Die Geldüberweisungen in ein IS-Lager

Unter einem Unterstützen im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds zu verstehen, das die innere Organisation der Vereinigung und deren Zusammenhalt unmittelbar fördert, die Realisierung der von ihr geplanten Straftaten – wenngleich nicht unbedingt maßgebend – erleichtert oder sich sonst auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr eigene Gefährlichkeit festigt1.

Die Geldüberweisungen in ein IS-Lager

Dies kann zum einen dadurch geschehen, dass ein Außenstehender mitgliedschaftliche Betätigungsakte eines Angehörigen der Vereinigung fördert; in diesem Sinne handelt es sich beim Unterstützen um eine zur Täterschaft verselbständigte Beihilfe zur Mitgliedschaft2.

Zum anderen greift der Begriff des Unterstützens einer Vereinigung über ein im strengeren Sinne des § 27 Abs. 1 StGB auf die Förderung der Tätigkeit eines Vereinigungsmitglieds beschränktes Verständnis hinaus; denn er bezieht sich auch und – wie schon der Wortlaut des Gesetzes zeigt – sogar in erster Linie auf die Vereinigung als solche, ohne dass im konkreten Fall die Aktivität des Nichtmitglieds zu einer einzelnen organisationsbezogenen Tätigkeit eines Organisationsmitglieds hilfreich beitragen muss3.

Erforderlich, aber auch ausreichend ist, wenn die Förderungshandlung an sich konkret wirksam, für die Organisation objektiv nützlich ist und dieser mithin irgendeinen Vorteil bringt; ob der Vorteil genutzt wird und daher etwa eine konkrete, aus der Organisation heraus begangene Straftat oder auch nur eine organisationsbezogene Handlung eines ihrer Mitglieder mitprägt, ist dagegen ohne Belang4. In diesem Sinne muss der Organisation durch die Tathandlung kein messbarer Nutzen entstehen5.

Hieran gemessen hat im vorliegenden Fall die Beschuldigte hochwahrscheinlich in mehrfacher Hinsicht in für den IS objektiv nützlicher Weise gehandelt und damit die Vereinigung im Sinne des § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 StGB unterstützt6. Zum einen hat sie – wie sich exemplarisch und mit besonderer Deutlichkeit im haftbefehlsgegenständlichen Fall 4 zeigt – mit den 17 Geldzahlungen IS-Mitgliedern in Flüchtlingscamps im Nordosten Syriens ermöglicht, in den Lagern mit den Geldern im Sinne des IS und für diesen zu agieren, etwa, indem Ausschleusungen und Freikäufe anderer IS-Frauen organisiert wurden, oder aber dort ein Leben im Sinne der Vereinigung zu führen und sich für ein anderweitiges Engagement im IS nach einer Freilassung zur Verfügung zu halten. Zum anderen hat die Beschuldigte in allen haftbefehlsgegenständlichen Fällen mit dem Betreiben des Spendenkanals und den Geldtransfers den IS als Gesamtorganisation unmittelbar gefördert. Denn die Taten zeigten dem Sympathisantenkreis der Vereinigung, dass der IS sich auch um internierte ISangehörige Frauen kümmerte und es der Vereinigung immer wieder mit Geldzahlungen gelang, diese aus der Lagerhaft „zu befreien“. Dies war geeignet, den Glauben an die fortbestehende Wirkmacht der Vereinigung und die Loyalität zu dieser zu stärken.

Jeweils tateinheitlich hierzu7 hat sich die Beschuldigte hochwahrscheinlich gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Variante 8 AWG strafbar gemacht. Die Übermittlung der Gelder an IS-Mitglieder in Syrien verstieß gegen das in Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 vom 27.05.2002 normierte Bereitstellungsverbot8. Denn der IS ist seit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 632/2013 der Kommission vom 28.06.20139 eine in der Verordnung gelistete Vereinigung10. Gemäß Art. 2 Abs. 2 der Verordnung dürfen gelisteten Gruppierungen weder direkt noch indirekt Gelder zur Verfügung gestellt werden.

Indem die Beschuldigte hochwahrscheinlich dafür sorgte, dass Gelder an IS-Mitglieder im (früheren) Hauptagitationsgebiet der Vereinigung gelangten und von diesen im Sinne der Vereinigung verwendet werden konnten, stellte sie finanzielle Ressourcen im Sinne des Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 zur Verfügung. Denn angesichts der Struktur des IS und des Umstandes, dass es sich bei der Vereinigung um einen Personenverband handelt, werden Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen jedenfalls dann bereits dem IS selbst unmittelbar zur Verfügung gestellt, wenn sie einem im Betätigungsgebiet der (Kern)Organisation befindlichen und agierenden Mitglied, das in die dortigen Vereinigungsstrukturen eingebunden ist, zur Verwendung für die Ziele und Zwecke der Vereinigung zufließen. Insofern ist nicht erforderlich, dass die Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen in die direkte Verfügungsgewalt eines Führungsverantwortlichen oder eines für Finanzangelegenheiten zuständigen Vereinigungsmitglieds gelangen oder solche höherrangigen Mitglieder eine eigene Zugriffsmöglichkeit erhalten11.

Unerheblich ist insofern, dass die Empfängerinnen zu dieser Zeit in von kurdischen Milizen kontrollierten Lagern interniert waren. Denn sie konnten auch dort weitgehend selbstorganisiert ein Leben entsprechend den Vorstellungen des IS führen und für die Vereinigung tätig werden, wie nicht zuletzt von dort aus initiierte und organisierte erfolgreiche Ausschleusungen und Freikäufe von IS-Frauen aus den Lagern aufzeigen.

Die Taten, derer die Beschuldigte dringend verdächtig ist, unterfallen im vorliegenden Fall der deutschen Strafgewalt nach dem Territorialitätsprinzip, weil sie in Deutschland tätig wurde (§ 3 StGB i.V.m. § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB). Die nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von bereits begangenen und künftigen Taten im Zusammenhang mit der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) hat das Bundesministerium der Justiz – als Neufassung einer früheren Verfolgungsermächtigung – am 13.10.2015 erteilt.

Die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts für die Strafverfolgung und damit die des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs für den Erlass des angefochtenen Haftbefehls folgt aus § 142a Abs. 1 i.V.m. § 120 Abs. 1 Nr. 6 GVG.

Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Die Beschuldigte hat angesichts des Umfangs und des Gewichts ihrer Taten mit einer längeren Freiheitsstrafe zu rechnen. Denn bei dem IS handelt es sich – auch zur Tatzeit und, wie nicht zuletzt seine derzeit im Raum Afghanistan unter der Bezeichnung „Islamischer Staat Provinz Khorasan – ISPK“ entfalteten Aktivitäten zeigen, gegenwärtig – um eine besonders gefährliche und grausam agierende Vereinigung, was Unterstützungsaktivitäten ein besonderes Gewicht verleiht. Schon aus der Straferwartung resultiert ein signifikanter Fluchtanreiz. Hinzu kommt, dass die Beschuldigte die freiheitlichdemokratische Grundordnung der Bundesrepublik ablehnt und stattdessen einem islamistischsalafistischen Staats- und Gesellschaftsbild anhängt. Auch wenn sie nunmehr beteuert, sich vom IS zu distanzieren, liegen belastbare Indizien für eine endgültige Abkehr von der Vereinigung nicht vor. Dies spricht gegen eine fluchthemmende Bindung der Beschuldigten an Deutschland und begründet einen weiteren Fluchtanreiz. Zwar ist die Beschuldigte verheiratet und Mutter von drei Kindern, indes befindet sich ihr Ehemann ebenfalls in Untersuchungshaft und sind die Kinder in der Obhut des Jugendamtes. Mithin ist auch keine tatsächliche familiäre Einbindung der Beschuldigten ersichtlich, die einer Flucht entgegenstünde. Hinzu kommt, dass die Beschuldigte ausweislich der Ermittlungsergebnisse bereits vor ihrer Festnahme am 31.05.2023 plante, aus Deutschland auszureisen und in Ägypten Wohnsitz zu nehmen, wobei sie ausweislich einer Chatkommunikation zumindest in Erwägung zog, dies ohne ihren Ehemann zu tun. Es erscheint lebensnah, dass die erfolgte Inhaftierung und das anhängige Strafverfahren diesen Ausreisewunsch verstärkt haben.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27. Juli 2023 – StB 44/23

  1. st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 11.08.2021 – 3 StR 268/20, NStZ-RR 2022, 13; Urteile vom 19.04.2018 – 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 17; vom 14.08.2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 136[]
  2. vgl. etwa BGH, Urteile vom 19.04.2018 – 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 17; vom 03.10.1979 – 3 StR 264/79, BGHSt 29, 99, 101[]
  3. vgl. BGH, Beschluss vom 11.08.2021 – 3 StR 268/20, NStZ-RR 2022, 13; Urteile vom 19.04.2018 – 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 17; vom 14.08.2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 136; Beschluss vom 16.05.2007 – AK 6/07, BGHSt 51, 345 Rn. 16 ff.[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 19.04.2018 – 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 18; Beschluss vom 27.10.2015 – 3 StR 334/15, BGHR StGB § 129a Abs. 5 Unterstützen 6 Rn. 5; Urteil vom 14.08.2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 134; Beschluss vom 16.05.2007 – AK 6/07, BGHSt 51, 345 Rn. 11[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 19.04.2018 – 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 18; Beschluss vom 11.07.2013 – AK 13/13 u.a., BGHSt 58, 318 Rn.19; Urteile vom 14.08.2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 134; vom 25.07.1984 – 3 StR 62/84, BGHSt 33, 16, 17; vom 25.01.1984 – 3 StR 526/83, BGHSt 32, 243, 244[]
  6. vgl. insofern BGH, Beschlüsse vom 11.08.2021 – 3 StR 268/20 11; vom 09.01.2020 – AK 61/19 29 f.[]
  7. vgl. BGH, Beschlüsse vom 11.08.2021 – 3 StR 268/20 25; vom 14.07.2021 – AK 37/21 46 mwN[]
  8. vgl. BGH, Beschlüsse vom 07.02.2023 – 3 StR 483/21 22; vom 11.08.2021 – 3 StR 268/20 16 ff. mwN; vom 14.07.2021 – AK 37/21 40 mwN[]
  9. ABl. L 179 vom 29.06.2013, S. 85[]
  10. vgl. BGH, Beschlüsse vom 07.02.2023 – 3 StR 483/21 22; vom 11.08.2021 – 3 StR 268/20 16; Urteil vom 29.07.2021 – 3 StR 156/20, NStZ 2022, 423 Rn. 9; Beschluss vom 14.07.2021 – AK 37/21 40 mwN[]
  11. vgl. BGH, Beschlüsse vom 07.02.2023 – 3 StR 483/21 22; vom 18.11.2021 – AK 47/21, wistra 2022, 207 Rn. 17 ff.; vom 11.08.2021 – 3 StR 268/20 18 ff.; Urteil vom 29.07.2021 – 3 StR 156/20, NStZ 2022, 423 Rn. 18 ff.; Beschlüsse vom 14.07.2021 – AK 37/21 40; vom 24.02.2021 – AK 6/21 33, 37 f.[]

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