Die durch eine Markenanmeldung begründete Erstbegehungsgefahr entfällt nicht schon dann, wenn gegen die Zurückweisung der Markenanmeldung durch das Deutsche Patent- und Markenamt keine Beschwerde eingelegt wird.
Aufgrund der Anmeldung eines Zeichens als Marke ist im Regelfall zu vermuten, dass eine Benutzung des Zeichens für die eingetragenen Waren oder Dienstleistungen in naher Zukunft bevorsteht, wenn keine konkreten Umstände vorliegen, die gegen eine solche Benutzungsabsicht sprechen1.
In diesem Zusammenhang kommt es nicht auf die Motivation des Anmelders bei der Markenanmeldung an. Deshalb ist es unerheblich, ob es der Beklagten mit der Anmeldung der Marken allein darum ging, von den Registerinstanzen eine Bestätigung für eine fehlende Unterscheidungskraft der angemeldeten Zeichen zu erhalten. Dies sagt nichts darüber aus, ob der Markenanmelder nach Zurückweisung der Markenanmeldung die Zeichen im Inland benutzen wird.
Ein aufgrund einer Markenanmeldung oder eintragung begründeter vorbeugender Unterlassungsanspruch erlischt, wenn die Begehungsgefahr wegfällt. Dabei sind an die Beseitigung der Erstbegehungsgefahr grundsätzlich weniger strenge Anforderungen zu stellen als an den Fortfall der durch eine Verletzungshandlung begründeten Gefahr der Wiederholung des Verhaltens in der Zukunft2. Anders als für die durch eine Verletzungshandlung begründete Wiederholungsgefahr besteht für den Fortbestand der Erstbegehungsgefahr keine Vermutung3. Für die Beseitigung der Erstbegehungsgefahr genügt daher grundsätzlich ein „actus contrarius„, also ein der Begründungshandlung entgegengesetztes Verhalten4.
Nach diesen Grundsätzen ist die Erstbegehungsgefahr nicht entfallen. Bei der bloßen Nichteinlegung von Rechtsmitteln fehlt es an einem für den Fortfall der Erstbegehungsgefahr ausreichenden entgegengesetzten Verhalten.
Der Bundesgerichtshof hat zwar entschieden, dass die Rücknahme der Markenanmeldung oder ein Verzicht auf die Eintragung der Marke regelmäßig zum Fortfall der Erstbegehungsgefahr führt5. Diese Fälle sind aber mit dem Streitfall nicht vergleichbar, weil jeweils eine bewusste, auf die Erzielung einer bestimmten Rechtswirkung gerichtete Handlung des Anmelders nach außen vorliegt, die der Annahme entgegensteht, er werde die angemeldeten Zeichen nutzen.
Der Annahme einer fortbestehenden Erstbegehungsgefahr bei bloßer Nichteinlegung eines Rechtsmittels steht auch nicht entgegen, dass die Erstbegehungsgefahr auch dann entfällt, wenn die Anmeldung aufgrund einer unterbliebenen Zahlung der Anmeldegebühren gemäß § 64a MarkenG, § 6 Abs. 2 PatKostG kraft Gesetzes als zurückgenommen gilt6. In diesem Fall wird eine bewusste Handlung und damit auch die entsprechende Rechtswirkung vom Gesetz fingiert. Eine solche Fiktion gibt es bei der Nichteinlegung eines Rechtsmittels nicht.
Ein der Anmeldung entgegengesetztes Verhalten kann in einem schlichten Untätigbleiben wie es in der unterbliebenen Einlegung eines Rechtsmittels liegt nicht gesehen werden.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. Januar 2014 – I ZR 71/12
- BGH, Urteil vom 13.03.2008 – I ZR 151/05, GRUR 2008, 912 Rn. 30 = WRP 2008, 1353 Metrosex; Urteil vom 14.01.2010 – I ZR 92/08, GRUR 2010, 838 Rn. 24 = WRP 2010, 1043 DDR-Logo[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 11.07.1991 – I ZR 31/90, GRUR 1992, 116, 117 = WRP 1991, 719 – TopfguckerScheck; Urteil vom 31.05.2001 – I ZR 106/99, GRUR 2001, 1174, 1176 = WRP 2001, 1076 Berühmungsaufgabe; GRUR 2010, 838 Rn. 27 DDR-Logo[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 23.02.1989 – I ZR 18/87, GRUR 1989, 432, 434 = WRP 1989, 496 Kachelofenbauer I[↩]
- BGH, GRUR 2008, 912 Rn. 30 Metrosex; vgl. dazu Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 8 Rn.01.26 ff.[↩]
- BGH, GRUR 2008, 912 Rn. 30 Metrosex; Urteil vom 04.12 2008 – I ZR 94/06, GRUR-RR 2009, 299 Rn. 12[↩]
- vgl. BGH, GRUR 2010, 838 Rn. 29 f. DDR-Logo[↩]