Eine im Wohnraummietvertrag getroffene Barkautionsabrede ist typischerweise dahingehend auszulegen, dass die Möglichkeit des Vermieters, sich nach Beendigung des Mietverhältnisses im Rahmen der Kautionsabrechnung hinsichtlich etwaiger Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache gemäß §§ 535, 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 823 Abs. 1 BGB durch Aufrechnung befriedigen zu können, nicht an einer fehlenden Ausübung der ihm nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zustehenden Ersetzungsbefugnis in unverjährter Zeit scheitern soll.
In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall verlangt die klagende Mieterin vom beklagten Vermieter, nachdem das Mietverhältnis am 8.11.2019 beendet wurde, die Rückzahlung der von ihr gemäß der mietvertraglichen Vereinbarung bei Mietbeginn geleisteten Barkaution. Der spätere Prozessbevollmächtigte des Vermieters rechnete mit Schreiben vom 20.05.2020 über die Mietkaution ab. Dabei bezifferte er diese einschließlich Zinsen auf 785, 51 € und rechnete mit nach seiner Behauptung bestehenden Gegenforderungen wegen Beschädigung der Mietsache in Höhe von 1.175 € auf. Die Mieterin hat Ansprüche des Vermieters in Abrede gestellt und die Verjährungseinrede erhoben. Der Vermieter hat vorgetragen, er habe bereits mit Schreiben vom 26.02.2020 über die Kaution abgerechnet und mit den von ihm behaupteten Gegenansprüchen die Aufrechnung erklärt. Der Zugang dieses Schreibens bei der Mieterin ist indes streitig geblieben.
Das erstinstanzlich hiermit befasste Amtsgericht Erlangen hat der auf Zahlung von 785, 51 € nebst Zinsen gerichteten Klage stattgegeben1. Die hiergegen gerichtete Berufung des Vermieters hat das Landgericht Nürnberg-Fürth zurückgewiesen2. Gemäß § 390 BGB könne eine Forderung, der eine Einrede entgegenstehe, nicht aufgerechnet werden. Hiervon mache § 215 BGB eine Ausnahme für den Fall, dass eine zwischenzeitlich verjährte Forderung in dem Zeitpunkt, in dem erstmals habe aufgerechnet werden können, noch nicht verjährt gewesen sei. Diese Ausnahme greife allerdings vorliegend nicht ein. Zwar genüge nach dem Wortlaut des § 215 BGB die Möglichkeit der Aufrechnung in unverjährter Zeit. Voraussetzung einer Aufrechnung sei jedoch, dass eine Aufrechnungslage bestehe, was nach § 387 BGB die Gleichartigkeit der zur Aufrechnung gestellten Forderungen voraussetze. An der erforderlichen Gleichartigkeit mangele es, wenn sich – wie hier eine Geldforderung (Rückzahlung einer Barkaution) und ein Anspruch auf Naturalrestitution nach § 280 Abs. 1 BGB beziehungsweise § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 249 Abs. 1 BGB (Schadensersatz wegen Beschädigung der Mietsache) gegenüberstünden. Zwar könne der Gläubiger eines Schadensersatzanspruchs wegen Beschädigung einer Sache nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung des schadensfreien Zustands „in natura“ den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Allerdings wandele sich der Anspruch – auch wenn in der Praxis seitens des Vermieters bei Beschädigungen der Mietsache regelmäßig Ersatz in Geld gefordert werde – erst durch Ausübung der Ersetzungsbefugnis in einen Geldanspruch um. Da der Zugang des Abrechnungsschreibens vom 26.02.2020 nicht nachweisbar sei, seien die Schadensersatzansprüche erstmals nach Ablauf der Verjährungsfrist geltend gemacht worden. Für die Anwendung von § 215 BGB genüge auch nicht, dass innerhalb unverjährter Zeit die Möglichkeit bestanden habe, die Ersetzungsbefugnis – wie dies in der Praxis bei der Kautionsabrechnung regelmäßig der Fall sein werde – zusammen mit der Aufrechnungserklärung auszuüben. Ein derartig weites Verständnis würde die kurze Verjährungsfrist des § 548 BGB unterlaufen, deren Zweck darin bestehe, mit der Beendigung eines Gebrauchsüberlassungsverhältnisses verbundene Ansprüche einer beschleunigten Klärung zuzuführen. Dass die Verjährung nach § 215 BGB ausnahmsweise unbeachtlich sei, habe seinen Grund darin, dass derjenige, dessen Forderung der kürzeren Verjährungsfrist unterliege, in seinem Vertrauen auf die Aufrechnungslage geschützt werden und nicht zu einer Durchsetzung seiner Forderung gedrängt werden solle. Diese Interessenlage sei mit derjenigen des Vermieters, der erst nach Ablauf der Verjährungsfrist mit Schadensersatzansprüchen an den Mieter herantrete, nicht vergleichbar. In diesem Fall bestehe keine einem „Stillhalteabkommen“ vergleichbare Situation, vielmehr dürfe der Mieter nach Ablauf der Verjährungsfrist darauf vertrauen, nicht mehr wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache in Anspruch genommen zu werden. Der Vermieter habe andererseits bereits vor seiner Inanspruchnahme auf Rückzahlung der Kaution Veranlassung, mit seinen Ansprüchen hervorzutreten, da er zur Abrechnung der Kaution verpflichtet sei3.
Auf die Revision des Vermieters hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen; mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung könne ein Anspruch der Mieterin auf Rückzahlung der bei Mietbeginn geleisteten Barkaution nicht bejaht werden:
Der Wirksamkeit der vom Vermieter mit Schreiben vom 20.05.2020 gegenüber der Mieterin erklärten Aufrechnung mit den von ihm behaupteten Schadensersatzansprüchen wegen Beschädigung der Mietsache (§§ 535, 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 823 Abs. 1, § 249 BGB) steht die von der Mieterin erhobene Einrede der Verjährung gemäß § 215 Alt. 1 BGB nicht entgegen.
Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Vermieter jedenfalls aus der der Hingabe der Mietkaution zugrunde liegenden Sicherungsabrede verpflichtet ist, eine vom Mieter gezahlte Barkaution (§ 551 BGB) nach Beendigung des Mietverhältnisses und Ablauf einer angemessenen Prüfungsfrist zurückzuzahlen, sobald er diese zur Sicherung seiner Ansprüche nicht mehr benötigt4. Dies ist der Fall, wenn feststeht, dass dem Vermieter keine Ansprüche mehr zustehen, wegen derer er sich aus der Sicherheit befriedigen kann5. Denn die Kaution dient der Sicherung der Ansprüche des Vermieters; dieser soll sich nach Beendigung des Mietverhältnisses auf einfache Weise, nämlich durch Aufrechnung gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch befriedigen können6, und zwar auch hinsichtlich solcher Forderungen, deren Existenz zwischen den Mietvertragsparteien streitig ist7.
Von Rechtsfehlern beeinflusst ist hingegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die von dem Vermieter mit Schreiben vom 20.05.2020 erklärte Aufrechnung mit von ihm behaupteten Schadensersatzansprüchen wegen Beschädigung der Mietsache nach §§ 535, 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 823 Abs. 1 BGB8 – zu deren Voraussetzungen das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat und deren Bestehen daher revisionsrechtlich zu unterstellen ist – habe nicht gemäß § 389 BGB zum Erlöschen des geltend gemachten Kautionsrückzahlungsanspruchs der Mieterin geführt, weil sie gemäß § 390 BGB unwirksam sei.
Nach der Vorschrift des § 390 BGB kann eine Forderung, der eine Einrede entgegensteht, nicht aufgerechnet werden. Zu den Einreden gehören sämtliche Leistungsverweigerungsrechte des bürgerlichen Rechts9 und damit auch die Einrede der Verjährung (§ 214 Abs. 1 BGB).
Zutreffend hat das Berufungsgericht zugrunde gelegt, dass für die vorliegend vom Vermieter geltend gemachten Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache die Vorschrift des § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB eine gegenüber der in § 195 BGB normierten regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren verkürzte Verjährungsfrist von sechs Monaten vorsieht, die gemäß § 548 Abs. 1 Satz 2 BGB mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass diese kurze Verjährungsfrist vorliegend im Zeitpunkt der – einzig unstreitigen – Aufrechnungserklärung des Vermieters vom 20.05.2020 bereits abgelaufen war, lässt Rechtsfehler nicht erkennen und wird auch von der Revision nicht angegriffen.
Das Berufungsgericht hat ebenfalls noch zutreffend gesehen, dass § 215 Alt. 1 BGB eine Ausnahmevorschrift zu § 390 BGB enthält. Es hat dabei jedoch außer Betracht gelassen, dass die von den Parteien im Mietvertrag getroffene Barkautionsabrede – unabhängig davon, ob es sich bei ihr um eine vom Vermieter gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung oder um eine Individualvereinbarung handelt, wozu das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat – dahingehend auszulegen ist, dass die Möglichkeit des Vermieters, sich nach Beendigung des Mietverhältnisses im Rahmen der Kautionsabrechnung hinsichtlich etwaiger Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache durch Aufrechnung befriedigen zu können, nicht an einer fehlenden Ausübung der Ersetzungsbefugnis in unverjährter Zeit scheitern soll.
Gemäß § 215 Alt. 1 BGB schließt die Verjährung die Aufrechnung nicht aus, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet werden konnte. Dies setzt das Bestehen einer Aufrechnungslage im Sinne des § 387 BGB vor Verjährungseintritt voraus10. Eine Aufrechnungslage ist gegeben, wenn die in § 387 BGB normierten Tatbestandsmerkmale Gegenseitigkeit, Gleichartigkeit, Durchsetzbarkeit der Aktivforderung des Aufrechnenden und Erfüllbarkeit der Passivforderung des Aufrechnungsgegners erfüllt sind11.
Das Berufungsgericht hat zu Recht die Gleichartigkeit zwischen dem Anspruch der klagenden Mieterin auf Rückzahlung der Barkaution als Geldforderung12 und dem (zunächst) auf Naturalrestitution durch den Schädiger (§ 249 Abs. 1 BGB) gerichteten Anspruch des beklagten Vermieters auf Schadensersatz wegen Beschädigung der Mietsache verneint13. Denn die nach § 249 Abs. 1 BGB geschuldete Naturalrestitution durch den Schädiger ist nicht auf eine Geldzahlung, sondern auf die Wiederherstellung des Zustands gerichtet, der bestünde, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre.
Ebenfalls noch rechtsfehlerfrei ist die Annahme des Berufungsgerichts, eine Aufrechnungslage im Sinne des § 387 BGB habe auch im Hinblick auf den auf Geldersatz gerichteten Schadensersatzanspruch gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, welcher gegenüber dem Anspruch auf Rückzahlung der Barkaution gleichartig ist, in unverjährter Zeit nicht bestanden14.
Zwar kann der Gläubiger eines Schadensersatzanspruchs wegen Beschädigung einer Sache nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Naturalrestitution durch den Schädiger den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen15. Der Anspruch auf Geldersatz – als besondere Ausprägung des einheitlichen Schadensersatzanspruchs auf Vermögensausgleich16 – setzt jedoch voraus, dass der Gläubiger die ihm zustehende Ersetzungsbefugnis ausübt. Es werden nicht von vornherein mehrere Leistungen geschuldet, sondern der Gläubiger ist nur berechtigt, an die Stelle der einen geschuldeten Leistung (hier: Naturalrestitution durch den Schädiger) eine andere Leistung (hier: Geldersatz) mit der Folge zu setzen, dass fortan nur diese letztere Erfüllung ist17. Die Ersetzungsbefugnis ist eine Willenserklärung18, zu deren Wirksamkeit es des Zugangs beim Schuldner bedarf (§ 130 Abs. 1 BGB).
Da das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und von der Revision unangegriffen festgestellt hat, dass ein Zugang des Abrechnungsschreibens vom 26.02.2020 bei der Mieterin nicht bewiesen ist, hat der Vermieter als Gläubiger der von ihm behaupteten Schadensersatzforderungen wegen Beschädigung der Mietsache die ihm zustehende Ersetzungsbefugnis erst mit dem Abrechnungsschreiben vom 20.05.2020 und damit nicht innerhalb der Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BGB ausgeübt.
Dies steht vorliegend einer Anwendung der Vorschrift des § 215 Alt. 1 BGB jedoch nicht entgegen19.
Unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessenlage, welche einer im Wohnraummietverhältnis getroffenen Barkautionsabrede typischerweise – und mangels festgestellter oder sonst ersichtlicher Besonderheiten auch hier – zugrunde liegt, ist diese regelmäßig dahingehend auszulegen, dass die Möglichkeit des Vermieters, sich nach Beendigung des Mietverhältnisses im Rahmen der Kautionsabrechnung hinsichtlich etwaiger Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache durch Aufrechnung befriedigen zu können, nicht an einer fehlenden Ausübung der Ersetzungsbefugnis in unverjährter Zeit scheitern soll.
)) Die beiderseitige Interessenlage der Vertragsparteien eines Wohnraummietverhältnisses ist hinsichtlich der Barkaution im Ausgangspunkt dadurch gekennzeichnet, dass diese – wie bereits ausgeführt – der Sicherung der Ansprüche des Vermieters dient. Der Vermieter soll sich nach Beendigung des Mietverhältnisses auf einfache Weise durch Aufrechnung gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch befriedigen können20. Ihm steht dabei eine sich an das Ende des Mietverhältnisses anschließende angemessene Überlegungs- und Abrechnungsfrist zu21. Die Länge dieser Frist bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls; diese können so beschaffen sein, dass auch mehr als sechs Monate für den Vermieter erforderlich und dem Mieter zumutbar sein können22.
Für den Fall, dass der Vermieter Ansprüche wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache geltend machen will, kann daher die Abrechnungsfrist in ein Spannungsverhältnis zu der kurzen Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB geraten, die eine „möglichst schnelle“ Klärung über bestehende – auch deliktische – Ansprüche bewirken soll23.
Der Bundesgerichtshof hat allerdings bereits entschieden, dass der Vermieter von Wohnraum nicht schon deshalb gehindert ist, mit verjährten Schadensersatzansprüchen wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der vermieteten Sache gegen den Anspruch auf Rückzahlung der Kaution aufzurechnen, weil er die vom Mieter gestellte Kaution nicht innerhalb von sechs Monaten seit Beendigung des Mietvertrages abgerechnet hat24. Hierdurch ist klargestellt, dass die kurze Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht zwangsläufig gegenüber der Kautionsabrechnungsfrist vorrangig ist.
Auch in der Fallgestaltung des § 215 Alt. 1 BGB lässt der Gesetzgeber die Verjährungseinrede aufgrund einer Interessenabwägung zurückstehen. Dieser Regelung – beziehungsweise der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.200125 am 1.01.2002 geltenden Vorgängerregelung des § 390 Satz 2 BGB, nach welcher eine Aufrechnung trotz Verjährung der Gegenforderung des Aufrechnenden möglich ist, liegt die Wertung des Gesetzgebers zugrunde, dass ein Schuldner, dem ein Gegenanspruch zusteht, kraft dessen er die Inanspruchnahme durch den Gläubiger erfolgreich abwehren kann, sich als hinreichend gesichert ansehen darf und durch die Verjährungsregeln nicht zur frühzeitigen Durchsetzung seiner Forderung im Wege der Aufrechnung oder Klageerhebung gedrängt werden soll26. Dabei wurde insbesondere bei einer in kurzer Frist verjährenden Forderung, der eine in längerer Frist verjährende Gegenforderung gegenübersteht, der Verlust der Aufrechnungsmöglichkeit als unbillig angesehen27.
Im Hinblick auf den Sinn der Kautionsabrede, dem Vermieter eine Befriedigung durch Aufrechnung zu ermöglichen, widerspräche es den beiderseitigen Interessen der Parteien eines Wohnraummietvertrages, wenn die Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 215 Alt. 1 BGB alleine daran scheitern würde, dass der Vermieter in unverjährter Zeit die ihm zustehende Ersetzungsbefugnis nicht ausgeübt hat. Hierdurch würde der Ersetzungsbefugnis eine Stellung eingeräumt, die ihr die Parteien jedenfalls im Wohnraummietverhältnis bei vereinbarter Barkautionsabrede regelmäßig nicht zukommen lassen wollen.
Die Ersetzungsbefugnis dient dem Interesse des Geschädigten. Sie soll den Geschädigten davon befreien, die Sache zur Schadensbeseitigung dem Schädiger anzuvertrauen, und dem Geschädigten die Möglichkeit eröffnen, die Schadensbeseitigung in eigener Regie durchzuführen28. Ihre Ausübung ist demzufolge für den Geschädigten nicht an bestimmte formelle Hürden geknüpft; sie bedarf insbesondere keiner Angabe von Gründen oder näherer Absprachen mit dem Schädiger29. Auch eine Bezifferung des beanspruchten Geldbetrages ist hierfür nicht erforderlich30.
Jedenfalls im Wohnraummietverhältnis ist es – wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und von der Revision unangegriffen festgestellt hat – der Regelfall, dass der Vermieter bei der Beschädigung der Mietsache durch den Mieter seine Ersetzungsbefugnis ausübt. Dies entspricht dem Interesse des Vermieters, nach Beendigung des Mietverhältnisses eine Schadensbeseitigung in eigener Regie vorzunehmen, um deren möglichst zeitnahe und fachgerechte Durchführung – mit dem Ziel einer möglichst nahtlosen Weitervermietung oder sonstigen Weiternutzung der Räume – zu gewährleisten.
Die – nach der geschilderten Interessenlage typischerweise zu erwartende – Ausübung der Ersetzungsbefugnis erfolgt nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts in der Regel – zulässigerweise und konkludent31 – bei der Kautionsabrechnung „zusammen mit der Aufrechnungserklärung“. Mit dem Zugang der Aufrechnungserklärung bei dem Mieter32 ist der dem Vermieter zustehende Schadensersatzanspruch in Geld zu erfüllen und wird damit die für eine Aufrechnungslage nach § 387 BGB erforderliche Gleichartigkeit zu dem Kautionsrückzahlungsanspruch geschaffen.
Die Verneinung der Anwendbarkeit des § 215 Alt. 1 BGB für das Verhältnis zwischen dem Anspruch auf Rückzahlung der Barkaution und dem (verjährten) Anspruch auf Schadensersatz in Geld wegen Beschädigung der Mietsache allein deshalb, weil der Vermieter die ihm zustehende Ersetzungsbefugnis nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht in unverjährter Zeit ausgeübt hat, würde den Vermieter, dem für die Abrechnung der Mietkaution eine angemessene und nicht notwendigerweise auf die kurze Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB beschränkte Frist zur Verfügung steht, zwingen, gegebenenfalls bereits vor Ablauf dieser Abrechnungsfrist gesondert seine Ersetzungsbefugnis auszuüben. Dies ließe außer Betracht, dass die Interessenlage, deren Schutz § 215 Alt. 1 BGB dienen soll, gerade im Hinblick auf den Sinn der von den Parteien vereinbarten Barkaution auch ohne Ausübung der Ersetzungsbefugnis gegeben ist. Vor allem würde nicht berücksichtigt, dass der Mieter an einer isolierten Ausübung der Ersetzungsbefugnis innerhalb der Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB regelmäßig kein Interesse hat.
Der Vermieter, dessen Schadensersatzanspruch wegen Beschädigung der Mietsache zunächst auf Naturalrestitution im Sinne des § 249 Abs. 1 BGB gerichtet ist und sich erst durch Ausübung der Ersetzungsbefugnis in einen Geldersatzanspruch umwandelt, sieht sich dennoch durch die Barkaution, die gerade dazu dient, ihm nach Beendigung des Mietverhältnisses die leichte Befriedigung seiner Ansprüche zu ermöglichen, als hinreichend gesichert an, weil die Ausübung der Ersetzungsbefugnis ohne weitere Voraussetzungen und konkludent im Rahmen der ohnehin vorzunehmenden Abrechnung möglich ist.
Umgekehrt ist auch dem Mieter regelmäßig bewusst, dass der Vermieter von der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Beschädigung der Mietsache zunächst deshalb absieht, weil er sich ohne Weiteres durch Aufrechnung und die damit zugleich und typischerweise ausgeübte Ersetzungsbefugnis aus dem ihm gerade zu diesem Zweck gestellten Kautionsguthaben befriedigen kann.
Die – für die Anwendbarkeit des § 215 Alt. 1 BGB in Verbindung mit § 387 BGB ausreichende – isolierte Erklärung des Vermieters innerhalb der Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB, er übe – möglicherweise auch nur vorsorglich – die ihm zustehende Ersetzungsbefugnis nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB aus, bringt dem Mieter in der geschilderten Konstellation keine ersichtlichen Vorteile, weil er bis zu der Abrechnung des Vermieters über das Kautionsguthaben ohnehin nicht weiß, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe sich dieser auf Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache beruft. Anders als das Berufungsgericht gemeint hat, besteht demnach kein berechtigtes Vertrauen des Mieters, nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht mehr – im Wege der Aufrechnung – wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache in Anspruch genommen zu werden, solange der Vermieter noch keine Abrechnung erteilt hat.
Das Berufungsurteil beruht auf dem vorgenannten Rechtsfehler (§ 545 Abs. 1 ZPO). Hätte das Berufungsgericht die gebotene beiderseits interessengerechte Auslegung vorgenommen, hätte es die Berufung gegen das der Klage stattgebende Urteil nicht ohne Feststellungen zum Bestehen der zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzforderungen wegen Beschädigung der Mietsache zurückgewiesen.
Im Zeitpunkt des Zugangs des Abrechnungsschreibens vom 20.05.2020 bei der Mieterin waren die übrigen Voraussetzungen einer Aufrechnungslage erfüllt, da der Vermieter mit diesem Schreiben konkludent die ihm zustehende Ersetzungsbefugnis im Rahmen des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB ausgeübt und damit die Gleichartigkeit der in Rede stehenden gegenseitigen Ansprüche begründet hat. Der Anspruch der Mieterin auf Rückzahlung der Barkaution war zumindest erfüllbar und der behauptete Anspruch des Vermieters auf Schadensersatz wegen Beschädigung der Mietsache fällig.
Nach alledem konnte das angegriffene Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben; es war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die nicht zur Endentscheidung reife Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit dieses die erforderlichen Feststellungen dazu treffen kann, ob die vom Vermieter behaupteten Schadensersatzansprüche gemäß §§ 535, 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 823 Abs. 1 BGB bestehen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. Juli 2024 – VIII ZR 184/23
- AG Erlangen, Urteil vom 07.07.2022 – 1 C 302/21[↩]
- LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 25.07.2023 – 7 S 3897/22[↩]
- vgl. KG, Beschluss vom 08.12.2019 – 8 U 104/17[↩]
- BGH, Urteil vom 18.01.2006 – VIII ZR 71/05, NJW 2006, 1422 Rn. 8[↩]
- BGH, Urteile vom 20.07.2016 – VIII ZR 263/14, NJW 2016, 3231 Rn. 12; vom 24.03.1999 – XII ZR 124/97, BGHZ 141, 160, 162[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 12.01.1981 – VIII ZR 332/79, NJW 1981, 976 unter – I b bb; BGH, Beschluss [Rechtsentscheid] vom 01.07.1987 – VIII ARZ 2/87, BGHZ 101, 244, 251[↩]
- BGH, Urteile vom 24.07.2019 – VIII ZR 141/17, NJW 2019, 3371 Rn. 25 ff.; vom 28.10.2020 – VIII ZR 230/19, NJW-RR 2021, 15 Rn. 47[↩]
- vgl. hierzu BGH, Urteil vom 28.02.2018 – VIII ZR 157/17, BGHZ 218, 22 Rn. 9, 18 f., 30[↩]
- BGH, Urteil vom 09.10.2000 – II ZR 75/99, NJW 2001, 287 unter 3[↩]
- BGH, Urteil vom 19.05.2006 – V ZR 40/05, NJW 2006, 2773 Rn. 9; vgl. auch BGH, Beschluss [Großer Bundesgerichtshof für Zivilsachen] vom 20.06.1951 – GSZ 1/51, BGHZ 2, 300, 304 f.; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Neubearb.2019, § 215 Rn. 5; Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 17. Aufl., § 215 Rn. 1 f.; BT-Drs. 14/6040, S. 122[↩]
- st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 19.11.2013 – II ZR 18/12, NJW 2014, 624 Rn. 11 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 24.07.2019 – VIII ZR 141/17, NJW 2019, 3371 Rn. 17[↩]
- vgl. hierzu KG, Beschluss vom 02.12.2019 – 8 U 104/17 11; AG Ludwigsburg, WuM 2022, 606, 608; LG Berlin, ZMR 2024, 207 f.; BeckOGK-BGB/Bach, Stand: 1.03.2024, § 215 Rn. 5[↩]
- vgl. auch KG, Beschluss vom 02.12.2019 – 8 U 104/17, aaO Rn. 13; AG Ludwigsburg, aaO; LG Berlin, aaO; BeckOGK-BGB/Bach, aaO[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 28.02.2018 – VIII ZR 157/17, BGHZ 218, 22 Rn. 26; vom 27.06.2018 – XII ZR 79/17, NJW-RR 2018, 1103 Rn. 21[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 09.12.2016 – V ZR 124/16, NJW-RR 2017, 527 Rn. 30; vom 26.02.1991 – XI ZR 331/89, WM 1991, 1002 unter – II 2 a; vom 08.02.1952 – V ZR 122/50, BGHZ 5, 105, 109; RGZ 126, 401, 403; 71, 212, 214; Staudinger/Höpfner, BGB, Neubearb.2021, § 249 Rn. 1; BeckOGK-BGB/Brand, Stand: 1.03.2022, § 249 Rn. 57 f., 112 f., 115; Erman/Ebert, BGB, 17. Aufl., § 249 Rn. 2 f.[↩]
- BGH, Urteile vom 29.01.2019 – VI ZR 481/17, NJW 2019, 1669 Rn. 21; vom 08.02.1952 – V ZR 122/50, BGHZ 5, 105, 109; MünchKommBGB/Oetker, 9. Aufl., § 249 Rn. 358[↩]
- BGH, Urteil vom 29.01.2019 – VI ZR 481/17, aaO[↩]
- vgl. zu der Thematik auch LG Lübeck, Urteil vom 28.03.2024 – 14 S 117/22 56 ff.; Streyl, WuM 2024, 241, 247 ff.; Zehelein, NZM 2022, 937 ff.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 12.01.1981 – VIII ZR 332/79, NJW 1981, 976 unter – I b bb; BGH, Beschluss [Rechtsentscheid] vom 01.07.1987 – VIII ARZ 2/87, BGHZ 101, 244, 251[↩]
- BGH, Beschluss [Rechtsentscheid] vom 01.07.1987 – VIII ARZ 2/87, aaO S. 250; BGH, Urteile vom 24.03.1999 – XII ZR 124/97, NJW 1999, 1857 unter 1; vom 18.01.2006 – VIII ZR 71/05, NJW 2006, 1422 Rn. 9; vom 20.07.2016 – VIII ZR 263/14, NJW 2016, 3231 Rn. 12; vom 24.07.2019 – VIII ZR 141/17, NZM 2019, 754 Rn.20[↩]
- BGH, Beschluss [Rechtsentscheid] vom 01.07.1987 – VIII ARZ 2/87, aaO S. 250 f.; BGH, Urteil vom 18.01.2006 – VIII ZR 71/05, aaO Rn. 10; vgl. BT-Drs. 14/4553, S. 84, 99[↩]
- BT-Drs. 14/4553, S. 45; BGH, Urteil vom 08.11.2017 – VIII ZR 13/17, NJW 2017, 3707 Rn. 29 mwN[↩]
- BGH, Beschluss [Rechtsentscheid] vom 01.07.1987 – VIII ARZ 2/87, aaO S. 252[↩]
- BGBl. I S. 3138[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 05.11.2015 – VII ZR 144/14, NJW 2016, 52 Rn. 11; vom 16.06.1967 – V ZR 122/64, BGHZ 48, 116, 117 [zu § 390 Satz 2 BGB aF]; vgl. auch Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 2, S. 560 f., Band 1, S. 843; vgl. hierzu und zur Kritik auch BeckOGKBGB/Bach, Stand: 1.03.2024, § 215 BGB Rn. 6 ff.; MünchKommBGB/Grothe, 9. Aufl., § 215 BGB Rn. 1 f.; Bydlinski, AcP 196 [1996], 276, 293 ff.[↩]
- vgl. Mugdan, aaO[↩]
- BGH, Urteile vom 29.10.1974 – VI ZR 42/73, BGHZ 63, 182, 184; vom 18.03.2014 – VI ZR 10/13, NJW 2014, 2874 Rn. 29; vom 12.02.2019 – VI ZR 141/18, NJW 2019, 2538 Rn. 24[↩]
- BGH, Urteile vom 27.06.2018 – XII ZR 79/17, NJW-RR 2018, 1103 Rn. 22; vom 28.02.2018 – VIII ZR 157/17, BGHZ 218, 22 Rn. 27; vom 18.03.2014 – VI ZR 10/13, aaO Rn. 30[↩]
- MünchKommBGB/Oetker, 9. Aufl., § 249 Rn. 358[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 29.01.2019 – VI ZR 481/17, NJW 2019, 1669 Rn. 21 mwN[↩]
- vgl. zum Zeitpunkt des Zugangs BGH, Urteil vom 08.11.2011 – XI ZR 341/10, NJW 2012, 445 Rn. 10, 17[↩]