Gehaltspfändung und der Anspruch auf Lohnabrechnung

Bei der Pfändung eines Anspruchs auf Lohnzahlung stellt der Anspruch auf Erteilung einer Lohnabrechnung einen unselbständigen Nebenanspruch dar, wenn es der Abrechnung bedarf, um den Anspruch auf Lohnzahlung geltend machen zu können. Wenn nicht ausgeschlossen ist, dass dem Schuldner gegen den Drittschuldner derartige Ansprüche auf Lohnabrechnung zustehen, werden diese angeblichen Ansprüche des Schuldners gegen den Drittschuldner (Arbeitgeber) bei einer Lohnpfändung mitgepfändet. In derartigen Fällen der Mitpfändung kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers die Mitpfändung im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (klarstellend) aussprechen.

Gehaltspfändung und der Anspruch auf Lohnabrechnung

Die angeblichen Forderungen des Schuldners gegen die Drittschuldnerin auf monatliche Übersendung der Lohnabrechnungen sind zusammen mit den angeblichen Forderungen auf Lohnzahlung als Nebenrechte mitgepfändet.

Die mit einer Pfändung verbundene Beschlagnahme erstreckt sich ohne Weiteres auf alle Nebenrechte, die im Falle einer Abtretung nach § 412, § 401 BGB mit auf den neuen Gläubiger übergehen; einer gesonderten Neben- oder Hilfspfändung bedarf es dazu nicht1. Neben den in § 401 BGB ausdrücklich genannten Rechten wird diese Vorschrift unter anderem auf solche Hilfsrechte entsprechend angewandt, die zur Geltendmachung oder Durchsetzung einer Forderung erforderlich sind2. Solche Nebenrechte sind insbesondere Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung, die darauf abzielen, Gegenstand und Betrag des Hauptanspruchs zu ermitteln3.

Bei der Lohnpfändung stellt der Anspruch auf Erteilung einer Lohnabrechnung einen solchen unselbständigen Nebenanspruch dar, wenn es der Abrechnung bedarf, um den Anspruch auf Lohnzahlung geltend machen zu können. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dem Schuldner gegen die Drittschuldnerin derartige Ansprüche auf Lohnabrechnung zustehen. Nach allgemeinen Grundsätzen kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber Auskunft über die Grundlagen seines Vergütungsanspruchs verlangen, wenn der Arbeitnehmer hierüber unverschuldet keine Kenntnis hat4. Das schließt den Anspruch auf eine Abrechnung mit ein, wenn es der Abrechnung bedarf, um den Anspruch auf die Zahlung konkret verfolgen zu können5. Ob derartige Ansprüche des Schuldners auf Lohnabrechnung gegen die Drittschuldnerin tatsächlich gegeben sind, ist im vorliegenden Verfahren unerheblich. Denn das Vollstreckungsgericht prüft grundsätzlich nicht, ob eine zu pfändende Forderung besteht6. Bezüglich einer Mitpfändung gilt Entsprechendes. Eine Pfändung muss immer dann erfolgen, wenn dem Schuldner die Forderung nach irgendeiner vertretbaren Rechtsansicht zustehen kann7. Ein Pfändungsantrag darf nur ausnahmsweise abgelehnt werden, wenn dem Schuldner der Anspruch aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen offenbar nicht zustehen kann oder ersichtlich unpfändbar ist7. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Insbesondere steht nicht fest, dass die Erfüllung der genannten Ansprüche auf Lohnabrechnung gegenüber dem Gläubiger unzulässiger Weise in ein Recht des Schuldners auf Geheimhaltung oder informationelle Selbstbestimmung eingreifen würde, weil in den Abrechnungen schuldnerbezogene Daten enthalten sind, die sich nicht nur auf das pfändbare Arbeitseinkommen beziehen8. Das Interesse des Schuldners, die in Lohnabrechnungen enthaltenen, sein Arbeitsverhältnis betreffenden persönlichen Daten gegenüber Dritten nicht zu offenbaren, überwiegt grundsätzlich nicht das Vollstreckungsinteresse des Gläubigers9. Der Schuldner hat im vorliegenden Verfahren im Übrigen keinen Vortrag gehalten, aus dem sich Hinweise auf ein derartiges Geheimhaltungsinteresse ergeben.

Die Vorschrift des § 840 ZPO, die eine Auskunftsobliegenheit des Drittschuldners begründet10, steht der vorstehend erörterten Mitpfändung nicht entgegen. § 840 ZPO lässt materiellrechtliche Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche, die den Drittschuldner treffen und von der Pfändung der Forderung gemäß § 401 BGB miterfasst werden, unberührt11.

Das Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers für den begehrten Ausspruch bezüglich der Pfändung der angeblichen Forderungen auf monatliche Übersendung der Lohnabrechnungen ist gegeben.

In Fällen der Mitpfändung von Nebenrechten wie im Streitfall kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers in dem das Hauptrecht pfändenden Beschluss die Mitpfändung (klarstellend) aussprechen12. Ein solcher klarstellender Ausspruch erleichtert dem Gläubiger den Nachweis der Mitpfändung13.

Das Rechtsschutzbedürfnis für den genannten klarstellenden Ausspruch entfällt nicht wegen der im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss enthaltenen, bestandskräftig gewordenen Anordnung, dass der Schuldner für die Dauer der Pfändung die Lohnabrechnungen an den Gläubiger herauszugeben hat14. § 836 Abs. 3 Satz 3 ZPO ermöglicht eine Zwangsvollstreckung in diese Urkunden nur, sofern sie sich – schon oder noch – im Besitz des Schuldners befinden15.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19. Dezember 2012 – VII ZB 50/11

  1. vgl. BGH, Beschluss vom 09.02.2012 VII ZB 117/09, NJW-RR 2012, 434 Rn. 12; Beschluss vom 18.07.2003 – IXa ZB 148/03, NJW-RR 2003, 1555, 1556[]
  2. vgl. BGH, Beschluss vom 09.02.2012 – VII ZB 117/09, NJW-RR 2012, 434 Rn. 14 m.w.N.[]
  3. vgl. BGH, Beschluss vom 18.07.2003 – IXa ZB 148/03, NJW-RR 2003, 1555, 1556; Urteil vom 08.11.2005 – XI ZR 90/05, BGHZ 165, 53, 57[]
  4. vgl. BAGE 119, 62 Rn. 15 m.w.N.[]
  5. vgl. BAGE 119, 62 Rn. 15[]
  6. vgl. BGH, Beschluss vom 22.08.2012 – VII ZB 2/11, NZI 2012, 809 Rn. 23; Beschluss vom 19.03.2004 – IXa ZB 229/03, NJW 2004, 2096, 2097 m.w.N.[]
  7. vgl. BGH, Beschluss vom 12.12.2007 VII ZB 38/07, NJW-RR 2008, 733 Rn. 9 m.w.N.[][]
  8. a.M. Hess. LAG, Urteil vom 24.01.2002 – 5 Sa 1213/01; Reiter, FA 2007, 258, 259 f.[]
  9. vgl. BGH, Beschluss vom 28.06.2006 – VII ZB 142/05, NJW-RR 2006, 1576 Rn. 14[]
  10. vgl. BGH, Urteil vom 04.05.2006 – IX ZR 189/04, NJW-RR 2006, 1566 Rn. 10 m.w.N.[]
  11. vgl. Lüke in Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., § 840 Rn. 2; Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 840 Rn. 2[]
  12. vgl. BGH, Beschluss vom 18.07.2003 – IXa ZB 148/03, NJW-RR 2003, 1555, 1556; Beschluss vom 09.02.2012 – VII ZB 117/09, NJW-RR 2012, 434 Rn. 11; LG Bochum, JurBüro 2000, 437 m.w.N.; Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rn. 1742; Scherer, Rpfleger 1995, 446, 450; a.M. OLG Zweibrücken, JurBüro 1995, 660, 662[]
  13. vgl. OLG Hamm, DGVZ 1994, 188, 189; LG Koblenz, JurBüro 1996, 663, 664; Behr, JurBüro 1995, 626, 628[]
  14. vgl. dazu BGH, Beschluss vom 28.06.2006 – VII ZB 142/05, NJW-RR 2006, 1576 Rn. 8[]
  15. vgl. BGH, Beschluss vom 25.03.2010 – VII ZB 11/08, JurBüro 2010, 440 Rn.20[]