Waffenhandel über ein ungarisches Internetportal

Das in § 2 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 3, § 21 Abs. 1 Satz 1 WaffG geregelte Gebot, Waffenhandel nur mit behördlicher Erlaubnis vorzunehmen, an das die Strafbarkeitsbestimmung des § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c WaffG als Blankettnorm anknüpft, erfasst auch den an potenzielle Käufer in Deutschland gerichteten Internethandel mit Waffen aus dem Ausland.

Waffenhandel über ein ungarisches Internetportal

Dies ergibt sich für den Bundesgerichtshof im Umkehrschluss aus § 21 Abs. 4 Nr. 2 Alt. 2 WaffG, wonach die Waffenhandelserlaubnis versagt werden kann, wenn der Antragsteller weder seinen gewöhnlichen Aufenthalt noch eine gewerbliche Niederlassung im (räumlichen) Geltungsbereich dieses Gesetzes hat, der dem Geltungsbereich des Grundgesetzes entspricht1.

Diese Ausschlussnorm bezieht sich gerade auf solche Fälle, in denen vom Ausland aus eine Waffenhandelstätigkeit im Inland entfaltet wird, da der Vertrieb von Waffen im Reisegewerbe oder in ähnlicher Weise außerhalb einer gewerblichen Niederlassung nach § 35 Abs. 3 WaffG grundsätzlich ohnehin verboten ist.

Nach §§ 3, 9 Abs. 1 StGB ist auf das Handeln des Angeklagten deutsches Strafrecht anwendbar, weil ihm die Überlassung der Waffen an die Erwerber durch den von ihm beauftragtenTransportunternehmer zuzurechnen ist.

Der Bundesgerichtshof kann dabei offenlassen, ob der Vorschrift des § 3 StGB 6 ein materieller2 oder ein prozessualer Tatbegriff3 zugrunde liegt, der im vorliegenden Fall angesichts der tateinheitlichen Verurteilung wegen unerlaubten Verbringens von Schusswaffen in den Geltungsbereich des Waffengesetzes eine Anwendbarkeit deutschen Strafrechts begründen würde.

Denn der Angeklagte hat im Inland Waffenhandel getrieben.

Nach der Begriffsbestimmung in Abschnitt 2 Nr. 9 Anlage 1 WaffG „treibt Waffenhandel, wer gewerbsmäßig oder selbstständig im Rahmen einer wirtschaftlichen Unternehmung Schusswaffen oder Munition ankauft, feilhält, Bestellungen entgegennimmt oder aufsucht, anderen überlässt oder den Erwerb, den Vertrieb oder das Überlassen vermittelt.“ Der Ankauf der Waffen, ihr „Feilhalten“4 sowie die Entgegennahme von Bestellungen durch den Angeklagten erfolgten zwar in Ungarn. Jedoch ist durch das „Überlassen“ der Waffen in Deutschland ein inländischer Handlungsort begründet (§ 3 StGB).

Der Begriff des „Überlassens“ ist in Abschnitt 2 Nr. 3 Anlage 1 WaffG definiert. Danach „überlässt eine Waffe …, wer die tatsächliche Gewalt darüber einem anderen einräumt„. Dies geschah mit der Übergabe der Waffen durch das Beförderungsunternehmen an die jeweiligen Erwerber in Deutschland.

Der Beförderer wird in solchen Fällen in der Regel als gutgläubiger Tatmittler in den Transport eingeschaltet; bei der Bestimmung des Handlungsortes wird seine Tätigkeit dem (mittelbaren) Täter, vorliegend also dem Angeklagten, zugerechnet5. Dem entspricht, dass die Begriffsbestimmung des „Verbringens“ in Abschnitt 2 Nr. 5 Anlage 1 WaffG diesem auch das TransportierenLassen einer Waffe zuordnet.

Den Erwerbern ist die tatsächliche Gewalt über die Waffen durch das Beförderungsunternehmen als Tatmittler des Angeklagten in Deutschland eingeräumt worden. Entgegen der Ansicht der Revision enthält § 34 Abs. 1 Satz 5 WaffG insoweit keine „rechtliche Fiktion und Antizipation des Besitzwechsels“ an den Empfänger bereits zu dem Zeitpunkt, in dem eine Übergabe an das Beförderungsunternehmen erfolgt.

Nach ihrem systematischen Zusammenhang im Rahmen des § 34 Abs. 1 WaffG, der innerhalb des Unterabschnitts „Obhutspflichten, Anzeige, Hinweisund Nachweispflichten“ den Grundsatz des Überlassens von Waffen nur an waffenrechtlich Berechtigte regelt, stellt diese Regelung lediglich klar, dass bei der Übergabe der Waffen an einen Transporteur zur Beförderung an eine dritte Person auf deren Berechtigung (und nicht auf eine solche des Transporteurs) abzustellen ist6.

Eine hierüber hinausgehende „gesetzliche Fiktion“ des Übergangs der tatsächlichen Gewalt auf den Erwerber bereits im Zeitpunkt der Übergabe an den Transporteur enthält die Norm demgegenüber nicht. Das zeigt sich auch darin, dass das Gesetz das TransportierenLassen einer Waffe dem „Verbringen“ zuordnet (Abschnitt 2 Nr. 5 Anlage 1 WaffG, s.o.); wer eine Waffe „verbringt“, hat sie noch nicht einem anderen „überlassen“. Für das „Überlassen“ kommt es mithin allein auf das Einräumen der tatsächlichen Gewalt über die Waffen durch den als Tatmittler des Angeklagten handelnden Transporteur an die Erwerber an; dies geschah in Deutschland.

Auch die Annahme von Tateinheit zwischen dem unerlaubten Handeltreiben mit Schusswaffen und ihrem unerlaubten Verbringen in den Geltungsbereich des Waffengesetzes begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Das Verbringen tritt nicht hinter dem Handeltreiben zurück7. Das anders lautende Urteil des Bundesgerichtshofs vom 03.03.19778 erging zum alten Recht, das – abweichend vom früheren Recht – keine besondere Erlaubnispflicht für die Einfuhr von Schusswaffen vorsah. Mit § 29 WaffG ist der Gesetzgeber insoweit aber zum Erfordernis der Erlaubnis für das Verbringen ins Inland zurückgekehrt9. Die Umgangsform (§ 1 Abs. 3, § 2 Abs. 3 WaffG) des Verbringens stellt daher gegenüber derjenigen des Handeltreibens weiteres Unrecht dar und tritt nicht im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurück10.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27. August 2019 – 5 StR 196/19

  1. vgl. Steindorf/Gerlemann, Waffenrecht, 10. Aufl., § 21 WaffG Rn. 21[]
  2. NK-StGB/Böse, 5. Aufl., Vor § 3 Rn. 53, § 3 Rn. 2[]
  3. MK-StGB/Ambos, 3. Aufl., § 3 Rn. 6, § 9 Rn. 45; LK-StGB/Werle/Jeßberger, 12. Aufl., Vor § 3 Rn. 314, § 9 Rn. 66[]
  4. zum Begriff vgl. MK-StGB/Heinrich, 3. Aufl., § 1 WaffG Rn.197; Steindorf/B. Heinrich, Waffenrecht, 10. Aufl., § 1 WaffG Rn. 63[]
  5. LK-StGB/Werle/Jeßberger, 12. Aufl., § 9 Rn. 40 f.[]
  6. Steindorf/Gerlemann, aaO, § 34 WaffG Rn. 4[]
  7. anders Steindorf/B. Heinrich, aaO, § 34 Rn. 88; MK-StGB/Heinrich, aaO, § 52 WaffG Rn. 35, 161 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 03.03.1977 – 2 StR 390/76, insoweit in BGHSt 27, 135 nicht abgedruckt[]
  8. BGH, Urteil vom 03.03.1977, aaO[]
  9. Steindorf/Gerlemann, aaO, § 29 Rn. 3[]
  10. vgl. MK-StGB/Heinrich, aaO, § 52 WaffG Rn. 152[]