Ein Schriftsatz, bei dem zwar noch am letzten Tag der Berufungsfrist damit begonnen wurde, ihn an das Gericht zu faxen, dessen Übermittlung in vollständiger Form jedoch erst um 0:04 Uhr beendet ist, ist erst nach Ablauf der Frist eingegangen.
Dieser Eingang ist verspätet, denn die Frist des § 517 ZPO ist nur gewahrt, wenn der Schriftsatz unterzeichnet ist1 und die gesendeten Signale vom Telefaxgerät noch vor Ablauf des letzten Tages der Frist vollständig empfangen werden2.
Unerheblich hat daher zu bleiben, dass den auf dem Telefax aufgedruckten Sendezeiten entnommen werden kann, dass der eigentliche Schriftsatz (nebst Unterschrift) und das angefochtene Urteil (allerdings in unvollständiger Form, nämlich ohne die Seite 18) noch am Tag des Fristablaufs und zwar zwischen 23.44 Uhr und 23.50 Uhr und lediglich Teile der Anlagen erst nach Mitternacht, also nach Fristablauf, zum Versand gebracht wurden, weil es auf diesen Zeitpunkt der Versendung nicht ankommt. Maßgeblich ist vielmehr der Eingang des Schriftsatzes beim OLG Stuttgart. Das Empfängerfaxprotokoll des OLG Stuttgart ermöglicht insoweit keine Differenzierung zwischen einzelnen Seiten eines Faxes. Aus ihm lässt sich lediglich für alle Seiten des Schriftsatzes ein einheitliches Empfangsende um 0.04 Uhr ersehen.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nach Ansicht des Oberlandesgerichts Stuttgart ebenfalls unbegründet:
Gemäß § 233 ZPO ist einer Partei auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden verhindert war, eine Notfrist, hier also die Berufungsfrist gemäß § 517 ZPO, einzuhalten. Gemäß § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO muss die Wiedereinsetzung innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden, die mit dem Tag beginnt, an dem das Hindernis behoben ist, § 234 Abs. 2 ZPO.
Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung wird rückwirkend der Zustand hergestellt, als sei die fristgebundene Handlung rechtzeitig vorgenommen worden. Es handelt sich damit um eine Durchbrechung der zunächst eingetretenen Rechtskraft3.
Zentraler Prüfungspunkt bei der fristgerecht beantragten Wiedereinsetzung ist die Frage, ob die Partei die Fristversäumung zu vertreten hat, also nicht die erforderliche Sorgfalt angewendet hat. Maßstab ist die Sorgfalt einer ordentlichen Prozesspartei, mithin ein objektiver Fahrlässigkeitsmaßstab4.
Nach § 85 Abs. 2 ZPO ist das Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleichzustellen.
Vorliegend liegt aus zwei Gründen ein Verschulden des Verfügungsbeklagten vor; ihm kann daher keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.
Zunächst genügte die Einlegung eines nebst Anlagen 41 Seiten umfassenden Schriftsatzes in ein Telefaxgerät um 23.42 Uhr nicht den Anforderungen, die an einen Rechtsanwalt zu stellen sind, wenn der Schriftsatz vollständig vor 0.00 Uhr beim Berufungsgericht einzugehen hat5.
Grundsätzlich hat der Nutzer eines Telefaxgerätes mit der Wahl eines anerkannten Übermittlungsmediums, der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übermittlung beginnt, dass unter normalen Umständen mit ihrem Abschluss bis Mitternacht zu rechnen ist6.
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass häufig gerade die Abend- und Nachtstunden wegen günstigerer Tarife oder wegen drohenden Fristablaufs genutzt werden, um Schriftstücke noch fristwahrend per Telefax zu übermitteln. Auch wenn von einem Rechtsanwalt kein technisches Fachwissen verlangt werden kann, ist zudem allgemein bekannt, dass bei einem Faxversand aus technischen Gründen Sendezeiten unterschiedlich lang sein können7. Schließlich ist vorliegend zu berücksichtigen, dass der Schriftsatz des Beklagten nebst Anlagen mit 41 Seiten eine nicht unerhebliche Länge aufwies.
Diesen Umständen hätte der Verfügungsbeklagte durch einen größeren, zeitlichen Sicherheitszuschlag Rechnung tragen müssen8. Der Beginn des Versendens erst 18 bzw. 17 Minuten vor Fristablauf war zu spät.
Der Verfügungsbeklagte hat zudem nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass er über Erfahrungswerte verfügte, die eine Faxsendung von 41 Seiten an das Oberlandesgericht Stuttgart in unter 18 bzw. 17 Minuten üblicherweise erwarten ließ. Insbesondere geht dies nicht aus den vorgelegten Kommunikationsberichten hervor. Diese Berichte betreffen zwar Versendungsvorgänge mit demselben Faxgerät, das der Verfügungsbeklagte auch im hiesigen Verfahren benutzte. Im Unterschied zum hier streitgegenständlichen Schriftsatz wurden jedoch in den genannten vier Fällen Schriftstücke jeweils in den Nachmittagsstunden versandt.
Unabhängig davon ist das Fristversäumnis des Verfügungsbeklagten nach Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart auch aus einem weiteren Grund als verschuldet anzusehen:
Nach seinem eigenen Vortrag nämlich war der Verfügungsbeklagte in der Nacht während des Versendungsvorganges des Telefaxes in seiner Kanzlei anwesend. Unstreitig befindet sich diese lediglich 1, 5 km entfernt vom Gerichtsgebäude des OLG Stuttgart in der S… Straße … Es ist gerichtsbekannt, dass diese Strecke mit einem Pkw, gerade während der Nachtzeit, zu der wenig Verkehr herrscht, in ca. fünf Minuten zurückgelegt werden kann.
Weiter belegt die von Verfügungsbeklagten vorgelegte Anlage, dass sein Faxgerät erst nach erfolgter Übermittlung einer Sendung an den Empfänger einen Kommunikationsbericht erstellt, hier also erst um 0.04 Uhr.
Bei dieser Sachlage hätte der Verfügungsbeklagte also rund sieben bzw. acht Minuten nach Beginn des Versendungsvorganges um 23.50 Uhr bemerken können und müssen, dass ihm (noch) kein solcher Kommunikationsergebnisbericht seines Faxgerätes vorlag, sein Fax also noch nicht beim Berufungsgericht eingegangen war. Zu diesem Zeitpunkt wären noch zehn Minuten und mithin genügend Zeit verblieben, um persönlich zum Gericht zu fahren und den Schriftsatz dort vor Mitternacht in der Briefkasten zu werfen, zumal sich unmittelbar vor dem Gebäude und dem Briefkasten Parkplätze befinden, die während der Nachtstunden regelmäßig nicht vollständig belegt sind.
Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 14. August 2014 – 2 U 84/14
- vgl. BGH, Beschluss vom 15.06.2004 – VI ZB 9/04 = MDR 2004, 1252[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 15.11.2012 – XI B 70/12[↩]
- vgl. Milger, in: Prütting/Gehrlein, 5. Aufl.2013, § 233 Rz. 1[↩]
- vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl.2014, § 233 Rz. 12; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl.2011, § 233 Rz. 13; Milger, in: Prütting/Gehrlein, 5. Aufl.2013, § 233 Rz. 3[↩]
- vgl. in diesem Zusammenhang auch Saarländisches OLG, Beschluss vom 01.08.2013 – 5 U 368/12 = NJW 2013, 3797 f.[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.08.1996 – 1 BvR 121/95 = NJW 1996, 2857[↩]
- vgl. hierzu BGH, Urteil vom 25.11.2004 – VII ZR 320/03 = NJW 2005, 678[↩]
- vgl. insofern auch BVerfG, Beschluss vom 21.06.2001 – 1 BvR 436/01 = NJW 2001, 3473[↩]