Mit der wiederholten Korrektur einer Klausur durch neu eingesetzte Prüfer nach insoweit erfolgreichem Widerspruchsverfahren hatte sich aktuell der Bundesgerichtshof zu befassen:
Der Bundesgerichtshof sah dabei keine der gerügten Fehler im Prüfungsverfahren:
Dass die eingesetzten Prüfer wussten, dass es sich um eine wiederholte Korrektur handelte, was nahelegte, dass es im Vorfeld zumindest ein Widerspruchsverfahren gegeben hatte, ist nicht zu beanstanden.
Einem im Zusammenhang mit der Bewertung von Prüfungsleistungen geführten Verwaltungsverfahren ist es immanent, dass eine Klausur ein weiteres Mal – unter bestimmten Voraussetzungen durch neue Prüfer – bewertet werden kann. Dabei lässt sich – schon in Anbetracht der Anzahl der vorgelegten Klausuren – kaum sicherstellen, dass der neue Prüfer nicht um die wiederholte Korrektur einer bereits bewerteten Klausur weiß. Dies ist auch unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Gebots der Chancengleichheit und der fairen Behandlung der Prüflinge unvermeidbar und – im vermuteten Interesse des Prüflings an der Neukorrektur – hinzunehmen. In Fällen eines Prüfungsmangels kann die Chancengleichheit regelmäßig nur annähernd wiederhergestellt werden, weswegen unter dem Blickwinkel der Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG bei der Gestaltung der Prüfungsbedingungen, die dem Ausgleich des Mangels dienen, nicht auf jeden denkbaren Umstand Bedacht genommen werden kann, aus dem sich ein Vorteil oder ein Nachteil für den Prüfling ergeben kann. Es ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass die Prüfung für ihn insgesamt unter Bedingungen stattfindet, die mit denjenigen bei normalem Prüfungsverlauf vergleichbar sind1. Diese Grundsätze verbieten es des Weiteren nicht, dass ein Prüfer weiß, dass ein Prüfling Wiederholer ist und/oder der Prüfung ein Verwaltungsstreitverfahren vorausgegangen ist, und nicht einmal, dass Prüfer in Kenntnis der Bewertung der Vorprüfung ihre Beurteilung abgeben2. Vielmehr darf vorausgesetzt werden, dass der neue Prüfer zu einer selbständigen eigenverantwortlichen Bewertung fähig und bereit ist3. Abweichende Maßstäbe lassen sich den zum Prüfungsverfahren im Bereich der notariellen Fachprüfung ergangenen Vorschriften der Bundesnotarordnung sowie der auf dieser Grundlage erlassenen Rechtsverordnung nicht entnehmen. Abgesehen davon lassen sich aus dem bloßen Hinweis auf den – erfolgreichen – Rechtsbehelf keine Rückschlüsse darauf ziehen, ob der Prüfling nach der Einschätzung der zuerst eingesetzten Korrektoren die Klausur nicht bestanden hatte oder es um eine Notenverbesserung ging.
Anlass zu der Annahme, die Prüfer könnten die Klausurleistung der Klägerin nicht frei und unvoreingenommen beurteilt haben, besteht nicht. Den zur Neubewertung der Aufgabe eingesetzten Korrektoren ist die Benotung der Klausur durch die Vorprüfer nicht mitgeteilt worden, sondern nur, dass aufgrund eines Rechtsbehelfs die Neubewertung einer Klausur aus der Prüfungskampagne 2016/II notwendig geworden sei. Die Klausur ist zu diesem Zweck kopiert und Randbemerkungen der Vorprüfer sind – überobligatorisch4 – entfernt worden. Den Grund für die Neubewertung kannten die „Zweitkorrektoren“ nicht.
Ebenso durfte die Rechtsanwältin und Notarin a.D. V. F. ohne weiteres mit der Korrektur der Klausur betraut werden. Dass sie zu diesem Zeitpunkt ihr Amt als Notarin nicht mehr ausübte, steht ihrer Prüfertätigkeit nicht entgegen.
Gemäß § 7g Abs. 6 Nr. 1 bis 3 BNotO können zu Prüfern Richter und Beamte mit der Befähigung zum Richteramt, auch nach Eintritt in den Ruhestand, Notare und Notare außer Dienst, ohne dass insoweit nach den verschiedenen Möglichkeiten des Notariats differenziert würde, sowie sonstige Personen, die eine gleichwertige Befähigung haben, bestellt werden. Gemäß § 7b Abs. 2 Satz 1 BNotO wird jede Prüfungsarbeit von zwei Prüfern nacheinander bewertet. Nach Satz 3 der Vorschrift soll an der Korrektur der Bearbeitung jeder einzelnen Aufgabe mindestens ein Anwaltsnotar mitwirken. Ein gesonderter Hinweis auf die Möglichkeit, (Anwalts)Notare außer Dienst mit der Korrektur der Aufsichtsarbeiten zu betrauen, ist angesichts der ausdrücklichen Regelung in § 7g Abs. 6 BNotO überflüssig.
Ob sich eine Person im Einzelfall (noch) als Prüfer eignet, ist anlässlich ihrer Bestellung oder Wiederbestellung zu klären. Sollten sich in der Zwischenzeit gewichtige Gründe ergeben, die einer weiteren Tätigkeit als Prüfer entgegenstehen sollten, besteht gemäß § 7g Abs. 6 Satz 3 BNotO die Möglichkeit, die Bestellung zu widerrufen. Darauf, ob das Kammergericht das entsprechende Vorbringen der Klägerin zu Recht als gemäß § 87b Abs. 3 VwGO präkludiert angesehen hat, kommt es nicht mehr an.
Zutreffend hat das auch das erstinstanzlich hiermit befasste Berliner Kammergericht5 an der Bewertung der Klausuren durch die beiden neu eingesetzten Korrektoren nichts zu beanstanden gefunden.
Nach ständiger Rechtsprechung unterliegt die Prüfertätigkeit, die sich aufgrund ihrer Komplexität weitgehend nicht durch allgemeingültige Regeln erfassen lässt, einer nur eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung. Die Eigenart dieses Bewertungsvorgangs und die dabei zu beachtenden Anforderungen des Gebots der Chancengleichheit machen es notwendig, den Prüfern einen Bewertungsspielraum zuzuerkennen, dessen Wahrnehmung nur einer eingeschränkten Nachprüfung unterliegt6. Unter diesen prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum fallen zum Beispiel die Einordnung des Schwierigkeitsgrades der Aufgabenstellung, die Gewichtung verschiedener Aufgaben untereinander oder die Würdigung der Qualität der Darstellung im Gesamtzusammenhang des Prüfungsverfahrens, ferner Wertungen, die sich damit befassen, ob der Bearbeiter die von der Prüfungsaufgabe aufgeworfenen Fragen vollständig oder nur lückenhaft erkannt hat, oder die Frage, ob ein in der Prüfungsarbeit enthaltenes Problem lediglich ein „Randproblem“ oder ein „entscheidendes Problem“ der Arbeit darstellt. Dies gilt gleichermaßen für das Gewicht positiver Ausführungen in der Prüfungsarbeit oder die Bedeutung eines Mangels in der Gesamtbewertung7. Schließlich ist die Vergabe von Punkten und Noten – sofern nicht (anders als hier) mathematisch determiniert – sowie die Frage, ob eine Prüfungsleistung als „brauchbar“ zu bewerten ist, Gegenstand des Bewertungsspielraums8.
In den Bereich des prüfungsspezifischen Bewertungsspielraumes dürfen die Gerichte grundsätzlich nicht eindringen, sondern haben nur zu überprüfen, ob die Prüfer die objektiven auch rechtlich beachtlichen Grenzen ihres Bewertungsspielraums überschritten haben, etwa, weil sie von falschen Tatsachen ausgegangen sind oder sachfremde Erwägungen angestellt haben, ihre autonomen Bewertungsmaßstäbe nicht einheitlich angewandt oder allgemeingültige Bewertungsgrundsätze nicht beachtet haben. Ferner müssen prüfungsspezifische Wertungen und Gewichtungen nachvollziehbar sein und dürfen keine inhaltlichen Widersprüche aufweisen9. Ob ein angerufenes Gericht zu einer abweichenden Bewertung kommt, ist mithin unerheblich, denn es darf sich nicht an die Stelle des Prüfers setzen10.
Anderes gilt für die fachliche Wertung durch den Prüfer, das heißt dessen Entscheidungen über die fachliche Richtigkeit konkreter Ausführungen des Prüfungsteilnehmers. Deren Bewertung hängt davon ab, ob der vom Prüfungsteilnehmer eingenommene Standpunkt nach dem Stand der Fachwissenschaft vertretbar ist. Dieser objektive – gerichtlich voll überprüfbare – Bewertungsmaßstab tritt für die Beantwortung von Fachfragen an die Stelle der autonomen Einschätzung des Prüfers, der fachlich vertretbare Antworten und brauchbare Lösungen nicht als falsch bewerten darf. Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmbar ist, die Beurteilung vielmehr unterschiedlichen Ansichten Raum lässt, muss dem Prüfling ein angemessener Antwortspielraum zugestanden werden11.
Ob der Prüfer seinen Bewertungsspielraum eingehalten hat, kann nur anhand seiner Begründung festgestellt werden. Der Prüfer hat bei schriftlichen Prüfungsarbeiten daher die tragenden Erwägungen darzulegen, die zur Bewertung der Prüfungsleistung geführt haben, um dem Prüfling eine – gegebenenfalls gerichtliche – Kontrolle der Prüfungsentscheidung zu ermöglichen. Die Begründung muss so beschaffen sein, dass der Prüfling diese in den Grundzügen nachvollziehen kann, das heißt die Kriterien erfährt, die für die Benotung maßgeblich waren, und verstehen kann, wie die Anwendung dieser Kriterien in wesentlichen Punkten zu dem Bewertungsergebnis geführt hat. Es muss insoweit nicht in allen Einzelheiten, aber doch in den für das Ergebnis ausschlaggebenden Punkten erkennbar sein, welchen Sachverhalt sowie welche allgemeinen und besonderen Bewertungsmaßstäbe der Prüfer zugrunde gelegt hat und auf welcher wissenschaftlichfachlichen Annahme die Benotung beruht. Dies schließt allerdings nicht aus, dass die Begründung nur kurz ausfällt, vorausgesetzt, die vorstehend dargestellten Kriterien für ein mögliches Nachvollziehen der grundlegenden Gedankengänge des Prüfers sind erfüllt12. Eine zunächst fehlende Begründung kann insoweit auch im Verlauf des Verwaltungsstreitverfahrens – etwa im Rahmen der Überdenkung durch den Prüfer – nachgeholt werden13.
Dies zugrunde gelegt, sind die – hinreichend begründeten – Voten der Korrektoren – soweit in zweiter Instanz noch zu überprüfen – in jeder Hinsicht von dem ihnen zustehenden prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum gedeckt und enthalten auch keine fachlich angreifbaren Einschätzungen. Die dagegen gerichteten Rügen der Klägerin greifen nicht durch.
In der Klausuraufgabe ging es um die Begutachtung der Risiken und Gefahren von Kettenkaufverträgen, die dem Notar bei der Beratung der Beteiligten obliegenden Pflichten sowie den Entwurf eines Vertragstextes auf der Grundlage einer etwas abgewandelten – ebenfalls gutachterlich zu erläuternden – Konstellation.
Der Erstkorrektor und die Zweitkorrektorin haben ihren Erwartungshorizont zur Lösung der Aufgabe und die ihre Bewertung tragenden Gesichtspunkte auf der Grundlage der oben wiedergegebenen Maßstäbe in einer Weise deutlich gemacht, die es der Klägerin ohne weiteres ermöglichte, ihr Recht auf (gerichtliche) Kontrolle wahrzunehmen.
Der Erstkorrektor hat seine Vorstellungen zu den Anforderungen der Klausur in Form eines Lösungsvorschlags über mehrere Seiten schriftlich dargelegt. Anhand dieses Maßstabs hat er die von der Klägerin vorgeschlagenen Lösung bewertet und in ihrem Gesamtbild als nicht brauchbar erachtet. Er hat dabei vor allem ihre zu allgemeinen zu wenig fallbezogenen Ausführungen sowie einen zu unpräzisen und unstrukturierten Klausuraufbau ohne die nötige Stringenz kritisiert. Es seien nur ein Teil der Probleme der Aufgabenstellung behandelt und die insoweit angesprochenen Gesichtspunkte nicht mit hinreichender Tiefe erörtert worden. Den – von ihm als nicht brauchbar angesehenen – Kaufvertragsentwurf hat er als unvollständig sowie die darin enthaltenen Klauseln als unklar und unzureichend bemängelt. Die Zweitprüferin hat sich diesem Votum nicht nur – was zulässig ist14 – angeschlossen, sondern darüber hinaus ihre eigenen Vorstellungen dargelegt und auf dieser Grundlage eine – mit der des Erstkorrektors im Wesentlichen übereinstimmende – Bewertung vorgenommen.
Es ist damit nachvollziehbar, welche Lösung die Prüfer als geboten beziehungsweise zumindest als zweckmäßig ansahen, weshalb die Klausur diesen Erwartungen nicht entsprach und was sie zu der vergebenen Endnote bewogen hat. Einer noch eingehenderen Befassung mit dem Inhalt der Klausur, die die Prüfer im Einzelnen durchgegangen sind, bedurfte es nicht. Der Vorwurf der Klägerin, der Erstkorrektor habe lediglich pauschale Kritik geübt, ist unbegründet. Der vorliegende Fall gab dem Prüfer weder Anlass zu erläutern, warum er der Aufgabe – anders als die Klägerin – (nur) einen mittleren Schwierigkeitsgrad zu maß, noch Veranlassung, die von ihm vorgenommene Gewichtung der Aufgabenteile und deren Aspekte im Einzelnen niederzulegen15.
Beurteilungsfehler sind den Korrektoren nicht unterlaufen. Weder haben sie den ihnen zustehenden prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum überschritten noch fachliche Aspekte unzutreffend bewertet.
Die von den Korrektoren niedergelegten Erwartungen – insbesondere des Erstprüfers, gegen die sich die Klägerin maßgeblich wendet – sind fachlich zutreffend und in sich schlüssig.
Die Beanstandung der Klägerin, es sei aufgrund der ausführlichen Darstellung des Erwartungshorizonts des Erstkorrektor schon aus zeitlichen Gründen unmöglich gewesen, den Anforderungen gerecht zu werden, bezieht sich im Ergebnis nicht auf die vom Prüfer angestellten „MusterÜberlegungen“, sondern die Auswahl der Klausuraufgabe als solcher. Diese betrifft jedoch eine praxisrelevante Konstellation, die auch unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Zeit die Prüflinge nicht vor unlösbare Probleme stellte.
Die Prüfer – namentlich der Erstkorrektor – haben nicht die Erörterung von Lösungsmöglichkeiten verlangt, die nach der Aufgabenstellung nicht geboten waren. Entgegen der Behauptung der Klägerin hat der Erstvotant auch das „Geheimhaltungsinteresse“ des Erstkäufers B – der den Wunsch hatte, dass Verkäufer (A) und Zweitkäufer (C) bei den in den Blick genommenen Geschäften „idealerweise“ nichts voneinander wissen sollten – nicht übersehen. Gefragt war nach den sich aus dem Gestaltungswunsch des B ergebenden Risiken und Gefahren für Erstverkäufer und Zweitkäufer vor allem in Form von ungesicherten Vorleistungen, die daher zunächst aufzuzeigen waren, um sodann Gestaltungsmöglichkeiten vorzuschlagen, die diese vermieden oder zumindest verringerten. Aufgabe des Notars als unabhängigem und unparteiischem Träger eines öffentlichen Amts ist es, für eine – keinen Beteiligten unangemessen benachteiligende – möglichst ausgewogene Vertragsgestaltung zu sorgen. Dies kann auch bedeuten, von bestimmten Gestaltungswünschen abzuraten. Da A und C nach den Vorgaben nur „idealerweise“ nichts voneinander wissen sollten, schloss dies Vorschläge mit ein, die ohne gewisse Hintergrundinformationen der Beteiligten schwer umsetzbar erschienen, den Sicherungsinteressen aber besser gerecht wurden. Insoweit sprach nichts dagegen, auch gegenläufige Lösungswege zu erörtern. Der Erstkorrektor hat im Übrigen bei den von ihm angestellten inhaltlichen Überlegungen berücksichtigt, dass bestimmte Urkundsgestaltungen unter den bestehenden Prämissen näherlagen als andere. Insoweit lassen sich der Lösungsskizze des Prüfers auch keine Widersprüche entnehmen. Solche ergeben sich ebenso wenig aus dem Urteil des Kammergerichts.
Soweit die Klägerin rügt, der Erstprüfer habe den ihr zuzubilligenden Antwortspielraum missachtet, zeigt sie bereits nicht auf, welche fachlich vertretbare Lösung sie vorgeschlagen hat, die der Prüfer nicht akzeptiert oder als unzutreffend erachtet hat. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass er die – als nicht zielführend eingeschätzten – allgemeinen Ausführungen der Klägerin als fachlich unzutreffend und falsch bewertet hätte. Die Klägerin verkennt vielmehr, dass der Prüfer nicht die juristische Richtigkeit der von ihr angebotenen Lösung beanstandet hat, sondern die zu allgemeine, zu wenig vertiefte, unvollständige und zu wenig strukturierte Bearbeitung ohne genügenden Fallbezug. Dies betraf jedoch allein den prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum.
Auch die Beurteilung der Qualität der Klausurlösung in Bezug auf die Art der Darstellung, ihre Vollständigkeit und Bearbeitungstiefe fiel unter den prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum. Diesen haben die Prüfer nicht überschritten. Es gibt keinen Anhalt dafür, dass sie den Inhalt der Klausur nicht richtig oder vollständig erfasst hätten und damit von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wären.
So hat der Erstprüfer gewürdigt, dass die Klägerin einige – in seiner Lösungsskizze vorgesehene – Probleme (etwa die Sicherungsinteressen der Beteiligten) angesprochen hat. Ob und inwieweit die Klägerin damit seine Erwartungen erfüllte, war jedoch seiner persönlichen Einschätzung vorbehalten. Soweit die Klägerin mit ihren gegen die Beurteilung ihrer Klausurleistung gerichteten Einwänden aufzuzeigen versucht, ihre Lösung habe dem Erwartungshorizont des Erstkorrektors tatsächlich besser entsprochen, als dieser angenommen habe, versucht sie lediglich in rechtlich unbeachtlicher Weise, ihre eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Prüfers zu setzen. Dies gilt gleichermaßen für die Beurteilung der Zweitkorrektorin betreffend die Frage, ob die Klägerin die denkbaren Sicherungsmöglichkeiten im gebotenen Umfang erkannt und behandelt sowie – bezogen auf die in Rede stehende Fallkonstellation – zielführend erörtert hat, ihre Bewertung der in der Abwandlung gemäß Aufgabenteil C behandelten Sicherung des Verkäufers A als nicht lösungsorientiert oder ihre Einschätzung, dass es für die Lösung „überflüssig“ ist, wenn der Prüfling – hier die Klägerin – den Sachverhalt der inhaltlichen Erörterung der Aufgaben voranstelle. Entgegen der Behauptung der Klägerin hat die Zweitprüferin dabei auch nicht übersehen, dass sie im Ausgangsfall das Sicherungsmittel „Eintragung einer Auflassungsvormerkung“ im Verhältnis zwischen B und C erwogen hat. Im Ergebnis hat die Prüferin die Leistung der Klägerin nur anders bewertet, als diese es selbst für richtig hält.
Dafür, dass die Prüfer ein und denselben „Fehler“ mehrfach berücksichtigt haben könnten, gibt es keine Anhaltspunkte. Damit nicht zu verwechseln ist eine sich in verschiedenen Zusammenhängen wiederholende Beanstandung wie der vorliegend im Zusammenhang mit der Bearbeitung der verschiedenen Problemkreise mehrfach kritisierte Aspekt der zu wenig fallbezogenen Argumentation. Ebenso wenig liegt darin, dass sich die Zweitkorrektorin zum einen dem Erstvotum angeschlossen, zum anderen aber einzelne dieser Gesichtspunkte in der ihrer eigenen schriftlichen Bewertung nochmals hervorgehoben hat, eine doppelt negative Berücksichtigung derselben Umstände.
Schließlich fiel es in den originären Bewertungsspielraum der Prüfer, welches Gewicht sie den positiven und negativen Aspekten zumessen wollten und ob die positiven Ansätze es im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung rechtfertigten, die Klausur (noch) als ausreichend zu benoten. Einen nicht mehr von dem prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum gedeckten zu strengen Bewertungsmaßstab haben die Prüfer dabei nicht angelegt.
Ebenfalls zu Recht hat das Kammergericht die Bewertung der Klausur F2073 mit 3, 00 Punkten nicht beanstandet.
Gegenstand jener Klausur war die Auseinandersetzung einer aus zwei zerstrittenen Brüdern (A und B) bestehenden ungeteilten Erbengemeinschaft, für die von dem von einem Bruder (A) aufgesuchten Notar (N) rechtsgeschäftliche Lösungsvorschläge zu unterbreiten, ihre Formbedürftigkeit und die Höhe der jeweils entstehenden Notarkosten aufzuzeigen, das notarielle Vermittlungsverfahren darzustellen und die Auswirkungen einer vom Erblasser angeordneten Testamentsvollstreckung eines (anderen) Urkundsnotars (F) zu erörtern.
Die an die Lösung der Aufgabe zu stellenden Erwartungen der Prüfer ließen sich auf der Grundlage ihrer Anmerkungen nachvollziehen, die den obigen Maßstäben entsprachen.
Der Erstkorrektor hat zunächst zu den einzelnen Teilen der aus vier Aufgaben bestehenden Aufsichtsarbeit dargestellt, welche Überlegungen aus seiner Sicht jeweils anzustellen waren. Damit hatte er die Klausurlösung abzugleichen. Seine darauf gestützte Bewertung der Klausur hat er nachvollziehbar begründet. Insbesondere trifft der Vorwurf der Klägerin nicht zu, der Prüfer habe sich dabei nur auf eine oberflächliche Wiedergabe ihrer Bearbeitung beschränkt.
Vielmehr hat er sich mit dem Vorschlag der Klägerin inhaltlich im Einzelnen auseinandergesetzt. Dabei hat er die mit seiner Lösungsskizze übereinstimmenden Ansätze ebenso aufgeführt wie Unklarheiten oder Auslassungen. Die von der Klägerin ausführlicher erörterten Voraussetzungen und Auswirkungen der Teilungsversteigerung hat er – da nicht Gegenstand der Fragestellung – zwar nicht als nicht fehlerhaft, aber auch nicht als zielführend angesehen. Zusammenfassend hat er ausgeführt, die Klägerin habe die Aufgabenstellung der ersten Frage nicht erkannt. Ihr sei es nicht gelungen, die unterschiedlichen Möglichkeiten (der Erbauseinandersetzung) sachgerecht darzustellen. Ferner habe sie insbesondere die Kostenlast nicht angesprochen. Erörtert würden überwiegend allgemeine Erwägungen zur Auseinandersetzung, die jedoch im Ergebnis kaum Fallbezug hätten. Auch im Übrigen seien die Aufgabenstellungen nicht zutreffend erfasst worden. Die Leistung könne insgesamt nicht mehr als gerade noch durchschnittlich angesehen werden.
Die Gründe für die Bewertung ihrer Klausurlösung mit der Note „mangelhaft“ sind damit hinreichend nachzuvollziehen. Einer weitergehenden Darstellung bedurfte es nicht.
Der Zweitkorrektor hat sich dieser Bewertung in zulässiger Weise angeschlossen.
Die Bewertung des von ihr erarbeiteten Lösungsvorschlags greift die Klägerin vergeblich an. Die mit der Korrektur dieser Klausur beauftragten Prüfer haben weder fachliche Fehler begangen noch den ihnen zustehenden prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum überschritten.
Fehl geht der Einwand, der Erstprüfer habe durch die Darstellung seines Erwartungshorizonts seinen Bewertungsspielraum verkürzt, indem er sich durch die ausführliche Lösungsskizze den Blick für die positive Bewertung abweichender Lösungsansätze verstellt habe. Allein die Niederlegung eingehenderer Vorstellungen über die – aus seiner Sicht vorzugsweise – Lösung der Klausuraufgaben führt für sich betrachtet nicht zu einer Verengung des Blickwinkels des Prüfers, sondern erleichtert es, die Korrektur nachzuvollziehen. Erst dann, wenn der Korrektor von seinem Bearbeitungsvorschlag abweichende, fachlich aber vertretbare Lösungen nicht akzeptiert, kann darin ein Bewertungsfehler liegen. Derartiges ist dem Vortrag der Klägerin indessen nicht zu entnehmen16.
Der Prüfer hat – wie sich schon aus der obigen zusammenfassenden Darstellung ergibt – entgegen der Behauptung der Klägerin positive wie negative Aspekte ihrer Lösung in die Bewertung einbezogen. Eine (unnötige) Wiederholung des Sachverhalts hat er mit dem Hinweis, es sei bei den Ausführungen zur Teilungsauseinandersetzung unklar geblieben, was die Klägerin mit Blick auf die Aufgabenstellung erörtert habe, gerade nicht verlangt, sondern den fehlenden Fallbezug beanstandet.
Auch die – seinem prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum unterfallende – Kritik des Prüfers, die Klägerin habe den Inhalt der ersten Aufgabe nicht erkannt und die verschiedenen Möglichkeiten einer rechtsgeschäftlichen Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft, die Gegenstand der notariellen Beratung hätten sein können, nicht aufgezeigt, ist fehlerfrei erfolgt. Entscheidungsrelevanten Sachverhalt hat der Erstkorrektor dabei nicht übersehen. Vielmehr hat sich die Klägerin bei der Lösung der Aufgabe lediglich mit der (vertraglichen) Auseinandersetzung des Nachlasses im Sinne der §§ 2042 ff BGB und dem Verfahren gemäß §§ 363 ff FamFG befasst, nicht jedoch mit den weiteren rechtsgeschäftlichen Möglichkeiten wie der Erbteilsübertragung, § 2033 Abs. 1 BGB und der Abschichtungsvereinbarung analog § 783 Abs. 1 Satz 1 BGB17. Soweit sie ihren – weitgehend unkonkreten – Ausführungen auf den Seiten 7 bis 9 der Klausur anderes entnehmen möchte, versucht sie erneut lediglich, ihre eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Prüfers zu setzen. Dies gilt auch für die Tiefe der vom Prüfer erwarteten Darstellung des notariellen Vermittlungsverfahrens sowie die von ihm in diesem Zusammenhang vermisste Auseinandersetzung mit der vom Erblasser angeordneten Testamentsvollstreckung (vgl. § 363 Abs. 1 Halbsatz 2 FamFG). Dabei unterschied sich der letztgenannte Punkt grundsätzlich von der Fragestellung der Aufgabe 4.
Es stellt auch keinen Widerspruch dar, wenn der Prüfer auf der einen Seite eine umfassende Beschäftigung mit den rechtsgeschäftlichen Möglichkeiten der Auseinandersetzung erwartete, die Ausführungen zu der Teilungsversteigerung indessen für entbehrlich und nicht zielführend hielt, denn nach gerichtlichen Möglichkeiten der Auseinandersetzung war nicht gefragt.
In Bezug auf die Kostenproblematik hat der Erstprüfer zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die Ausführungen der Klägerin zu Aufgabe 1 nicht zu der Frage der Notarkosten verhalten, obwohl danach gefragt war. Im Übrigen hat er gesehen und auch gewürdigt, dass sich die Klägerin bei Aufgabe 2, die das notarielle Vermittlungsverfahren betraf, zumindest im Ansatz mit den Notarkosten befasst hat. Seine – im Zusammenhang mit den verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten stehende – Anmerkung, es seien keine Kosten erörtert worden, ist daher nicht zu beanstanden. Erst recht ist dem Korrektor keine Doppelverwertung ein und desselben Fehlers vorzuwerfen.
Ebenso wenig zu beanstanden ist, dass der Erstkorrektor bei Aufgabe 3 ein vom Notar im Zusammenhang mit dem notariellen Vermittlungsverfahren zu entwerfendes – von der Klägerin aber nicht angefertigtes – Ladungsschreiben an den Bruder B vermisst hat. Die Fragestellung war insoweit auch nicht missverständlich18. Schon aus der im Plural formulierten Aufforderung („Entwerfen Sie die Schreiben […]“) war zu ersehen, dass mehrere Schriftstücke anzufertigen waren. Dazu gehörte die Ladung zu dem Verhandlungstermin, die die notwendigen Hinweise enthalten musste (§ 365 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 FamFG).
Fachlich nicht zu beanstanden ist ferner, dass der Zweitkorrektor ergänzend zu den Ausführungen des Erstkorrektors die nicht näher begründete Feststellung der Klägerin, die Ernennung des Urkundsnotars des Testaments (F) zum Testamentsvollstrecker verstoße gegen §§ 7, 27 BeurkG, sofern dies nicht als Ernennungswunsch an das Nachlassgericht formuliert sei, mit Blick auf die Ernennung in einem gesonderten privatschriftlichen Testament als in dieser Pauschalität nicht für zutreffend erachtet hat19. Ebenso hält sich seine ergänzende Bewertung im Überdenkungsverfahren, eine Subsumtion habe letztlich nicht stattgefunden, innerhalb seines Bewertungsspielraums. Seine dort ebenfalls erfolgten Anmerkungen zur „Abschichtungsvereinbarung“ beziehen sich hingegen auf den Vortrag im Widerspruchsverfahren und nicht auf die Klausur, der eine entsprechende Überlegung gerade fehlte. Ob sie auf die Erörterung dieser Möglichkeit, wie die Klägerin meint, ganz verzichten durfte, weil eine solche Vereinbarung – anders als ein damit verbundener Antrag auf Grundbuchberichtigung gemäß § 29 GBO – nicht formbedürftig gewesen sei, stellt sich im Hinblick auf die Frage nach den rechtsgeschäftlichen Möglichkeiten einer Nachlassteilung und deren Formbedürftigkeit wiederum nur als abweichende Wertung dar, welche Erwartungen an die Lösung der Klausur gestellt werden durften.
Schließlich war es allein Aufgabe der Prüfer zu bewerten, ob die Leistung trotz ihrer Mängel noch den durchschnittlichen Anforderungen entsprach und daher mit „ausreichend“ zu benoten war oder nicht. Eine Überschreitung des prüfungsspezifischen Bewertungsspielraums lässt sich dem Klägervortrag nicht entnehmen und ist auch nicht ersichtlich.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14. November 2022 – NotZ(Brfg) 5/22
- vgl. zB BVerwG, NJW 2003, 1063[↩]
- vgl. BVerwG, aaO S. 1064; BeckRS 1995, 31255162 unter 3; NJW 1993, 3340, 3341 und NVwZ-RR 1992, 629, 630[↩]
- vgl. BVerwG, NJW 2003, 1063[↩]
- vgl. BVerwG, NJW 2003, 1063, 1064[↩]
- KG, Beschluss vom 21.03.2022 – AR 13/19 Not[↩]
- vgl. zB BVerfGE 84, 34, 51 ff sowie NVwZ 1995, 469, 470; BVerwG, NJW 2018, 2142 Rn. 8 ff[↩]
- vgl. zB BVerwG, NJW 2018 aaO Rn. 10 f; NVwZ 2004, 1375, 1377; BeckRS 1998, 30438741 sowie BeckRS 1994, 20420[↩]
- vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.08.2011 – 6 B 18/11 16; NVwZ 2004 aaO[↩]
- vgl. zB BVerfGE 84, 34, 53 ff; BVerwG, NJW 2018 aaO Rn. 10; NVwZ 2004 aaO[↩]
- BVerwG, NVwZ 2004 aaO[↩]
- vgl. zB BGH, Beschlüsse vom 16.11.2020 – NotZ(Brfg) 5/20, NJOZ 2021, 564 Rn. 11; und vom 13.03.2017 – NotZ(Brfg) 6/16, BeckRS 2017, 107462 Rn. 4; BVerfGE 84, 34, 55; BVerwG, NJW 2018 aaO Rn. 9[↩]
- vgl. zB BVerwG, NJW 2012, 2054, Rn. 8 mwN; NVwZ-RR 1994, 582, 583 f; BVerwGE 91, 262, 265 ff[↩]
- vgl. BVerwGE 91 aaO S. 270[↩]
- vgl. dazu BVerwGE 91, 262, 269[↩]
- vgl. dazu zB BVerwG, NJW 2012 aaO Rn. 11; OVG Lüneburg, Urteil vom 24.05.2011 – 2 LB 158/10 61; VGH Mannheim, Beschluss vom 16.09.2002 – 9 S 1704/02 7[↩]
- vgl. auch nachfolgend[↩]
- vgl. dazu BGH, Urteil vom 21.01.1998 – IV ZR 346/96, BGHZ 138, 8, 10 f[↩]
- vgl. dazu BFHE 188, 502, 509; OVG Saarlouis, Beschluss vom 30.06.2003 – 3 Q 70/02 22; VG Braunschweig, Urteil vom 06.06.2007 – 6 A 311/0621[↩]
- vgl. dazu zB BGH, Beschluss vom 23.02.2022 – IV ZB 24/21, FGPrax 2022, 72 Rn. 17 ff sowie schon OLG Bremen, NJW-RR 2016, 979 Rn. 10 ff[↩]
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