Startgutschriften in der VBL

Wer gerichtlich gegen die Startgutschriften in der VBL-Versorgung vorgehen will, tut gut daran, eine Unverbindlichkeitserklärung bereits vorgerichtlich bei der VBL einzufordern:

Startgutschriften in der VBL

In Verfahren wegen sog. Startgutschriften der Zusatzversorgung des Öffentlichen Dienstes (VBL) kann die klagende Partei im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 91 a ZPO auch nach einer Betriebsrentenmitteilung der Zusatzversorgungskasse nach Treu und Glauben mit den durch eine Anrufung des Gerichts anfallenden Kosten des Verfahrens belastet werden, wenn die auf der Grundlage der Rechtsprechung des BGH1 abzugebende Unverbindlichkeitserklärung vorgerichtlich nicht angefordert worden ist.

Im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 91a ZPO ist anerkannt, dass grundsätzlich der ohne die Erledigung – hier: materiellrechtliche Erklärung im Schriftsatz vom 18.07.2011 – zu erwartende Verfahrensausgang bei der Kostenentscheidung den Ausschlag gibt2. Hätte die Beklagte indes diese materiell rechtliche Erklärung, die das Feststellungsinteresse entfallen lässt3, nicht abgegeben, wäre sie im Urteil unterlegen, da die Klage zulässig und begründet war4.

Die Beklagte hat vor Prozessbeginn Veranlassung zur Klage gegeben, so dass § 93 ZPO, der der klagenden Partei im Falle seiner Anwendbarkeit die vollen Kosten des Rechtsstreits auferlegen würde und dessen Rechtsgedanken im Rahmen des § 91a ZPO grundsätzlich berücksichtigt werden kann, hier keine Anwendung findet. Die Startgutschrift wurde von der Klägerin zwar nicht vorgerichtlich beanstandet. Hier hatte die Beklagte indessen durch die Mitteilung vom 31.03.2010 Anlass zur Klageerhebung gegeben. Auch sie stellt nicht in Abrede, dass die dort mitgeteilte Rentenhöhe auf der Startgutschrift beruht, die nach der Grundsatzentscheidung BGHZ 174, 127 die durch die Klägerin errechnete Rentenanwartschaft nicht verbindlich festlegt. Da die Beklagte in der Rentenmitteilung vom 31.03.2010 auf diese Unverbindlichkeit nicht hinwies, sondern eine Rechtsmittelbelehrung erteilte, in der sie ohne jede Einschränkung auf die Klageerhebung verwies, hat sie Anlass zur Klageerhebung gegeben. Die Klägerin musste sich unter diesen Umständen grundsätzlich nicht mehr zu einer außergerichtlichen Geltendmachung der Unwirksamkeit der Startgutschrift veranlasst sehen. Es wäre der Beklagten ohne weiteres möglich gewesen – wie dies z.B. im Rahmen von Steuerbescheiden bei schwebenden Prozessen erfolgt – in der Rentenmitteilung darauf hinzuweisen, dass sie die der Rentenmitteilung zugrunde liegende Startgutschrift wegen der zitierten Grundsatzentscheidung des BGH als unverbindlich behandelt5.

Jedoch ist im vorliegenden Fall nach Treu und Glauben im Rahmen der Billigkeitserwägungen des Gerichts zu berücksichtigen, dass bei einer vorgerichtlichen Geltendmachung und entsprechender Erklärung durch die Beklagte nicht in dem Umfang Kosten entstanden wären, wie sie nunmehr nach der Anrufung des Gerichts entstehen.

So ist anerkannt und auch Rechtsprechung dieser Kammer, dass bei „verspätet“ abgegebenen Erledigungserklärungen, d.h. einer Erklärung erst im Verhandlungstermin, obwohl ohne weiteres zu einem deutlich früheren Zeitpunkt auf Erklärungen der Beklagten hätte reagiert werden können, die klagende Partei die durch einen Verhandlungstermin veranlassten Kosten zu tragen hat6. Dies entspricht dem Grundsatz des § 91 Abs. 1 ZPO, dass dem Gegner nur die Kosten zu erstatten sind, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Als Ausfluss des auch das gesamte Kostenrecht beherrschenden Grundsatzes von Treu und Glauben ist die Verpflichtung jeder Prozesspartei allgemein anerkannt, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt7.

Das Gleiche gilt bei der Entstehung zusätzlicher Kosten durch prozessual nicht sinnvolles Vorgehen der klagenden Partei8.

Ebenso ist dann im vorliegenden Fall nach Treu und Glauben zu berücksichtigen, dass die klagende Partei durch die sofortige Anrufung des Gerichts, ohne der Beklagten die Möglichkeit einzuräumen, vorgerichtlich die begehrte materiellrechtliche Erklärung abzugeben, in Höhe der Gerichtskosten Kosten verursacht hat, die bei einer außergerichtlichen Erklärung der Beklagten so nicht entstanden wären.

Eine Kostenregelung, wonach die Beklagte sämtliche Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Gerichtskosten zu tragen hat, entspräche nicht der oben aufgezeigten Billigkeit. Denn dann bliebe unberücksichtigt, dass die Beklagte auch ohne Einschaltung eines Anwalts vorgerichtlich die entsprechende Erklärung hätte abgeben und die außergerichtlichen Anwaltskosten auf die Kosten der klagenden Partei hätte begrenzen können. Indem die Klägerin Klage zum Landgericht erhoben hat, war die Beklagte gehalten sich mit einem Rechtsanwalt zu verteidigen (§ 78 ZPO), was nicht zu ihren Lasten gehen darf.

Dies führt hier dazu, dass im Verhältnis der zusätzlich entstandenen weiteren Kosten die Klägerin diese Kosten zu tragen hat.

Landgericht Karlsruhe, Beschluss vom 16. August 2011 – 6 O 185/11

  1. BGHZ 174, 127[]
  2. vgl. Zöller; ZPO, 27. Auflage, § 91a; Rd.Nr. 24[]
  3. vgl. etwa die Urteile des LG Karlsruhe vom 06.03.2009 – 6 O 330/03 und 6 O 235/08 – jeweils veröffentlicht in Juris[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 14.11.2007 – IV ZR 74/06[]
  5. vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19.03.2010 – 12 W 3/10[]
  6. vgl. Beschluss der Kammer vom 10.06.2011 – 6 O 73/11 unter Hinweis auf OLG Rostock, Beschluss vom 31.05.2006, 3 W 36/06 und Hinweis auf Lindacher in Münch/Komm, ZPO, 2. Aufl., Rn. 60 zu § 91 a; OLG Köln MDR 1979, 407; OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 156; Zöller/Vollkommer, ZPO, Kommentar, 28. Auflage, 2010, Rn 25 a.E. m.w.N.[]
  7. vgl. BGH, Beschluss vom 31.08.2010, X ZB 3/09[]
  8. vgl. OLG Frankfurt, NJW-RR 2007, 788; Zöller/Vollkommer a.a.O.[]