Zugunsten des Arbeitgebers greift gegenüber dem Schadensersatzverlangen eines Beschäftigten, der infolge eines Versicherungsfalls einen Personenschaden erlitten hat, das Haftungsprivileg nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ein, es sei denn, der Arbeitgeber hat den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt oder der Unfall erfolgte auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg (Wegeunfall).
Für die Annahme der vorsätzlichen Herbeiführung eines Versicherungsfalls ist ein „doppelter Vorsatz“ erforderlich. Der Vorsatz des Schädigers muss sich nicht nur auf die Verletzungshandlung, sondern auch auf den Verletzungserfolg beziehen.
In dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall ist die Arbeitnehmerin bei der Arbeitgeberin, die ein Seniorenpflegeheim betreibt, langjährig als Pflegefachkraft beschäftigt. Das Gebäude des Seniorenpflegeheims hat zwei Eingänge, einen Haupt- und einen Nebeneingang. An beiden Eingängen befinden sich Arbeitszeiterfassungsgeräte. Der Haupteingang ist beleuchtet, der Nebeneingang nicht. Im Dezember 2016 erlitt die Arbeitnehmerin kurz vor Arbeitsbeginn um etwa 7:30 Uhr einen Unfall auf einem Weg, der sich auf dem Betriebsgelände des Seniorenpflegeheims befindet und dort zum Nebeneingang führt. Es war noch dunkel, als sie ihr Fahrzeug auf einem Parkplatz außerhalb des Betriebsgeländes abstellte und sich zu Fuß zum Nebeneingang begab. Kurz bevor sie diesen erreichte, rutschte sie auf dem Weg aus. Dabei erlitt sie eine Außenknöchelfraktur. Bei dem Unfall der Arbeitnehmerin handelte es sich um einen Versicherungsfall iSv. § 7 SGB VII; die Arbeitnehmerin erhielt Verletztengeld.
Die Arbeitnehmerin hat daraufhin von der Arbeitgeberin Schmerzensgeld und Ersatz materieller Schäden verlangt. In den Vorinstanzen haben Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht München1 die Klage abgewiesen. Und auch die Revision der Arbeitnehmerin hatte nun vor dem Bundesarbeitsgericht keinen Erfolg:
Die Arbeitgeberin hatte den Versicherungsfall, der kein Wegeunfall war, sondern sich auf dem Betriebsgelände des Seniorenpflegeheims ereignete, nicht vorsätzlich herbeigeführt. Die dahingehende Würdigung des Landesarbeitsgerichts war für das Bundesarbeitsgericht revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. November 2019 – 8 AZR 35/19
- LAG München, Urteil vom 27.11.2018 – 7 Sa 365/18[↩]
Bildnachweis:
- Parkplatz,Winter,Schnee: Pixabay