Der unentgeltliche Erwerb von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG 1999 umfasst auch die nach einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln dem unentgeltlichen Erwerber der Altaktien zugeteilten neuen Aktien.
Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG in der im Streitfall anzuwendenden Fassung des Gesetzes vom 22. Dezember 19991 gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war. Dies gilt gemäß § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG entsprechend, wenn der Veräußerer zwar nicht selbst, aber der Rechtsvorgänger innerhalb der letzten fünf Jahre wesentlich beteiligt war und der Veräußerer den veräußerten Anteil innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung unentgeltlich erworben hat.
§ 17 Abs. 1 Satz 5 EStG verlangt mit dem unentgeltlichen Erwerb einen Rechtsträgerwechsel ohne Gegenleistung und enthält eine Rechtsfolgenverweisung auf Satz 12. Steuerverhaftet werden durch § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG ausschließlich die unentgeltlich übertragenen Anteile. Erwirbt der Steuerpflichtige zu einem späteren Zeitpunkt –nach der unentgeltlichen Zuwendung– andere Anteile unentgeltlich oder entgeltlich hinzu, so bleiben diese von der erweiterten Steuerverhaftung unberührt. Nacheinander erworbene Anteile bleiben jeweils selbständig3. Die nicht wesentliche Beteiligung des Steuerpflichtigen erstarkt nicht infolge des unentgeltlichen Erwerbs zu einer qualifizierten.
Die Zuteilung der jungen Aktien führte nicht zu einem gegenüber dem unentgeltlichen Erwerb der Altaktien selbständigen Erwerbsvorgang.
Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln führte schon deshalb nicht zu einem eigenständigen Erwerbsvorgang hinsichtlich der jungen Aktien, weil insoweit ein Rechtsträgerwechsel nicht stattgefunden hat. Die Klägerin war vor der Kapitalerhöhung Rechtsträger derselben Substanz, die nach der Kapitalerhöhung in den jungen Aktien verkörpert wurde. Diese Substanz bestand auch bereits in den alten Aktien, so dass mit der Kapitalerhöhung nicht eigenständige, einem selbständigen Erwerb zugängliche Wirtschaftsgüter entstanden sind.
Grundlage der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ist ein Umbuchungsvorgang4. Es ändert sich nicht die Höhe, sondern nur die Zusammensetzung des Eigenkapitals (dazu § 207 des Aktiengesetzes). Offene Rücklagen werden in gezeichnetes Kapital umgewandelt, wobei die bisherigen Aktionäre zusätzlich zu ihren alten Aktien neue Aktien erhalten. § 1 KapErhStG5 nimmt die handelsrechtlich wirksame Umwandlung offener Rücklagen in Nennkapital aus dem Bereich der Einkünftebesteuerung heraus. Anteile, die ein Gesellschafter bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln erhält, stellen bei ihm keine Einkünfte i.S. von § 2 Abs. 1 EStG dar. Anschaffungskosten, die der Anteilseigner für die Altanteile aufgebracht hat, stellen damit die Anschaffungskosten für die nunmehr in seinem Besitz befindlichen alten und neuen Anteilsrechte dar (vgl. § 3 KapErhStG). Der Gesellschafter hat die Freianteile bereits mit dem Kauf der Altanteile angeschafft. Dies gilt etwa hinsichtlich der Frist des § 23 EStG6. In diesem Sinne spricht der BFH von Substanzabspaltung der jungen Aktien aus den alten Aktien7. Insoweit ist unerheblich, dass im Streitfall keine Bareinlage geleistet und damit nicht in Gestalt der Bareinlage zusätzliche Anschaffungskosten entstanden sind. Maßgeblich ist allein das Verhältnis der alten zu den jungen Aktien. Durch die Gewährung kostenloser Bezugsrechte oder die Ausgabe von Gratisaktien erwirbt deren Inhaber unentgeltlich einen Anteil an den stillen Reserven, die in entsprechender Höhe aus der Substanz der Stammaktien ausscheiden8. Dies heißt nicht, dass die jungen Aktien als neue Substanz entstünden und in einem originären Erwerbsvorgang unabhängig vom Erwerb der alten Aktien erworben werden könnten. Die Kapitalerhöhung führt wirtschaftlich zu einer Abspaltung der in den Stammaktien verkörperten Substanz und lediglich in der Folge zu einer Abspaltung eines Teils der ursprünglichen Anschaffungskosten. Dies bedeutet aber zugleich, dass maßgeblicher Erwerbsvorgang sowohl für die Altaktien wie für die jungen Aktien die ursprüngliche Anschaffung der Stammaktien ist. Die insoweit maßgebliche Substanzverschiebung vollzieht sich bei jeder Kapitalerhöhung, unabhängig davon, ob sie gegen Einlage oder aus Gesellschaftsmitteln erfolgt9.
Die jungen Aktien werden vom unentgeltlichen Erwerb der alten Aktien i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG erfasst10. Dem steht weder entgegen, dass es sich um eine Rechtsfolge-, nicht um eine Rechtsgrundverweisung von § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG handelt, noch, dass § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG keine quotenmäßige Bestandserfassung enthält, so dass nacheinander erworbene Anteile jeweils selbständig bleiben. Denn im Streitfall ist nicht von nacheinander erworbenen selbständigen Anteilen auszugehen, vielmehr besteht zwischen den Altaktien und den jungen Aktien wirtschaftliche Identität, die die Annahme eines selbständigen Erwerbs der jungen Aktien ausschließt.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 25. Februar 2009 – IX R 26/08
- BGBl I, 2601, –EStG 1999–; vgl. § 52 Abs. 34a EStG[↩]
- BFH, Urteil vom 29. Juli 1997 VIII R 80/94, BFHE 184, 74, BStBl II 1997, 727[↩]
- Gosch in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 17 Rz 91, m.w.N.[↩]
- vgl. Möhrle, Buchführung, Bilanz, Kostenrechnung –BBK–, Beilage 1 1998 S. 4[↩]
- Gesetz über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln und bei Überlassung von eigenen Aktien an Arbeitnehmer vom 10. Oktober 1967 (BGBl I 1967, 977) in der Fassung des Stückaktiengesetzes vom 25. März 1998 (BGBl I 1998, 590).[↩]
- Binnewies in Nirk/Ziemons/Binnewies, Handbuch der AG, Teil II, Rz 1797[↩]
- ständige Rechtsprechung, BFH, Urteile vom 21. Januar 1999 IV R 27/97, BFHE 188, 27, BStBl II 1999, 638; vom 22. Mai 2003 IX R 9/00, BFHE 202, 309, BStBl II 2003, 712; vom 4. Juli 2007 VIII R 68/05, BFHE 218, 299, BStBl II 2007, 937, jeweils m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 19. Dezember 2000 IX R 100/97, BFHE 194, 182, BStBl II 2001, 345[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 188, 27, BStBl II 1999, 638[↩]
- Schmidt/ Weber-Grellet, EStG, 27. Aufl., § 17 Rz 85[↩]