen gezogenen Vorteile sind der Mandantin nicht schadensmindernd entgegenzuhalten. Diese Einnahmen sind wirtschaftlich den Gesellschafterinnen zuzurechnen und wären diesen als Einnahmen einer neu zu gründenden Gesellschaft weiterhin zuzuordnen gewesen, ohne dass für die Einnahmen aus physiotherapeutischen Heilbehandlungen gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG Gewerbesteuer angefallen wäre10.
Die den Gesellschafterinnen durch die Ermäßigung ihrer Einkommensteuer gemäß § 35 Abs. 1 EStG erwachsenden Vorteile sind allerdings grundsätzlich auf den Schaden der GbR anzurechnen. Dies hat das Berufungsgericht zu Unrecht abgelehnt. Wird die Haftung des Steuerberaters durch die Einbeziehung der Vermögensinteressen Dritter in das steuerliche Beratungsmandat erweitert, muss es ihm auch möglich sein, sich auf die infolge der fehlerhaften Beratung entstandenen Vorteile dieser Dritten zu berufen.
Allerding müssen jeweils die tatsächlichen Voraussetzungen einer möglichen Anrechnung der den Gesellschafterinnen entstandenen Vorteile festgestellt werden. Die Anrechnung von Steuervorteilen scheidet regelmäßig aus, wenn die dem Geschädigten zufließende Schadensersatzleistung ihrerseits zu versteuern ist11. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Schädiger Umstände darlegt, auf deren Grundlage dem Geschädigten auch unter Berücksichtigung der Ersatzleistung außergewöhnliche Steuervorteile verbleiben12.
Für das Vorliegen möglicher außergewöhnlicher Steuervorteile tragen die Steuerberater als Schädiger die Darlegungs- und Beweislast13.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. September 2016 – IX ZR 255/13
- Fortführung von BGH, Urteil vom 18.02.2016 – IX ZR 191/13, ZIP 2016, 1541[↩]
- BGH, Urteil vom 14.06.2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 42; vom 06.06.2013 – IX ZR 204/12, WM 2013, 1323 Rn.20; vom 05.02.2015 – IX ZR 167/13, WM 2015, 790 Rn. 7; vom 10.12 2015 – IX ZR 56/15, ZIP 2016, 371 Rn. 12; vom 18.02.2016 – IX ZR 191/13, ZIP 2016, 1541 Rn. 9[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 20.11.1997 – IX ZR 286/96, WM 1998, 142 f; vom 20.01.2005 – IX ZR 416/00, WM 2005, 999, 1000; vom 07.02.2008 – IX ZR 149/04, WM 2008, 946 Rn. 24; vom 05.02.2015, aaO; vom 10.12 2015, aaO; vom 18.02.2016, aaO[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 05.02.2015, aaO Rn. 8; vom 10.12 2015, aaO Rn. 13; vom 18.02.2016, aaO Rn. 10[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 26.11.1968 – VI ZR 212/66, BGHZ 51, 91, 93[↩]
- vgl. G. Fischer in G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 5 Rn. 138 zur Anwaltshaftung[↩]
- BGH, Urteil vom 05.02.2015, aaO[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 05.02.2015, aaO Rn. 11 f; vom 10.12 2015, aaO Rn. 15; vom 18.02.2016, aaO Rn. 12[↩]
- vgl. BFHE 165, 398, 401 mwN; Gummert/Weipert/Inhester/Herrmann, Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, 4. Aufl., § 9 Rn. 1; Prinz/Hoffmann/Schiffers, Beck’sches Handbuch der Personengesellschaften, 4. Aufl., § 1 Rn.20 f[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 18.02.2016 – IX ZR 191/13, ZIP 2016, 1541 Rn. 16[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 22.03.1979 – VII ZR 259/77, BGHZ 74, 103, 114; vom 28.01.2014 – XI ZR 495/12, BGHZ 200, 110 Rn. 11 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 15.07.2010 – III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rn. 45; vom 01.03.2011 – XI ZR 96/09, WM 2011, 740 Rn. 8; vom 28.01.2014, aaO[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 31.05.2010 – II ZR 30/09, WM 2010, 1310 Rn. 26; vom 15.07.2010, aaO; vom 28.01.2014, aaO[↩]