Der Vermieter ist im Falle der Vortäuschung von (Eigen)Bedarf – wie auch sonst bei einer schuldhaften (materiell) unberechtigten Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses – dem Mieter gemäß § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet1.
Ob ein Räumungsvergleich den Zurechnungszusammenhang zwischen der Vortäuschung einer (Eigen)Bedarfssituation und dem später vom Mieter geltend gemachten Schaden unterbricht, ist im Wege der Auslegung des Vergleichs und unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls danach zu beurteilen, ob die Parteien durch gegenseitiges Nachgeben auch den Streit darüber beilegen wollten, ob die (Eigen)Bedarfslage des Vermieters bestand oder nur vorgetäuscht war. Nur dann, wenn mit dem Vergleich auch etwaige Ansprüche des Mieters wegen eines nur vorgetäuschten Bedarfs abgegolten werden sollten, fehlt es an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang2.
An das Vorliegen des Willens des Mieters, auf etwaige Ansprüche gegen den Vermieter wegen eines nur vorgetäuschten (Eigen)Bedarfs zu verzichten, sind strenge Anforderungen zu stellen; der Verzichtswille muss – auch unter Berücksichtigung sämtlicher Begleitumstände – unmissverständlich sein3.
Für einen stillschweigenden Verzicht des Mieters auf die vorgenannten Ansprüche bedarf es regelmäßig bedeutsamer Umstände, die auf einen solchen Verzichtswillen schließen lassen4. Derartige Umstände können bei einem Räumungsvergleich etwa darin liegen, dass sich der Vermieter zu einer substantiellen Gegenleistung – wie etwa einer namhaften Abstandszahlung – verpflichtet.
Der Vermieter ist im Falle der Vortäuschung von Eigenbedarf – wie auch sonst bei einer schuldhaften (materiell) unberechtigten Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses5, wie hier des Wohnraummietverhältnisses – dem Mieter gemäß § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet6.
Die Frage, ob ein Räumungsvergleich den Zurechnungszusammenhang zwischen der Vortäuschung einer (Eigen)Bedarfssituation und dem später vom Mieter geltend gemachten Schaden unterbricht, ist im Wege der Auslegung des Vergleichs und unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls danach zu beurteilen, ob die Parteien durch gegenseitiges Nachgeben auch den Streit darüber beilegen wollten, ob die (Eigen)Bedarfslage des Vermieters bestand oder nur vorgetäuscht war. Nur dann, wenn mit dem Vergleich auch etwaige Ansprüche des Mieters wegen eines nur vorgetäuschten Bedarfs abgegolten werden sollten, fehlt es an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang7.
Im hier entschiedenen Fall war Streitgegenstand des Vorprozesses das Räumungsbegehren des Vermieters im Anschluss an eine Kündigung, die darauf gestützt war, dass die Wohnung als Hausmeisterwohnung für einen Angestellten des Vermieters benötigt werde (sogenannter „Betriebsbedarf“; vgl. hierzu BGH, Urteile vom 23.05.2007 – VIII ZR 122/06, NZM 2007, 639 Rn. 12 f. mwN; vom 15.12 2012 – VIII ZR 210/10, NJW 2011, 993 Rn. 13).
Der Wortlaut des Vergleichs bietet zunächst keine Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien über den Streitgegenstand und die ausdrücklich geregelten Punkte hinaus sämtliche in Betracht kommenden Ansprüche aus dem Mietverhältnis, also etwa auch einen Schadensersatzanspruch wegen vorgetäuschten Bedarfs, abschließend regeln wollten. Weder ist im Vergleich ein solcher Anspruch erwähnt noch findet sich dort eine allgemeine Abgeltungsklausel, wobei dahingestellt bleiben kann, ob von einer solchen Klausel der vorbezeichnete Schadensersatzanspruch erfasst würde8.
Wird in einem solchen Fall dem Räumungsvergleich ein stillschweigender Verzicht auf Schadensersatzansprüche wegen vorgetäuschten Bedarfs entnommen, wird rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt, dass an das Vorliegen des Willens einer Partei, auf Ansprüche zu verzichten, strenge Anforderungen zu stellen sind und der Verzichtswille – auch unter Berücksichtigung sämtlicher Begleitumstände – unmissverständlich sein muss9. Sofern – wie hier – ein stillschweigender Verzicht zu prüfen ist, bedarf es regelmäßig bedeutsamer Umstände, die auf einen solchen Verzichtswillen schließen lassen10. Derartige Umstände können bei einem Räumungsvergleich etwa darin liegen, dass sich der Vermieter zu einer substantiellen Gegenleistung verpflichtet. So kann im Einzelfall in der Zahlung einer namhaften Abstandszahlung oder einem Verzicht auf Schönheitsreparaturen der Wille der Parteien entnommen werden, dass damit auch etwaige Ansprüche des Mieters wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs abgegolten sein sollen11. Dies mag insbesondere dann in Betracht kommen, wenn eine solche Einigung in einer Situation erheblicher Unsicherheit für beide Parteien erfolgt, also etwa in der ersten Instanz vor Durchführung einer sonst erforderlichen umfangreichen Beweisaufnahme.
Derartige Umstände, die den Schluss darauf zuließen, dass auch etwaige Ansprüche des Mieters wegen vorgetäuschten Bedarfs mit dem Räumungsvergleich abgegolten sein sollten, waren im hier entschiedenen Fall aber nicht festzustellen. Im Gegenteil enthält der auf dem Vorschlag des Gericht basierende Räumungsvergleich ein allenfalls formales Nachgeben des Vermieters. Dass die Zubilligung einer rund sechsmonatigen Räumungsfrist in dem Vergleich ein ins Gewicht fallendes Entgegenkommen des Vermieters darstellte, kann schon deshalb nicht angenommen werden, weil dieser anderenfalls auf eine streitige Entscheidung des Gerichts angewiesen gewesen wäre, die nicht notwendig sogleich am Verhandlungstag als Stuhlurteil hätte ergehen müssen, und weil mit einer Entscheidung ohne Zubilligung einer gewissen Räumungsfrist nach den Umständen nicht zu rechnen war. Denn der Mieter, der aufgrund einer Eigenbedarfskündigung oder – wie hier – einer Kündigung wegen „Betriebsbedarfs“ erstmals in der Berufungsinstanz zur Räumung verurteilt wird, kann regelmäßig – sogar von Amts wegen – mit der Zubilligung einer gewissen Räumungsfrist rechnen und hat zudem die Möglichkeit, nach § 721 Abs. 3 ZPO eine Verlängerung der Räumungsfrist oder aus Härtegründen Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO zu beantragen. Nach dem Wortlaut des Vergleichs sind diese Schutzvorschriften indes – ebenso wie eine Räumungsfristbewilligung nach § 794a ZPO – gleichfalls ausgeschlossen worden. Dass der Mieter nach dem Vergleich nur bis zu seinem Auszug Miete zu zahlen hatte, stellt kein oder jedenfalls kein nennenswertes Entgegenkommen des Vermieters dar, denn gemäß § 546a BGB hat der Mieter nach der Beendigung des Mietvertrags nur bis zur Rückgabe der Mietsache Miete zu zahlen und setzt ein weitergehender Schadensersatzspruch wegen unterbliebener Rückgabe voraus, dass sie vom Mieter zu vertreten ist und die Billigkeit eine Schadloshaltung des Vermieters erfordert (§ 571 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB). Die übrigen Bestimmungen des Räumungsvergleichs waren für den Mieter nur nachteilig, weil er die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hatte und überdies durch den Vergleich zusätzliche Anwaltsgebühren entstanden, die er nach dem Vergleich ebenfalls zu tragen hatte.
Schließlich war vorliegend zu berücksichtigen, dass das Berufungsgericht im Räumungsprozess die Rechtsposition des Mieters selbst als aussichtslos angesehen und dies den Parteien auch mitgeteilt hat. Denn in einer Prozesssituation, in der das Gericht den Mieter auf die Aussichtslosigkeit seiner Rechtsverteidigung hinweist, nachdem vernommene Zeugen den vom Vermieter behaupteten Bedarf bestätigt haben, liegt es eher fern, dass die Parteien mit einem sodann abgeschlossenen Räumungsvergleich nicht nur die zu erwartende Entscheidung des Gerichts über den streitgegenständlichen Räumungsanspruch vorwegnehmen, sondern darüber hinaus etwaige Ansprüche der Mieters wegen vorgetäuschten Bedarfs abgelten wollen.
Auch die Tatsache, dass sich beide Parteien im Laufe des Prozesses wechselseitig diverse Vertragsverletzungen vorgeworfen haben, lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass mit dem Vergleich auch Ansprüche wegen vorgetäuschten Bedarfs abgegolten werden sollten. Denn es wurden keine Feststellungen dazu getroffen, ob die behaupteten wechselseitigen Vorwürfe zutrafen; es ist auch nicht ersichtlich, dass beide Vertragsparteien das Mietverhältnis inzwischen als zerrüttet ansahen und es deshalb – unabhängig von der vom Vermieter geltend gemachten Bedarfssituation – beenden wollten.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. Juni 2015 – VIII ZR 99/14
- Bestätigung und Fortführung von BGH, Urteile vom 08.04.2009 – VIII ZR 231/07, NJW 2009, 2059 Rn. 11 mwN; vom 13.06.2012 – VIII ZR 356/11 10; Beschluss vom 07.09.2011 – VIII ZR 343/10, WuM 2011, 634 Rn. 3[↩]
- Fortführung von BGH, Beschluss vom 07.09.2011 – VIII ZR 343/10, aaO[↩]
- Anschluss an und Fortführung von BGH, Urteile vom 21.11.2006 – VI ZR 76/06, NJW 2007, 368 Rn. 9; vom 26.10.2009 – II ZR 222/08, NJW 2010, 64 Rn. 18; vom 18.09.2012 – II ZR 178/10, WM 2012, 2231 Rn. 22; vom 22.04.2015 – IV ZR 504/14 15[↩]
- Fortführung von BGH, Urteile vom 11.10.2000 – VIII ZR 276/99 18; vom 20.09.2006 – VIII ZR 100/05, WM 2007, 177 Rn. 22; Beschluss vom 19.09.2006 – X ZR 49/05 27[↩]
- st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 11.01.1984 – VIII ZR 255/82, BGHZ 89, 296, 301 ff. [zur Wohn- und Gewerberaummiete]; vom 14.01.1988 – IX ZR 265/86, NJW 1988, 1268 unter – III 2 b [zum Pachtvertrag]; vom 28.11.2001 – XII ZR 197/99, NZM 2002, 291 unter 2 b [zur Gewerberaummiete]; vom 22.04.2010 – I ZR 31/08, VersR 2010, 1668 Rn. 17 mwN [zum Frachtvertrag]; vgl. auch BGH, Urteil vom 16.01.2009 – V ZR 133/08, BGHZ 179, 238 Rn. 16 [zum Grundstückskaufvertrag][↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 08.04.2009 – VIII ZR 231/07, NJW 2009, 2059 Rn. 11 mwN; vom 13.06.2012 – VIII ZR 356/11 10; BGH, Beschluss vom 07.09.2011 – VIII ZR 343/10, WuM 2011, 634 Rn. 3[↩]
- vgl. OLG Frankfurt am Main [Rechtsentscheid], NJW-RR 1995, 145, 146; vgl. auch BGH, Beschluss vom 07.09.2011 – VIII ZR 343/10, aaO; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 11. Aufl., § 573 BGB Rn. 81[↩]
- dies verneinend: LG Hamburg, WuM 1995, 168; Schmidt-Futterer/Blank, aaO; vgl. auch Staudinger/Rolfs, BGB, Neubearb.2014, § 573 Rn. 228[↩]
- st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 21.11.2006 – VI ZR 76/06, NJW 2007, 368 Rn. 9; vom 26.10.2009 – II ZR 222/08, NJW 2010, 64 Rn. 18; vom 18.09.2012 – II ZR 178/10, WM 2012, 2231 Rn. 22; vom 22.04.2015 – IV ZR 504/14 15; jeweils mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 11.10.2000 – VIII ZR 276/99 18; vom 20.09.2006 – VIII ZR 100/05, WM 2007, 177 Rn. 22; BGH, Beschluss vom 19.09.2006 – X ZR 49/05 27; jeweils mwN[↩]
- vgl. OLG Frankfurt am Main, aaO; OLG Celle, OLGR 1995, 4 f.; Erman/Lützenkirchen, BGB, 14. Aufl., § 573 Rn. 57; Gramlich, Mietrecht, 12. Aufl., § 573 BGB unter 8; aA wohl Staudinger/Rolfs, aaO mwN[↩]