Marke gegen rein dekorative Verwendungsformen

Der Umstand, dass eine Marke gegen rein dekorative Verwendungsformen ins Feld geführt wird, begründet nicht den Vorwurf einer böswilligen Anmeldung (§ 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG), wenn nicht weitere Anhaltspunkte für rechtsmissbräuchliches Verhalten hinzutreten.

Marke gegen rein dekorative Verwendungsformen

Die Eintragung einer Marke wird nach § 50 Abs. 1 MarkenG auf Antrag wegen Nichtigkeit unter anderem dann gelöscht, wenn sie entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG böswillig angemeldet worden ist.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist für die Prüfung des Nichtigkeitsgrundes der bösgläubigen Anmeldung nach Art. 51 Abs. 1 Buchst. b GMV aF (Art. 52 Abs. 1 Buchst. b GMV nF) ebenso wie für die Beurteilung der Bösgläubigkeit im Sinne des Art. 4 Abs. 4 Buchst. g MarkenRL auf den Zeitpunkt der Anmeldung der Marke abzustellen1.

Soweit der Bundesgerichtshof bislang bezüglich des Eintragungshindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG, der der Umsetzung des Art. 3 Abs. 2 Buchst. d MarkenRL dient, den Zeitpunkt der Entscheidung über die Eintragung der Marke für maßgeblich gehalten hat2, hält er an dieser Rechtsprechung nicht fest3.

Dass der Zeitpunkt der Markenanmeldung für die Beurteilung der Böswilligkeit maßgeblich ist, schließt – wie das Bundespatentgericht mit Recht angenommen hat – eine Berücksichtigung des Verhaltens des Anmelders vor und nach der Markenanmeldung nicht aus. Aus diesem Verhalten können sich Anhaltspunkte für oder gegen eine zum Anmeldezeitpunkt vorliegende Behinderungsabsicht ergeben4.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist von der Böswilligkeit des Anmelders im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG auszugehen, wenn die Anmeldung rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig erfolgt. Das Markengesetz knüpft an die unter der Geltung des Warenzeichengesetzes ergangene Rechtsprechung zum außerkennzeichenrechtlichen Löschungsanspruch aus § 1 UWG aF oder § 826 BGB an. Die dazu entwickelten Grundsätze sind auch zur Beurteilung der Bösgläubigkeit des Anmelders unter Geltung des § 50 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG aF heranzuziehen5. Sie gelten nach der Novellierung des § 50 Abs. 1 MarkenG und der Einführung des Eintragungshindernisses der böswilligen Markenanmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG weiter, weil hierdurch die für die böswillige Markenanmeldung bestehenden Maßstäbe nicht geändert werden sollten, sondern das Entstehen ungerechtfertigter Markenrechte im Interesse der Rechtssicherheit bereits im Eintragungsverfahren verhindert werden sollte6.

Eine böswillige Markenanmeldung kommt danach in Betracht, wenn der Anmelder weiß, dass ein anderer dasselbe oder ein verwechselbares Zeichen für dieselben oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen benutzt, ohne hierfür einen formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben, und besondere Umstände hinzukommen, die das Verhalten des Anmelders als sittenwidrig erscheinen lassen. Solche besonderen Umstände können darin liegen, dass der Zeicheninhaber in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstandes des Vorbenutzers ohne zureichenden sachlichen Grund für gleiche oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen die gleiche oder eine zum Verwechseln ähnliche Bezeichnung mit dem Ziel der Störung des Besitzstandes des Vorbenutzers oder in der Absicht, für diesen den Gebrauch der Bezeichnung zu sperren, als Kennzeichen hat eintragen lassen, oder dass der Zeicheninhaber die mit der Eintragung des Zeichens kraft Markenrechts entstehende und wettbewerbsrechtlich an sich unbedenkliche Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einsetzt7. Als bösgläubig kann danach eine Markenanmeldung zu beurteilen sein, die der Anmelder allein zu dem Zweck vorgenommen hat, den Marktzutritt eines Dritten zu verhindern, ohne die Benutzung der Marke zu beabsichtigen8.

Von diesen Grundsätzen ist in dem hier entschiedenen Fall in der Vorinstanz auch das Bundespatentgericht ausgegangen9. Seine Beurteilung, die Markeninhaberin habe die Marke in der Absicht eintragen lassen, ihre Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einzusetzen, hält der rechtlichen Nachprüfung jedoch nicht stand. Zu Unrecht hat das Bundespatentgericht die Annahme der Böswilligkeit auf den fehlenden Benutzungswillen der Markeninhaberin und ihr Vorgehen gegen Wettbewerber gestützt.

Der Bundesgerichtshof beanstandt zunächst die Annahme des Bundespatentgerichts, es fehle an einer Absicht der Markeninhaberin zur markenmäßigen Benutzung des eingetragenen Zeichens.

Das Bundespatentgericht hat angenommen, die bisherige Verwendung des Zeichens „GLÜCKSPILZ“ durch die Markeninhaberin auf Waren sei bloß dekorativ; insoweit sei der Bewertung durch das Deutsche Patent- und Markenamt beizutreten. Das Bundespatentgericht hat weiter ausgeführt, die Markeninhaberin habe in ihrem Online-Shop lediglich die Zeichenfolge „Adelheid“ und ein Kleeblatt-Zeichen markenmäßig benutzt, nicht aber das Wort „GLÜCKSPILZ“, bei dem es sich nur um ein dekoratives Element handele.

Dieser Beurteilung liegen keine hinreichenden Feststellungen zugrunde.

Die markenmäßige Benutzung ist eine Rechtsfrage, deren Feststellung weitgehend von tatsächlichen Feststellungen zum Verkehrsverständnis abhängt und daher im Wesentlichen der Beurteilung des Tatrichters obliegt. Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist nur zu prüfen, ob der Tatrichter den Rechtsbegriff zutreffend erfasst und entsprechend den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung geurteilt hat und ob alle wesentlichen Umstände berücksichtigt sind und das gewonnene Ergebnis von den getroffenen Feststellungen getragen wird10.

Eine markenmäßige Verwendung oder – was dem entspricht – eine Verwendung als Marke setzt voraus, dass die Bezeichnung im Rahmen des Produkt- oder Leistungsabsatzes jedenfalls auch der Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen dient11.

Der Annahme des Bundespatentgerichts, es fehle am Benutzungswillen der Markeninhaberin, liegen keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen zugrunde. Bezogen auf die von der Markeninhaberin geltend gemachte Benutzung durch Anbringung des Zeichens auf Waren erschöpfen sich die Feststellungen des Bundespatentgerichts in der pauschalen Bezugnahme auf die Bewertung des Deutschen Patent- und Markenamts, die die Annahme fehlenden markenmäßigen Gebrauchs nicht trägt. Eine im Rechtsbeschwerdeverfahren nachvollziehbare Würdigung der von der Markeninhaberin vorgetragenen Benutzungsformen hat das Bundespatentgericht nicht vorgenommen. Das Bundespatentgericht hat ferner den Vortrag der Markeninhaberin nicht gewürdigt, das Zeichen nicht nur auf den Waren selbst, sondern auch in der jeweiligen Angebotszeile im Internet-Angebot „Adelheidladen“ verwendet zu haben.

Der Bundesgerichtshof beanstandet sodann die Annahme des Bundespatentgerichts, das bisherige Vorgehen der Markeninhaberin gegen Wettbewerber indiziere die Böswilligkeit der Anmeldung im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG.

Das Bundespatentgericht hat angenommen, die Markeneintragung ziele darauf, andere Hersteller von Deko-Ware an der Verwendung allgemein üblicher Ausdrücke zu hindern. Die Markeneintragung sei erster Teilakt eines im Hinblick auf die spätere Ausübung des Monopolrechts insgesamt unlauteren Einsatzes. Die Markeninhaberin sei bereits gegen zwei Wettbewerber markenrechtlich vorgegangen, die das Markenwort auf Fußmatten lediglich dekorativ verwendet hätten. Die Ansprüche der Markeninhaberin seien zwar nach Auffassung der mit ihnen befassten Gerichte wegen der Verwendung des Markenworts in der Angebotszeile der jeweils beanstandeten Internet-Auftritte begründet gewesen. Jedoch entspreche das Vorgehen der Markeninhaberin, den mit der Marke verbundenen Einschüchterungseffekt auch rein dekorativen Gestaltungen entgegenzuhalten, keinem markenrechtlich gebilligten Zweck.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung ebenfalls nicht stand. Die Feststellungen des Bundespatentgerichts tragen seine Annahme nicht, die Markeneintragung habe zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfs eingesetzt werden sollen.

Ein Verhalten ist erst dann als böswillig im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG anzusehen, wenn seine Wirkungen über eine als bloße Folge des Wettbewerbs hinzunehmende Behinderung hinausgehen und es bei objektiver Würdigung aller Umstände des Einzelfalls in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet ist12.

Die vom Bundespatentgericht zum Nachteil der Markeninhaberin herangezogene Rechtsverfolgung gegenüber Wettbewerbern im Vertrieb von Fußmatten rechtfertigt nicht die Bewertung, die Markeninhaberin habe ihre Marke zweckfremd im Wettbewerb eingesetzt. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass das Bundespatentgericht die von der Markeninhaberin beanstandete Verwendung des Zeichens auf Fußmatten als rein dekorativ, also nicht markenmäßig angesehen hat. Der Umstand, dass eine Marke auch gegen rein dekorative Verwendungsformen ins Feld geführt werden kann, begründet ohne weitere Anhaltspunkte für rechtsmissbräuchliches Verhalten noch nicht den Vorwurf einer böswilligen Anmeldung. Ein solcher Einsatz der Marke entspricht zwar, wie vom Bundespatentgericht ausgeführt, nicht dem Zweck des Markenrechts; dieses gewährt jedoch dem Markeninhaber in einem solchen Fall auch keine Ansprüche. Im Hinblick darauf, dass sich die Abgrenzung von markenmäßigem und rein dekorativem Gebrauch im Einzelfall als schwierig erweisen kann und der Markeninhaber in entsprechenden Fällen gegebenenfalls mit dem Prozessverlust rechnen muss, ist der Missbrauchsverdacht ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht gerechtfertigt. Fehlt es an solchen Umständen, bewirkt auch ein etwaiger Einschüchterungseffekt, den das Bundespatentgericht der markenrechtlichen Inanspruchnahme von Wettbewerbern zuschreibt, keine über den zweckentsprechenden Einsatz des Monopolrechts hinausgehende Behinderung.

Der Markeninhaberin kann vorliegend auch nicht zur Last gelegt werden, die Monopolisierung allgemein gebräuchlicher Begriffe beabsichtigt zu haben. Sofern nicht besondere Umstände gegeben sind, rechtfertigt dies nicht die Annahme einer böswilligen Anmeldung im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG. Die Ausschlusswirkung einer Marke, hinsichtlich derer nicht die Eintragungshindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 9 MarkenG bestehen, ist gerade rechtmäßiger Zweck ihrer Eintragung13. Ob das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG besteht, hat das Bundespatentgericht bisher nicht geprüft. Auch der Umstand, dass die Markeninhaberin eine Vielzahl von Marken angemeldet hat, kann den Unlauterkeitsvorwurf nicht begründen, wenn nicht weitere Umstände hinzutreten14. Solche besonderen Umstände, die die Markeneintragung als böswillig erscheinen ließen, sind vorliegend weder festgestellt noch sonst ersichtlich.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15. Oktober 2015 – I ZB 69/14

  1. EuGH, Urteil vom 11.06.2009 – C529/07, Slg. 2009, I4893 = GRUR 2009, 763 Rn. 35 Lindt & Sprüngli/Franz Hauswirth; Urteil vom 27.06.2013 – C320/12, GRUR 2013, 919 Rn. 36 = WRP 2013, 1166 – Malaysia Dairy/Beschwerdeausschuss[]
  2. vgl. BGH, Beschluss vom 02.04.2009 – I ZB 8/06, GRUR 2009, 780 Rn. 11 = WRP 2009, 820 – Ivadal I[]
  3. vgl. BGH, Beschluss vom 18.04.2013 – I ZB 71/12, GRUR 2013, 1143 Rn. 15 = WRP 2013, 1478 – Aus Akten werden Fakten; Beschluss vom 17.10.2013 – I ZB 65/12, GRUR 2014, 483 Rn. 22 = WRP 2014, 438 – test[]
  4. vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 848[]
  5. BGH, Beschluss vom 30.10.2003 – I ZB 9/01, GRUR 2004, 510, 511 = WRP 2004, 766 – S100; BGH, GRUR 2009, 780 Rn. 11 – Ivadal I; BGH, Beschluss vom 24.06.2010 – I ZB 40/09, GRUR 2010, 1034 Rn. 13 = WRP 2010, 1399 – LIMES LOGISTIK[]
  6. vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Reform des Geschmacksmusterrechts – Geschmacksmusterreformgesetz, BT-Drs. 15/1075, S. 67 f.[]
  7. vgl. BGH, GRUR 2009, 780 Rn. 13 – Ivadal I; GRUR 2010, 1034 Rn. 13 – LIMES LOGISTIK; BGH, Beschluss vom 27.10.2011 – I ZB 23/11, GRUR 2012, 429 Rn. 10 = WRP 2012, 555 – Simca; zu § 4 Nr. 10 UWG vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 10.01.2008 – I ZR 38/05, GRUR 2008, 621 Rn. 21 = WRP 2008, 785 – AKADEMIKS; Urteil vom 26.06.2008 – I ZR 190/05, GRUR 2008, 917 Rn.20 = WRP 2008, 1319 – EROS; zu Art. 51 Abs. 1 Buchst. b GMV vgl. EuGH, GRUR 2009, 763 Rn. 53 – Lindt & Sprüngli/Hauswirth[]
  8. vgl. EuGH, GRUR 2009, 763 Rn. 44 – Lindt & Sprüngli/Hauswirth; BGH, Urteil vom 23.11.2000 – I ZR 93/98, GRUR 2001, 242, 244 = WRP 2001, 160 – Classe E; BGH, GRUR 2012, 429 Rn. 10 – Simca[]
  9. BPatG, Beschluss vom 29.04.2014 – 27 W(pat) 8/14[]
  10. st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 04.02.2010 – I ZR 51/08, GRUR 2010, 835 Rn. 24 = WRP 2010, 1165 – POWER BALL; Beschluss vom 09.07.2015 – I ZB 65/13, GRUR 2015, 1012 Rn. 25 = WRP 2015, 1108 – Nivea-Blau, mwN[]
  11. vgl. EuGH, Urteil vom 12.11.2002 – C206/01, Slg. 2002, I10273 = GRUR 2003, 55 Rn. 51 ff. – Arsenal Football Club; BGH, Urteil vom 30.04.2008 – I ZR 123/05, GRUR 2008, 793 Rn. 15 = WRP 2008, 1196 – Rillenkoffer; BGH, Urteil vom 14.01.2010 – I ZR 92/08, GRUR 2010, 838 Rn.19 = WRP 2010, 1043 – DDR-Logo[]
  12. vgl. BGH, Urteil vom 20.01.2005 – I ZR 29/02, GRUR 2005, 581, 582 = WRP 2005, 881 – The Colour of Elégance; Urteil vom 11.01.2007 – I ZR 96/04, GRUR 2007, 800 Rn. 23 = WRP 2007, 951 – Außendienstmitarbeiter; BGH, GRUR 2008, 621 Rn. 32 AKADEMIKS[]
  13. vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 8 Rn. 310[]
  14. vgl. Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., § 14 MarkenG Rn. 45[]