Die arbeitsvertragliche Befristung eines Arbeitsverhältnisses auf die Vollendung des 60. Lebensjahres einer Arbeitnehmer ist nicht durch in der Person der Arbeitnehmerin liegende Gründe nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG gerechtfertigt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Wunsch des Arbeitnehmers nach einer nur zeitlich begrenzten Beschäftigung die Befristung eines Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG sachlich rechtfertigen. Allein aus dem durch Unterzeichnung des Arbeitsvertrags dokumentierten Einverständnis des Arbeitnehmers mit dem befristeten Vertragsschluss kann allerdings nicht auf einen entsprechenden Wunsch geschlossen werden, weil anderenfalls bei keiner Befristung eine Sachgrundkontrolle erforderlich wäre. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses müssen vielmehr objektive Anhaltspunkte vorliegen, aus denen ein Interesse des Arbeitnehmers gerade an einer befristeten Beschäftigung folgt. Solche objektiven Umstände können zB in familiären Verpflichtungen, noch nicht abgeschlossener Ausbildung oder einem Heimkehrwunsch eines ausländischen Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer auch bei einem Angebot auf Abschluss eines unbefristeten Vertrags nur ein befristetes Arbeitsverhältnis vereinbart hätte1. Ein sachlicher Grund für die nachträgliche Befristung eines Arbeitsverhältnisses liegt nicht allein darin, dass der neue befristete Arbeitsvertrag für den Arbeitnehmer günstigere Arbeitsbedingungen vorsieht und der Arbeitnehmer zwischen diesem neuen Arbeitsvertrag und der unveränderten Fortsetzung seines bisherigen Arbeitsverhältnisses frei wählen konnte2.
Danach beruhte in dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall die im Änderungsvertrag vereinbarte Befristung auf den 60. Geburtstag nicht auf dem Wunsch der Arbeitnehmerin.
Im Ausgangspunkt zutreffend hat in der Vorinstanz das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg3 angenommen, das bloße Einverständnis der Arbeitnehmerin mit dem arbeitgeberseitigen Angebot des auf die Vollendung des 60. Lebensjahrs befristeten Änderungsvertrags lasse nicht darauf schließen, dass die Befristung dem Wunsch der Arbeitnehmerin entspreche. Die Initiative zum Abschluss des Änderungsvertrags mit der auf das 60. Lebensjahr der Arbeitnehmerin bezogenen Befristung ging nicht von der Arbeitnehmerin, sondern von der Arbeitgeberin aus. Diese verfolgte damit das Ziel, die Arbeitsverhältnisse mit den Leitenden Führungskräften entsprechend der überwiegend in dem Unternehmen geübten Praxis generell mit der Vollendung des 60. Lebensjahrs zu beenden. Sie unterbreitete deshalb im Rahmen des „Konzepts 60+“ der Arbeitnehmerin und allen damals bei ihr beschäftigten Leitenden Führungskräften das Angebot auf Abschluss eines zum 60. Lebensjahr befristeten Arbeitsvertrags, um Planungssicherheit zu erhalten. Aus diesen Umständen ergibt sich, dass die Vereinbarung der Befristung in erster Linie im Interesse der Arbeitgeberin lag.
Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg3 aber angenommen, die in dem Änderungsvertrag vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses entspreche dennoch dem Wunsch der Arbeitnehmerin, weil sie ihr Einverständnis mit dem Angebot der Arbeitgeberin erst nach einer Zeitspanne von über zwei Jahren erklärt habe, um die von der Arbeitgeberin angebotenen finanziellen Anreize einer vorzeitigen Vertragsbeendigung (Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung und Zahlung eines Einmalkapitals) in Anspruch nehmen zu können. Die erklärte Zustimmung der Arbeitnehmerin zu dem Änderungsangebot der Arbeitgeberin stelle zwar formal eine Annahme nach § 151 BGB dar. Eine Annahmeerklärung nach weit über zwei Jahren habe aber „einen anderen Charakter“. Je größer die zeitliche Distanz zwischen dem Angebot des Arbeitgebers und der Annahmeerklärung des Arbeitnehmers sei, desto weniger könne die Erklärung des Arbeitnehmers als bloße Reaktion auf das Arbeitgeberangebot verstanden werden. Aus der Reaktion werde eine Aktion. Die von außen unbeeinflusste Unterzeichnung des Änderungsangebots mit der Befristungsabrede könne als selbstbestimmter und eigenverantwortlicher Wunsch der Arbeitnehmerin auf Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags iSd. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG verstanden werden.
Mit dieser Würdigung hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg3 verkannt, dass ein Wunsch des Arbeitnehmers an der Befristung seines Arbeitsverhältnisses iSd. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG nicht schon dann vorliegt, wenn er nach reiflicher Überlegung und ausführlicher Beratungsmöglichkeit das Angebot zum Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags annimmt. Die von der Arbeitgeberin eingeräumte lange Frist zur Annahme ihres Antrags ist nicht geeignet, die Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG zu rechtfertigen. Die Länge der Frist ändert nichts daran, dass die Befristung in erster Linie im Interesse der Arbeitgeberin lag. Diese wollte aus Gründen der Planungssicherheit bis zum 31.12 2005 Klarheit darüber erlangen, ob die Befristungsabrede zustande kommt. Bis zu diesem Zeitpunkt sollte das „Konzept 60+“ realisiert werden. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass es gerade im Interesse der Arbeitnehmerin lag, sich bereits zu diesem Zeitpunkt festzulegen, ob sie das Arbeitsverhältnis bis zur ursprünglich mit Arbeitsvertrag vom 30. Januar/19.02.1996 vereinbarten Altersgrenze fortführen oder von der Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung mit Erreichen des 60. Lebensjahrs auf der Grundlage des „Konzepts 60+“ Gebrauch machen wollte. Die Befristung entspricht auch nicht deshalb dem Wunsch der Arbeitnehmerin, weil das die Befristung enthaltende Änderungsangebot der Arbeitgeberin mit finanziellen Vergünstigungen verbunden war. Allein die freie Wahlmöglichkeit des Arbeitnehmers, ein für ihn günstiges Vertragsänderungsangebot seines Arbeitgebers anzunehmen oder das Arbeitsverhältnis unverändert fortzusetzen, ist kein Sachgrund dafür, das geänderte Arbeitsverhältnis auch zu befristen4. Zwar sind die finanziellen Vergünstigungen, insbesondere die Ausgleichszahlung, untrennbar mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Vollendung des 60. Lebensjahrs verbunden. Die Befristung des Arbeitsvertrags auf die Vollendung des 60. Lebensjahrs würde jedoch nur dann auf dem Wunsch der Arbeitnehmerin iSd. Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beruhen, wenn die Arbeitnehmerin die Möglichkeit gehabt hätte, das Arbeitsverhältnis wie bisher fortzusetzen mit der Option, bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahrs zu den Konditionen des „Konzepts 60+“ aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden, und wenn sie sich dennoch für den Abschluss des Änderungsvertrags entschieden hätte.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. Januar 2017 – 7 AZR 236/15
- BAG 11.02.2015 – 7 AZR 17/13, Rn. 36, BAGE 150, 366; 19.01.2005 – 7 AZR 115/04, zu II 2 a aa der Gründe; 5.06.2002 – 7 AZR 241/01, zu I 3 c der Gründe, BAGE 101, 262; 6.11.1996 – 7 AZR 909/95, zu 3 der Gründe; 26.04.1985 – 7 AZR 316/84, zu III 3 b der Gründe[↩]
- BAG 26.08.1998 – 7 AZR 349/97, zu III 3 der Gründe, BAGE 89, 345[↩]
- LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 04.03.2015 – 2 Sa 31/14[↩][↩][↩]
- BAG 26.08.1998 – 7 AZR 349/97, zu III 3 a der Gründe, BAGE 89, 345[↩]