Ein Geltendmachungsbeschluss ist nichtig, soweit er Ansprüche gegen Aktionäre wegen unberechtigter Dividendenzahlungen aus § 62 Abs. 1 Satz 1 AktG und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 20 Abs. 1 AktG erfasst.
Die Geltendmachungsbeschlüsse sind nach § 241 Nr. 3 AktG nichtig, soweit von ihnen Ansprüche gegenüber den Aktionären wegen unberechtigter Dividendenzahlung, also Ansprüche aus § 62 Abs. 1 Satz 1 AktG und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 20 Abs. 1 AktG, erfasst sind.
Die Geltendmachungsbeschlüsse verstoßen, soweit diese die Verfolgung von Ansprüchen gegenüber den Aktionären wegen unberechtigter Dividendenzahlung betreffen, gegen § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG und sind gemäß § 241 Nr. 3 AktG nichtig.
Ansprüche gegen Aktionäre auf Dividendenrückgewähr aus § 62 Abs. 1 Satz 1 AktG und § 823 Abs. 2 i.V.m. § 20 Abs. 1 AktG unterfallen nicht § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG1.
Die Befugnis der Hauptversammlung nach § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG bezieht sich nach dem Wortlaut der Vorschrift lediglich auf Ersatzansprüche der Gesellschaft aus der Gründung und Organhaftung sowie Ansprüche aus § 117 AktG wegen vorsätzlicher Einflussnahme. Allerdings werden die Ansprüche, die der Befugnis der Hauptversammlung unterliegen, nicht abschließend genannt2.
Aus den Gesetzesmaterialien zum AktG 1965 ergeben sich keine konkreten Hinweise darauf, dass das Verfolgungsrecht nach § 147 AktG auf Ansprüche gegenüber Aktionären wegen unberechtigter Dividendenzahlungen aus § 62 Abs. 1 Satz 1 AktG und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 AktG erstreckt werden sollte3. Die Vorschrift hat die Befugnis der Hauptversammlung gegenüber § 122 Abs. 1 Satz 1 AktG 1937, in dem von „Ansprüchen“ die Rede war, auf die Geltendmachung von „Ersatzansprüchen“ begrifflich verengt, um klarzustellen, dass nur Ersatzansprüche, nicht dagegen Ansprüche auf Erfüllung erfasst sind4. Die in § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG ausdrücklich erwähnten Ansprüche und die Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts5 deuten darauf hin, dass der Gesetzgeber insbesondere auf Schadensersatz gerichtete Ansprüche in den Blick genommen hat6. Jedenfalls der Anspruch aus § 62 Abs. 1 Satz 1 AktG ist demgegenüber auf Rückgewähr der empfangenen Leistung gerichtet7.
Gesetzessystematische Aspekte sprechen für eine enge Auslegung von § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG, die berücksichtigt, dass die Entscheidung der Hauptversammlung über die Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft als eng begrenzte Ausnahme innerhalb der aktienrechtlichen Kompetenzordnung anzusehen ist, die vom Grundsatz der Weisungsunabhängigkeit des Vorstands beherrscht wird8. Zwar stellen Organhaftungsansprüche, die sich darauf beziehen, dass die Geltendmachung von Rückgewähransprüchen gegenüber Aktionären aus Anlass unrechtmäßiger Dividendenausschüttungen pflichtwidrig unterlassen wurde, Ersatzansprüche im Sinne von § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG dar. Der Umstand, dass eine nach der überwiegenden Ansicht im Schrifttum9 eröffnete einheitliche prozessuale Geltendmachung der Ansprüche im Einzelfall zweckmäßig erscheinen mag10, rechtfertigt es für sich genommen aber nicht, die (Bezugs-)Ansprüche aus § 62 Abs. 1 Satz 1 AktG als Ersatzansprüche im Sinne von § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG anzusehen. Weder besteht zwischen etwaigen Organhaftungsansprüchen gegenüber der Verwaltung wegen unzulässiger Dividendenausschüttung und Rückforderungsansprüchen gegenüber den Aktionären ein Gesamtschuldverhältnis (hierzu Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, AktG, 2. Aufl., § 93 Rn. 83; Roth/Hopt in Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 93 Rn. 342) noch beruhen die Ansprüche zwingend oder auch nur typischerweise auf einem einheitlichen Lebenssachverhalt bzw. identischen Pflichtverletzungen.
Der Anspruch aus § 62 Abs. 1 Satz 1 AktG unterfällt auch nicht deswegen § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG, weil er als Minus in dem in dieser Bestimmung ausdrücklich genannten Anspruch aus § 117 AktG enthalten wäre bzw. es sich um artverwandte Ansprüche handelte. § 62 Abs. 1 Satz 1 AktG und § 117 Abs. 1 Satz 1 AktG stellen im Gegenteil wesensverschiedene Anspruchsgrundlagen dar, die an unterschiedliche Lebenssachverhalte und Tatbestandsvoraussetzungen anknüpfen. Während § 117 Abs. 1 Satz 1 AktG die vorsätzliche Einflussnahme auf die Gesellschaft durch einen Aktionär sanktioniert, setzt die Rückgewährpflicht nach § 62 Abs. 1 Satz 1 AktG den unberechtigten Empfang einer Leistung des Aktionärs voraus. Entsprechendes gilt für etwaige Ansprüche gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 AktG11. Solche würden allein an die Verletzung einer dem Aktionär obliegenden Mitteilungspflicht anknüpfen.
Die Einbeziehung von Ansprüchen gegenüber Aktionären gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 AktG und etwaigen Ansprüchen gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 AktG entspricht nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift. § 147 AktG will die tatsächliche Geltendmachung bestimmter Ersatzansprüche sichern und soll so dem das pflichtgemäße Verhalten bewirkenden Haftungsdruck für die Organe Nachdruck verleihen. Zudem sollen die §§ 147 ff. AktG verhindern, dass Ersatzansprüche der Gesellschaft aufgrund einer Befangenheit der Mitglieder der Verwaltungsorgane nicht durchgesetzt werden12. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum UMAG könne typischerweise nicht erwartet werden, dass derjenige Ansprüche verfolge, der dem Ersatzpflichtigen kollegial oder geschäftlich verbunden oder ihm für seine eigene Bestellung zu Dank verpflichtet sei, oder Gefahr laufe, dass im Verfahren seine eigenen Versäumnisse aufgedeckt würden13. Die Norm legt die Entscheidung über die Anspruchsverfolgung daher nur in solchen Fällen in die Hände der Hauptversammlung, in denen typischerweise befürchtet werden muss, dass die Anspruchsverfolgung wegen eines Interessenkonflikts ungeachtet der nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG haftungsbewehrten Pflicht des Vorstands, Ansprüche der Gesellschaft gegen Dritte durchzusetzen14, unterbleibt15.
Der Bundesgerichtshof hat die Gefahr eines solchen Interessenkonflikts in Bezug auf konzernrechtliche Schadensersatzansprüche nach §§ 309, 317 AktG angesichts der Einflussmöglichkeiten des herrschenden Unternehmens bejaht12. In Bezug auf Ansprüche aus § 62 Abs. 1 Satz 1 AktG ist ein vergleichbarer Interessenkonflikt demgegenüber zu verneinen. Zwar kann ein Rückgewähranspruch nach dieser Vorschrift im Einzelfall darauf beruhen, dass der Vorstand das Verbot der Einlagenrückgewähr pflichtwidrig oder gar im Zusammenwirken mit dem Aktionär nicht beachtet. Im Hinblick auf die vielen denkbaren Fallgestaltungen, die einem Anspruch auf Rückgewähr verbotener Leistungen zugrunde liegen können, ist die Annahme einer typischen Gefahr für einen Interessenkonflikt aber nicht gerechtfertigt. Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen der Rückgewähranspruch nach § 62 Abs. 1 AktG darauf beruht, dass Dividenden ungeachtet eines auf der Verletzung von Mitteilungspflichten beruhenden Rechtsverlusts gemäß § 20 Abs. 7 Satz 1 AktG gewährt wurden16 und gilt daher erst recht für mögliche Ansprüche gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 AktG.
Ein Beschluss, mit dem die Hauptversammlung über die Geltendmachung von Ansprüchen beschließt, die von ihrer Kompetenz nach § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG nicht erfasst sind, ist nicht nur anfechtbar, sondern nichtig17. Der hiervon abweichenden Ansicht, die von der Anfechtbarkeit eines solchen Beschlusses ausgeht18, vermag sich der Bundesgerichtshof nicht anzuschließen.
Gemäß § 241 Nr. 3 AktG ist ein Beschluss der Hauptversammlung nichtig, wenn er mit dem Wesen der Aktiengesellschaft nicht zu vereinbaren ist oder durch seinen Inhalt Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutz der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Beschluss Grundprinzipien des Aktienrechts widerspricht19 bzw. gegen Vorschriften verstößt, auf deren Einhaltung die Aktionäre nicht verzichten können20.
Ein kompetenzüberschreitender Beschluss, also ein solcher, mit dem die Hauptversammlung über Gegenstände entscheidet, die in die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gesellschaftsorgans fallen, ist daher nach § 241 Nr. 3 AktG nichtig21. Die Verfassung der Aktiengesellschaft wird durch eine weitgehend zwingende Kompetenzordnung bestimmt, die den einzelnen Organen im Interesse einer bestmöglichen Aufgabenwahrnehmung bestimmte Kompetenzen zuweist bzw. sie von der Wahrnehmung bestimmter Funktionen ausschließt. Die Zuweisung der Zuständigkeit an ein bestimmtes Organ beinhaltet dabei zugleich das Verbot an die Hauptversammlung, diese Frage an sich zu ziehen22. Beschließt die Hauptversammlung die Geltendmachung von § 147 Abs. 1 AktG nicht unterfallenden Ansprüchen, so greift sie in die gesetzliche Aufgabenverteilung innerhalb der Gesellschaft zum Nachteil des Vorstands ein. Denn die Entscheidung, ob von § 147 Abs. 1 AktG nicht erfasste Ansprüche zu verfolgen sind, ist nach § 76 Abs. 1 AktG dem Vorstand zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung zugewiesen.
Soweit die Gegenansicht zur Begründung der bloßen Anfechtbarkeit auf Abgrenzungsschwierigkeiten und die Schutzbedürftigkeit des besonderen Vertreters hinweist23, macht sie keine Umstände geltend, die im Rahmen von § 241 Nr. 3 AktG relevant sein könnten. Berechtigte Interessen des besonderen Vertreters und Vertrauensschutz für Dritte werden über das Institut der fehlerhaften Bestellung gewährleistet.
Nicht zu beanstanden ist auch die weitere Annahme des Oberlandesgerichts Karlsruhe24, dass die von der Hauptversammlung gefassten Geltendmachungsbeschlüsse nicht nur insoweit nichtig sind, als diese die Geltendmachung von Ansprüchen aus § 62 Abs. 1 Satz 1 AktG gegenüber den Aktionären betreffen, sondern dass die Geltendmachungsbeschlüsse nach § 139 BGB insgesamt nichtig sind. Die Bestellungsbeschlüsse verlieren hierdurch ihre Grundlage.
Wenn in einem Antrag zu einem Tagesordnungspunkt, wie hier, mehrere Beschlussgegenstände zusammengefasst werden, beurteilt sich die Gesamtnichtigkeit des Beschlusses bei der Nichtigkeit eines Teils entsprechend nach § 139 BGB25. Daher ist der ganze Beschluss nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass er auch ohne den nichtigen Teil gefasst worden wäre. Insoweit kommt es auf den mutmaßlichen Willen der Hauptversammlung an, der grundsätzlich durch Auslegung des Beschlusses zu ermitteln ist26. Maßgebliches Auslegungskriterium für die Ermittlung des mutmaßlichen Willens ist, ob nach dem Beschlussinhalt ein innerer Zusammenhang zwischen den Beschlussgegenständen besteht oder hergestellt ist27.
Im Hinblick auf den körperschaftsrechtlichen Charakter der Beschlussfassung über die Zuweisung der Geltendmachung bestimmter Ansprüche an einen besonderen Vertreter sind die Beschlüsse objektiv auszulegen, wobei der Bundesgerichtshof die Auslegung unabhängig von der Auslegung der Vorinstanz vornehmen kann28.
Die objektive Auslegung der Beschlüsse ergibt für den Bundesgerichtshof im hier entschiedenen Fall desweiteren, dass die aus der Kompetenzüberschreitung resultierende Nichtigkeit zur Gesamtnichtigkeit der Geltendmachungs- und Bestellungsbeschlüsse führt.
Die Annahme des Oberlandesgerichts Karlsruhe, die Hauptversammlungsbeschlüsse ließen nicht hinreichend deutlich erkennen, im Zweifel auch nur Ansprüche aus § 117 Abs. 1 Satz 1 AktG gegen die Aktionäre verfolgen zu wollen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der im Beschlussvorschlag mitgeteilte Sachverhalt betrifft im Schwerpunkt die vermeintlich unzulässige Gewinnausschüttung an die Aktionäre, ohne dass zu einer Bestimmung i.S.v. § 117 Abs. 1 Satz 1 AktG konkrete Tatsachen benannt werden, die Anknüpfungspunkt für eine selbstständige Anspruchsverfolgung hätten sein können. Daraus kann der Wille der Hauptversammlung abgeleitet werden, dass Ansprüche nach § 117 Abs. 1 Satz 1 AktG verfolgt werden sollten, wenn und soweit sich im Rahmen der Aufklärung des Sachverhalts zu Gewinnausschüttungen, die primär zu Ansprüchen aus § 62 Abs. 1 AktG führen konnten, Anhaltspunkte für eine Bestimmung i.S.d. § 117 Abs. 1 Satz 1 AktG ergeben. Dass die Ansprüche aus § 117 AktG an prominenter Stelle im Beschluss angeführt werden, lässt entgegen der Revision der Klägerin für sich genommen nicht den Schluss zu, dass diese primär Gegenstand der Rechtsverfolgung sein sollten, weil die formale Gestaltung der Beschlussvorlage ein äußerer Umstand ist, der als Abgrenzungsmerkmal untauglich ist29.
Die Nichtigkeit erstreckt sich, wie das Oberlandesgericht Karlsruhe ebenfalls ohne Rechtsfehler angenommen hat, auch auf die gegenüber dem Vorstand und dem Aufsichtsrat geltend zu machenden Organhaftungsansprüche.
Im Rahmen der vorzunehmenden objektiven Auslegung hat das Oberlandesgericht Karlsruhe zu Recht maßgeblich darauf abgestellt, dass das bei der hier gegebenen Sammelabstimmung geltende Stimmverbot der Aktionäre P. und Dr. K. nur insoweit zur Anwendung kam, als von der Nichtigkeit der Beschlussfassung auszugehen ist. Dies führt zur Nichtigkeit auch weiterer Beschlussgegenstände, wenn zu diesen im Hinblick auf den Wegfall des Stimmverbots möglicherweise abweichende Mehrheiten zustande gekommen wären. In einem solchen Fall kann der auf die Verwaltungsmitglieder bezogene Geltendmachungsbeschluss nicht isoliert aufrechterhalten bleiben (hierzu Schmolke in Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 147 Rn. 171; Schwab in K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 241 Rn. 48; Grunewald, NZG 2017, 1321, 1324; aA Theusinger/Guntermann, EWiR 2018, 395, 396).
Gemäß § 136 Abs. 1 Satz 1 Fall 3 AktG kann niemand für sich oder für einen anderen das Stimmrecht ausüben, wenn darüber Beschluss gefasst wird, ob die Gesellschaft gegen ihn einen Anspruch geltend machen soll. Ausdrücklich erfasst das Gesetz damit nur das Stimmrecht des Aktionärs, gegen den die Geltendmachung von Ansprüchen beschlossen werden soll. Das schließt aber nicht aus, § 136 Abs. 1 Satz 1 AktG in vergleichbaren Fällen sinngemäß anzuwenden, wenn nämlich das Ausmaß des Interessenkonflikts für den Aktionär identisch ist, sodass eine auf das mitgliedschaftliche Interesse ausgerichtete Stimmabgabe nicht erwartet werden kann30. In diesem Zusammenhang kommt der in § 136 Abs. 1 Satz 1 AktG enthaltene Grundgedanke des Stimmverbots zum Tragen, dass nämlich ein Gesellschafter nicht Richter in eigener Sache sein darf31.
Eine sinngemäße Anwendung von § 136 Abs. 1 Satz 1 AktG ist jedoch nur in Fällen eröffnet, in denen der betroffene Aktionär von der Inanspruchnahme des Vorstands oder des Aufsichtsrats in gleicher Weise betroffen ist, etwa weil diese gemeinsam eine Pflichtverletzung begangen haben und daher, wenn sie das Verhalten zu beurteilen hätten, zugleich ihr eigenes Fehlverhalten zu billigen oder zu missbilligen hätten32. Nicht ausreichend ist es demgegenüber, dass durch voneinander unabhängiges Fehlverhalten unterschiedlicher Akteure ein wirtschaftlich zusammenhängender Schaden verursacht wurde33.
Hieran gemessen hat das Oberlandesgericht Karlsruhe mit Recht ein (hypothetisches) Stimmverbot der von der Rückforderung betroffenen Aktionäre abgelehnt. Die Rückzahlungspflicht der Aktionäre nach § 62 Abs. 1 Satz 1 AktG knüpft an die Verletzung von Meldepflichten an, während den Organen der Beklagten vorgeworfen wird, ihnen hätte das Überschreiten der Meldepflichten auffallen müssen, sodass sie die Dividende gar nicht erst hätten auszahlen dürfen, bzw. sie hätten die Rückforderung pflichtwidrig unterlassen. Anhaltspunkte für ein kollusives Zusammenwirken oder für ein aufeinander abgestimmtes Verhalten hat das Oberlandesgericht Karlsruhe nicht feststellen können. Soweit die Revision der Klägerin in allgemeiner Weise darauf hinweist, die betroffenen Aktionäre würden eine Anspruchsverfolgung gegen Vorstand und Aufsichtsrat zum Schutz eigener Interessen verhindern wollen, rechtfertigt dies die Annahme eines Stimmverbots noch nicht. Dass die Aktiengesellschaft nach herrschender Meinung verpflichtet ist, ihre Ersatzansprüche gegenüber dem Aktionär aus § 62 Abs. 1 Satz 1 AktG entsprechend § 255 BGB an die nach § 93 Abs. 3 Nr. 1, § 116 Satz 1 AktG haftenden Organe abzutreten (hierzu Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, AktG, 2. Aufl., § 93 Rn. 83; Roth/Hopt in Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 93 Rn. 342), rechtfertigt die Annahme eines Stimmverbots ebenfalls nicht.
Die Schlussfolgerung des Oberlandesgerichts Karlsruhe, es lasse sich im Hinblick auf die geänderten Stimmverhältnisse nicht feststellen, dass ein Vorgehen gegen die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat in jedem Fall beschlossen worden wäre, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Die jeweils in den betreffenden Beschlüssen erfolgte Bestellung des besonderen Vertreters nach § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG verliert im Hinblick auf die Nichtigkeit der Geltendmachungsbeschlüsse ihre Grundlage, ohne dass es insoweit einer Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage bedürfte34.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. September 2024 – II ZR 221/22
- OLG Karlsruhe, ZIP 2018, 627, 631; MünchKommAktG/Arnold, 5. Aufl., § 147 Rn. 29; Grigoleit/Grigoleit/Rachlitz, AktG, 2. Aufl., § 147 Rn. 5; Holzborn/Jänig in Bürgers/Körber/Lieder, AktG, 5. Aufl., § 147 Rn. 3; Krebs in Hölters/Weber, AktG, 4. Aufl., § 147 Rn. 7; Koch, AktG, 18. Aufl., § 147 Rn. 5; BeckOGK AktG/Mock, Stand 1.02.2024, § 147 Rn. 44.2; KK-AktG/Rieckers/Vetter, AktG, 3. Aufl., § 147 Rn. 137; Schmolke in Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 147 Rn. 116; Spindler in K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 147 Rn. 3; Krenek, Festschrift Heidel, 2021, S. 527, 530; Mock, NZG 2015, 1013, 1014; Mock/Goltner, AG 2019, 787, 788; Westermann, AG 2009, 237, 243; aA Heidel/Lochner, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl., § 147 AktG Rn. 4; vgl. auch Becker, Festschrift Mestmäcker, 2006, S. 25, 37 f. [für eine actio pro socio][↩]
- BGH, Urteil vom 30.06.2020 – II ZR 8/19, BGHZ 226, 182 Rn. 36[↩]
- vgl. bereits BGH, Urteil vom 30.06.2020 – II ZR 8/19, BGHZ 226, 182 Rn. 37 zu Ansprüchen aus §§ 309, 317 AktG[↩]
- Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Aktiengesetzes [12. Ausschuss], zu Drucks. IV/3296 S. 27; dazu Mock, NZG 2015, 1013, 1015[↩]
- RegE UMAG, BT-Drs.15/5092, 19 ff.[↩]
- Mock, NZG 2015, 1013, 1015[↩]
- BGH, Urteil vom 12.03.2013 – II ZR 179/12, BGHZ 196, 312 Rn. 15 ff.[↩]
- MünchKommAktG/Arnold, 6. Aufl., § 147 Rn. 29; Koch, AktG, 18. Aufl., § 147 Rn. 2; Mock, NZG 2015, 1013, 1015[↩]
- vgl. MünchKommAktG/Bayer, 6. Aufl., § 57 Rn. 239 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 30.06.2020 – II ZR 8/19, BGHZ 226, 182 Rn. 38 für §§ 309, 310, 317, 318 AktG[↩]
- vgl. MünchKommAktG/Bayer, 6. Aufl., § 20 Rn. 88; gegen die Eigenschaft als Schutzgesetz Großkomm. AktG/Windbichler, 5. Aufl., § 20 Rn. 89[↩]
- BGH, Urteil vom 30.06.2020 – II ZR 8/19, BGHZ 226, 182 Rn. 39[↩][↩]
- RegE UMAG, BT-Drs. 15/5092, S.20[↩]
- vgl. BeckOGK AktG/Fleischer, Stand 1.02.2024, § 93 Rn. 116[↩]
- Großkomm. AktG/Schmolke, 5. Aufl., § 147 Rn. 5[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 05.04.2016 – II ZR 268/14, ZIP 2016, 1919 Rn. 11[↩]
- vgl. OLG Karlsruhe, ZIP 2018, 627, 632 f.; Grigoleit/Grigoleit/Rachlitz, AktG, 2. Aufl., § 147 Rn. 5 a.E.; Koch, AktG, 18. Aufl., § 147 Rn. 13; KK-AktG/Rieckers/Vetter, AktG, 3. Aufl., § 147 Rn. 261; Schmolke in Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 147 Rn. 116, 162; Spindler in K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 147 Rn. 12a; Wachter/Zwissler, AktG, 4. Aufl., § 147 Rn. 15; Humrich, Der besondere Vertreter im Aktienrecht, 2013, S. 61 f.[↩]
- BeckOGK AktG/Mock, Stand 1.06.2024, § 147 Rn. 83.2; Mock/Goltner, AG 2019, 787, 788; Nichtigkeit nur für den Bestellungsbeschluss annehmend Beneke, Der besondere Vertreter nach § 147 AktG, 2017, S. 117[↩]
- BGH, Urteil vom 20.09.2004 – II ZR 288/02, BGHZ 160, 253, 256; OLG Karlsruhe, ZIP 2018, 627, 632[↩]
- BGH, Urteil vom 25.09.1989 – II ZR 53/89, ZIP 1989, 1546, 1550 mwN[↩]
- BeckOGK AktG/Drescher, Stand 1.06.2024, § 241 Rn. 239; MünchKommAktG/Schäfer, 5. Aufl., AktG § 241 Rn. 62; Koch, AktG, 18. Aufl., § 241 Rn. 17; KK-AktG/Noack/Zetzsche, 3. Aufl., § 241 Rn. 106; K. Schmidt in Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 243 Rn. 56; Baums, ZHR 142 [1978], 582, 585; vgl. auch BGH, Urteil vom 30.06.2020 – II ZR 8/19, BGHZ 226, 182 Rn. 23 ff. für den Fall einer unzureichenden Individualisierung der geltend zu machenden Ansprüche[↩]
- OLG Karlsruhe, ZIP 2018, 627, 632; BeckOGK AktG/Drescher, Stand 1.06.2024, § 241 Rn. 239[↩]
- Mock/Goltner, AG 2019, 787, 788[↩]
- OLG Karlsruhe, Urteil vom 25.05.2022 – 11 U 11/19[↩]
- BGH, Urteil vom 25.01.1988 – II ZR 148/87, ZIP 1988, 432 Rn. 9 ff.; Urteil vom 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 121 f.; Urteil vom 19.05.2015 – II ZR 176/14, BGHZ 205, 319 Rn. 30; Urteil vom 02.07.2019 – II ZR 406/17, BGHZ 222, 323 Rn. 71; Beschluss vom 17.01.2023 – II ZB 6/22, BGHZ 236, 54 Rn. 40[↩]
- BGH, Urteil vom 19.05.2015 – II ZR 176/14, BGHZ 205, 319 Rn. 30; Urteil vom 02.07.2019 – II ZR 406/17, BGHZ 222, 323 Rn. 71; Beschluss vom 17.01.2023 – II ZB 6/22, BGHZ 236, 54 Rn. 40; Schmolke in Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 147 Rn. 169; aA BeckOGK AktG/Mock, Stand 1.06.2024, § 147 Rn. 83.2[↩]
- BGH, Urteil vom 19.05.2015 – II ZR 176/14, BGHZ 205, 319 Rn. 33[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 18.01.2022 – II ZR 71/20, ZIP 2022, 793 Rn. 15; BeckOGK GmbHG/Born, Stand 1.05.2024, § 53 Rn. 124[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 19.05.2015 – II ZR 176/14, BGHZ 205, 319 Rn. 32[↩]
- BGH, Urteil vom 28.11.2023 – II ZR 214/21, ZIP 2024, 73 Rn. 13[↩]
- BGH, Urteil vom 17.01.2023 – II ZR 76/21, ZIP 2023, 467 Rn. 25; Urteil vom 28.11.2023 – II ZR 214/21, ZIP 2024, 73 Rn. 14[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 20.01.1986 – II ZR 73/85, BGHZ 97, 28, 34; Urteil vom 04.05.2009 – II ZR 166/07, ZIP 2009, 2193 Rn. 11[↩]
- Koch, AktG, 18. Aufl., § 147 Rn. 7; Krebs in Hölters/Weber, AktG, 4. Aufl., § 147 Rn. 11; Spindler in K. Schmidt/Scholz, AktG, 4. Aufl. § 147 Rn. 14b; Stallknecht, Der besondere Vertreter nach § 147 AktG, 2015, S. 64 f.[↩]
- BGH, Urteil vom 30.06.2020 – II ZR 8/19, BGHZ 226, 182 Rn. 44[↩]
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