Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung aufgrund des Eintritts einer teilweisen Erwerbsminderung erfordert bei einem schwerbehinderten oder ihm gleichgestellten Menschen nach § 92 Satz 1 SGB IX in der bis zum 31.12 2017 geltenden Fassung die vorherige Zustimmung des Integrationsamts, wenn bei Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Eintritt der auflösenden Bedingung nach §§ 21, 15 Abs. 2 TzBfG die Anerkennung der Schwerbehinderung oder die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen erfolgt ist oder die entsprechende Antragstellung mindestens drei Wochen zurückliegt.
Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung aufgrund des Eintritts einer teilweisen Erwerbsminderung erfordert nach § 92 Satz 1 SGB IX die Zustimmung des Integrationsamts, wenn bei Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber nach §§ 21, 15 Abs. 2 TzBfG die Anerkennung der Schwerbehinderung oder die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen erfolgt ist oder die entsprechende Antragstellung mindestens drei Wochen zurückliegt.
Nach § 92 Satz 1 SGB IX erfordert die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen die vorherige Zustimmung des Integrationsamts, wenn sie im Falle des Eintritts einer teilweisen Erwerbsminderung, der Erwerbsminderung auf Zeit, der Berufsunfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit auf Zeit ohne Kündigung erfolgt. Der erweiterte Beendigungsschutz gilt nicht nur für schwerbehinderte Menschen, sondern auch für Personen, die auf ihren Antrag hin durch Bescheid der Agentur für Arbeit einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind (§ 2 Abs. 3, § 68 Abs. 1 und Abs. 3 SGB IX). Die Gleichstellung ist ein konstitutiver Verwaltungsakt, der nach § 68 Abs. 2 Satz 2 SGB IX rückwirkend zum Zeitpunkt der Antragstellung wirksam wird1.
Gemäß § 92 Satz 2 SGB IX gelten die Vorschriften zum Kündigungsschutz (§ 85 bis § 91 SGB IX) im vierten Kapitel des zweiten Teils des SGB IX entsprechend für den erweiterten Beendigungsschutz schwerbehinderter Arbeitnehmer nach § 92 Satz 1 SGB IX. § 90 Abs. 2a SGB IX bestimmt, dass die Vorschriften dieses Kapitels keine Anwendung finden, wenn die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch zum Zeitpunkt der Kündigung nicht nachgewiesen ist oder das Versorgungsamt nach Ablauf der Frist des § 69 Abs. 1 Satz 2 SGB IX eine Feststellung wegen fehlender Mitwirkung nicht treffen konnte. Aus § 68 Abs. 1 und Abs. 3 SGB IX folgt, dass § 90 Abs. 2a SGB IX in beiden Alternativen auch für gleichgestellte behinderte Menschen iSd. § 2 Abs. 3 SGB IX gilt.
Das Eingreifen des Sonderkündigungsschutzes setzt damit grundsätzlich voraus, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung entweder die Schwerbehinderung bereits anerkannt (oder eine Gleichstellung erfolgt) ist oder die Stellung des Antrags auf Anerkennung der Schwerbehinderung (bzw. auf Gleichstellung) mindestens drei Wochen (§ 69 Abs. 1 Satz 2, § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IX) zurückliegt2. Dementsprechend ist der besondere Schutz schwerbehinderter oder diesen gleichgestellter Arbeitnehmer nach § 92 Satz 1 SGB IX vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung wegen teilweiser Erwerbsminderung nicht gemäß § 90 Abs. 2a SGB IX ausgeschlossen, wenn bei Zugang der Unterrichtung nach §§ 21, 15 Abs. 2 TzBfG die Anerkennung als schwerbehinderter Mensch (§ 69 Abs. 1 Satz 2 SGB IX) oder die Gleichstellung (§ 68 Abs. 1 und Abs. 2 SGB IX) bereits erfolgt war oder der Arbeitnehmer den entsprechenden Antrag mindestens drei Wochen (§ 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IX) zuvor gestellt hatte. Danach muss der Arbeitgeber die Zustimmung des Integrationsamts einholen, wenn der Arbeitnehmer zwar noch nicht im Zeitpunkt der Zustellung des Bescheids über die Bewilligung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wohl aber bei Zugang der Unterrichtung nach §§ 21, 15 Abs. 2 TzBfG als schwerbehinderter Mensch anerkannt oder diesem gleichgestellt war, oder die entsprechende Antragstellung mindestens drei Wochen zurücklag.
Für dieses Verständnis spricht bereits der Wortlaut des § 92 SGB IX. Danach erfordert die „Beendigung“ des Arbeitsverhältnisses in den in der Vorschrift genannten Fällen die Zustimmung des Integrationsamts. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt bei der in § 33 Abs. 2 TV DRV KBS geregelten auflösenden Bedingung des Eintritts der teilweisen Erwerbsminderung entgegen dem Wortlaut der Tarifbestimmung nicht bereits mit der Zustellung des die Erwerbsminderung feststellenden Rentenbescheids, sondern nach §§ 21, 15 Abs. 2 TzBfG frühestens mit dem Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt des Eintritts der auflösenden Bedingung.
Diese Auslegung entspricht dem Zweck der §§ 85, 92 Satz 1 SGB IX. Dieser besteht darin, im Vorfeld einer Vertragsbeendigung den gesetzlich besonders geschützten Interessen eines schwerbehinderten oder diesem gleichgestellten Arbeitnehmers Rechnung zu tragen und eine damit unvereinbare Vertragsbeendigung zu verhindern. Diesem Schutzzweck liefe es zuwider, wenn der Arbeitgeber die Zustimmung des Integrationsamts zu der Vertragsbeendigung nicht einholen müsste, obwohl er ab der Zustellung des Rentenbescheids die gesetzlichen Schutzinteressen des schwerbehinderten bzw. diesem gleichgestellten Arbeitnehmers wahrzunehmen hat.
§ 85 SGB IX unterwirft die Ausübung des Kündigungsrechts durch den Arbeitgeber einer vorherigen staatlichen Kontrolle, um bereits im Vorfeld der Kündigung die besonderen Schutzinteressen schwerbehinderter Arbeitnehmer oder ihnen Gleichgestellter zur Geltung zu bringen und eine mit den Schutzzwecken des Gesetzes unvereinbare Kündigung zu verhindern3. Durch den besonderen gesetzlichen Bestandsschutz soll sichergestellt werden, dass das in §§ 80 ff. SGB IX zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Anliegen, schwerbehinderten Arbeitnehmern zu einer ihren Fähigkeiten und Kenntnissen angemessenen Beschäftigung zu verhelfen, nicht wieder zunichte gemacht wird, indem sich Arbeitgeber ihrer Pflicht zur Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Arbeitsprozess im Einzelfall durch Kündigung entledigen. Dazu findet eine Vorprüfung der Kündigung in einem Verwaltungsverfahren statt, bei der die Verwaltungsbehörde ihrerseits an das materielle Kündigungsrecht gebunden ist4.
Diese Grundsätze gelten gemäß § 92 Satz 2 SGB IX für den Eintritt einer auflösenden Bedingung bei teilweiser Erwerbsminderung nach § 92 Satz 1 SGB IX entsprechend. Da das Arbeitsverhältnis im Falle einer auflösenden Bedingung nicht ohne weiteres bei Bedingungseintritt, sondern nach §§ 21, 15 Abs. 2 TzBfG frühestens zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Eintritt der auflösenden Bedingung endet, kommt es für das Zustimmungserfordernis nach § 92 Satz 1 SGB IX nicht auf den Zeitpunkt der Zustellung des Rentenbescheids über die teilweise Erwerbsminderung an, sondern auf den Zeitpunkt des Zugangs der Mitteilung des Arbeitgebers über den Eintritt der auflösenden Bedingung nach §§ 21, 15 Abs. 2 TzBfG.
Zwar führt bei der in (hier:) § 33 Abs. 2 TV DRV KBS geregelten auflösenden Bedingung der Erwerbsminderung nicht die Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber nach §§ 21, 15 Abs. 2 TzBfG zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Beendigungstatbestand ist vielmehr die Zustellung des die Erwerbsminderung feststellenden Rentenbescheids. Gleichwohl kann das Arbeitsverhältnis aufgrund der gesetzlichen Anordnung entgegen dem Wortlaut der Tarifbestimmung frühestens zwei Wochen nach Zugang der Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber enden. Bis dahin besteht das Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten fort. Wird der Arbeitnehmer in dieser Zeit als schwerbehinderter Mensch anerkannt oder einem solchen gleichgestellt, sind grundsätzlich die Schutzbestimmungen des SGB IX zu beachten. Dies spricht dafür, dass für die Erforderlichkeit der Zustimmung des Integrationsamts nicht der Zeitpunkt der Zustellung des Rentenbescheids, sondern des Zugangs der Unterrichtung durch den Arbeitgeber maßgeblich ist. Bei der Unterrichtung über den Eintritt der auflösenden Bedingung handelt es sich zwar – anders als bei einer Kündigung – nicht um eine rechtsgestaltende Willenserklärung, sondern um eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung, weil deren Rechtsfolgen nicht wie bei Willenserklärungen kraft des ihnen innewohnenden Willensakts, sondern kraft Gesetzes eintreten5. Für derartige rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen gelten die Bestimmungen über Willenserklärungen entsprechend ihrer Eigenart6. Die von der Unterrichtung über den Eintritt der auflösenden Bedingung nach §§ 21, 15 Abs. 2 TzBfG iVm. § 33 Abs. 2 TV DRV KBS ausgehenden tatsächlichen Wirkungen für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind denjenigen einer Kündigung ähnlich. Da es für das Erfordernis der Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung darauf ankommt, ob die Schwerbehinderung oder Gleichstellung bei Zugang der Kündigung anerkannt bzw. erfolgt oder zumindest länger als drei Wochen zuvor ein entsprechender Antrag gestellt war, erscheint es geboten, das Zustimmungserfordernis in den Fällen des § 92 SGB IX daran zu knüpfen, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Eintritt der auflösenden Bedingung die Schwerbehinderung anerkannt, die Gleichstellung erfolgt oder mindestens drei Wochen zuvor ein entsprechender Antrag gestellt war.
Diese Auslegung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass auch für das Bestehen von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nach § 33 Abs. 3 TV DRV KBS auf die Umstände bei Mitteilung des Arbeitgebers über den Eintritt der auflösenden Bedingung und nicht auf die Umstände bei Zustellung des Rentenbescheids abzustellen ist7.
Nach § 33 Abs. 3 TV DRV KBS endet das Arbeitsverhältnis nicht, wenn der Beschäftigte seine Weiterbeschäftigung binnen zwei Wochen nach Zugang des Rentenbescheids schriftlich beantragt hat und er nach seinem vom zuständigen Rentenversicherungsträger festgestellten Leistungsvermögen auf seinem bisherigen oder einem anderen geeigneten und freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden könnte, soweit dringende dienstliche bzw. betriebliche Gründe nicht entgegenstehen. Zwar verlangt § 33 Abs. 3 TV DRV KBS damit seinem Wortlaut nach, dass der Beschäftigte innerhalb von zwei Wochen nach Zugang des Rentenbescheids seine Weiterbeschäftigung schriftlich beantragt. Nach der gebotenen verfassungskonformen Auslegung des § 33 Abs. 3 TV DRV KBS kommt es aber nicht auf diesen Zeitpunkt, sondern darauf an, ob eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer bei Zugang der Mitteilung des Arbeitgebers über den Eintritt der auflösenden Bedingung vorhanden ist8. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 33 Abs. 3 TV DRV KBS vergleichbaren tariflichen Regelungen wären die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Interessen des Arbeitnehmers an einem effektiven Bestandsschutz nicht gewahrt, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits infolge der Bewilligung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung automatisch einträte, ohne dass der Arbeitnehmer effektiv die Möglichkeit hätte, eine seinen Fähigkeiten entsprechende Weiterbeschäftigung zu verlangen. Um das ihm nach § 33 Abs. 3 TV DRV KBS zustehende Recht effektiv wahrnehmen zu können, muss der Arbeitnehmer wissen, welche Rechtsfolgen von einem Rentenbescheid auf sein Arbeitsverhältnis ausgehen und welche Mitwirkung ihm im Hinblick auf eine Wahrnehmung seiner Bestandsschutzinteressen nach Bewilligung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung obliegt9. Für das Bestehen von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten sind somit die Umstände bei Zugang der Mitteilung des Arbeitgebers über den Eintritt der auflösenden Bedingung maßgeblich, wenn die Bedingung bereits zuvor eingetreten ist. Es ist daher folgerichtig, auch für das Erfordernis der Zustimmung des Integrationsamts nach § 92 SGB IX auf die Umstände bei Zugang der Mitteilung des Arbeitgebers über den Eintritt der auflösenden Bedingung abzustellen.
Danach hätte die Arbeitgeberin vor ihrer Mitteilung vom 05.04.2013 über den Eintritt der in § 33 Abs. 2 TV DRV KBS bestimmten auflösenden Bedingung die Zustimmung des Integrationsamts nach § 92 Satz 1 SGB IX einholen müssen. Bei Zugang des Unterrichtungsschreibens der Arbeitgeberin vom 05.04.2013 über den Eintritt der auflösenden Bedingung bei der Arbeitnehmerin am 8.04.2013 war die Gleichstellung bereits erfolgt und die Arbeitgeberin hatte seit dem 26.10.2012 von dem Gleichstellungsantrag Kenntnis. Daher hatte die Arbeitnehmerin den erweiterten Beendigungsschutz nach § 92 SGB IX auch nicht verwirkt10. Damit hat das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund des bestandskräftigen Bescheids über die Bewilligung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung vom 18.09.2012 zwei Wochen nach dem am 8.04.2013 erfolgten Zugang des Unterrichtungsschreibens der Arbeitgeberin vom 05.04.2013 geendet, da die nach § 92 Satz 1 SGB IX erforderliche Zustimmung des Integrationsamts nicht vorlag.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. Januar 2018 – 7 AZR 622/15
- BAG 1.03.2007 – 2 AZR 217/06, Rn. 29 ff., BAGE 121, 335[↩]
- vgl. BAG 22.09.2016 – 2 AZR 700/15, Rn. 18; 9.06.2011 – 2 AZR 703/09, Rn. 18; 1.03.2007 – 2 AZR 217/06, Rn. 38 ff., BAGE 121, 335[↩]
- BVerwG 10.09.1992 – 5 C 39.88 – BVerwGE 91, 7[↩]
- vgl. BAG 16.03.1994 – 8 AZR 688/92, zu II 3 b aa der Gründe, BAGE 76, 142[↩]
- vgl. etwa BAG 29.06.2017 – 8 AZR 402/15, Rn. 22, BAGE 159, 334[↩]
- vgl. BAG 29.06.2017 – 8 AZR 402/15, Rn. 21, aaO[↩]
- vgl. zu inhaltsgleichen Tarifbestimmungen: BAG 27.07.2016 – 7 AZR 276/14, Rn. 34, BAGE 156, 8; 23.07.2014 – 7 AZR 771/12, Rn. 65 f., BAGE 148, 357; 10.10.2012 – 7 AZR 602/11, Rn. 14; 6.04.2011 – 7 AZR 704/09, Rn. 22, BAGE 137, 292; 15.03.2006 – 7 AZR 332/05, Rn. 36, BAGE 117, 255[↩]
- vgl. BAG 30.08.2017 – 7 AZR 204/16, Rn. 26[↩]
- vgl. BAG 23.07.2014 – 7 AZR 771/12, Rn. 66, BAGE 148, 357[↩]
- vgl. zur Verwirkung des Sonderkündigungsschutzes nach § 85 SGB IX BAG 22.09.2016 – 2 AZR 700/15, Rn. 22 f.[↩]