Die Einschaltung der Staatsanwaltschaft durch einen Arbeitnehmer wegen eines vermeintlich strafbaren Verhaltens des Arbeitgebers oder seiner Repräsentanten stellt als Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte – soweit nicht wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben gemacht werden – im Regelfall keine eine Kündigung rechtfertigende Pflichtverletzung dar1.
Eine Kündigung ist iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist.
Auch eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gem. § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers kann eine Kündigung rechtfertigen2. Eine Kündigung scheidet dagegen aus, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers – wie etwa eine Abmahnung – geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken3. Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung auch nach Ausspruch einer Abmahnung nicht zu erwarten oder die Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch den Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und offensichtlich (auch für den Arbeitnehmer erkennbar) ausgeschlossen ist4.
Im vorliegenden Fahht hat die Arbeitnehmerin ihre arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Arbeitgeberin gem. § 241 Abs. 2 BGB erheblich verletzt.
Die Einschaltung der Staatsanwaltschaft durch einen Arbeitnehmer wegen eines vermeintlich strafbaren Verhaltens des Arbeitgebers oder seiner Repräsentanten stellt als Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte – soweit nicht wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben gemacht werden – im Regelfall keine eine Kündigung rechtfertigende Pflichtverletzung dar1. Dies kann ua. dann anders zu beurteilen sein, wenn trotz richtiger Darstellung des angezeigten objektiven Sachverhalts für das Vorliegen der nach dem Straftatbestand erforderlichen Absicht keine Anhaltspunkte bestehen und die Strafanzeige sich deshalb als leichtfertig und unangemessen erweist5. Zwar sind auch die in Strafanzeigen enthaltenen Werturteile vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG erfasst. Das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ist aber nicht vorbehaltlos gewährt, sondern steht gem. Art. 5 Abs. 2 GG unter dem Schrankenvorbehalt der allgemeinen Gesetze. Das erfordert eine fallbezogene Abwägung zwischen dem Grundrecht der Meinungsfreiheit und dem vom grundrechtsbeschränkenden Gesetz – hier § 241 Abs. 2 BGB – geschützten Rechtsgut6. Die Anzeige des Arbeitnehmers darf sich deshalb mit Blick auf die schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers nicht als eine unverhältnismäßige Reaktion auf sein Verhalten oder das seiner Repräsentanten darstellen. Dabei können als Indizien für eine unverhältnismäßige Reaktion sowohl die Berechtigung der Anzeige als auch die Motivation des Anzeigenden oder ein fehlender innerbetrieblicher Hinweis auf die angezeigten Missstände sprechen7. Soweit ihm dies zumutbar ist8, ist der Arbeitnehmer wegen der sich aus der Pflicht zur Rücksichtnahme ergebenden Pflicht zur Loyalität und Diskretion gehalten, Hinweise auf strafbares Verhalten in erster Linie gegenüber Vorgesetzten oder anderen zuständigen Stellen oder Einrichtungen vorzubringen. Es ist daher zu berücksichtigen, ob ihm andere wirksame Mittel zur Verfügung standen, um etwas gegen den angeprangerten Missstand zu tun, andererseits aber auch ein öffentliches Interesse an einer Offenlegung der Information9.
Eine unverhältnismäßige, die vertragliche Nebenpflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB verletzende Reaktion kann auch dann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer einen Strafantrag stellt, weil er sich selbst als durch eine Straftat verletzt fühlt.
Das Antragsrecht nach § 77 Abs. 1 StGB lässt die Pflicht zur Rücksichtnahme gegenüber den Interessen des Arbeitgebers gem. § 241 Abs. 2 BGB ebenso wenig generell entfallen wie das allgemeine Anzeigerecht nach § 158 StPO. Die Selbstbetroffenheit von einer – vermeintlichen – Straftat ist jedoch bei der Prüfung zu berücksichtigen, ob der Strafantrag eine unangemessene Reaktion darstellt. Denn der Gesetzgeber erkennt mit dem Antragsrecht des Opfers dessen Interesse an einer Strafverfolgung als schutzwürdig an. Dennoch kann sich auch ein Strafantrag des vermeintlich Betroffenen als unverhältnismäßig erweisen. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn – trotz richtiger Darstellung des angezeigten objektiven Sachverhalts – der Vorwurf, es sei durch ein bestimmtes Verhalten ein Straftatbestand verwirklicht worden, völlig haltlos ist. In einem solchen Fall besteht für den Antragsteller objektiv kein Anlass, die staatliche Strafverfolgung zu initiieren. Die Stellung eines Strafantrags ist auch nicht lediglich mit einer Klageführung wegen zivil- oder arbeitsrechtlicher Ansprüche zu vergleichen. Sie kann zu einer weit höheren Beeinträchtigung des Ansehens des Arbeitgebers und seines Unternehmens oder seiner Repräsentanten führen. Allerdings ist eine Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme gem. § 241 Abs. 2 BGB durch einen derart „überschießenden“ Strafantrag nur dann schuldhaft und damit dem Arbeitnehmer vorwerfbar, wenn diesem die Haltlosigkeit des Vorwurfs erkennbar war. Ist das der Fall, ist ein bloß vermeidbarer und damit verschuldeter Irrtum über die Voraussetzungen der Strafbarkeit des angezeigten Verhaltens – abhängig vom Grad des Verschuldens – im Rahmen der Interessenabwägung bei der Prüfung zu berücksichtigen, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz der Pflichtverletzung zumutbar ist.
Die Frist von drei Monaten zur Stellung eines Strafantrags gem. § 77b Abs. 1 StGB steht der Annahme, ein Strafantrag könne gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme gem. § 241 Abs. 2 BGB verstoßen, nicht notwendig entgegen. Für den Beginn der Frist ist nach § 77b Abs. 2 StGB die Kenntnis von der Tat und der Person des Täters erforderlich. Gibt es lediglich Hinweise auf eine Straftat, läuft die Antragsfrist nicht. Außerdem kann es dem Arbeitnehmer im Einzelfall zumutbar sein, auch innerhalb einer vermeintlich bereits laufenden Antragsfrist zunächst zu versuchen, die Berechtigung eines Vorwurfs anderweitig zu klären.
Danach hat das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen, die Arbeitnehmerin habe mit der Stellung des Strafantrags ihre Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Arbeitgeberin gem. § 241 Abs. 2 BGB erheblich verletzt.
Der Strafantrag stellte eine gänzlich unangemessene Reaktion auf eine vermeintlich rechtswidrige Evaluation ihrer Lehrveranstaltungen dar. Die Arbeitnehmerin hat Strafantrag wegen einer Straftat nach § 44 Abs. 1 BDSG gestellt. Zwar hat sie keine falschen tatsächlichen Angaben gemacht. Jedoch setzt eine solche Straftat zusätzlich zu einem vorsätzlichen Verstoß gegen gesetzliche Datenschutzbestimmungen voraus, dass die Handlung gegen Entgelt oder in der Absicht begangen wurde, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen. Dafür gab es weder nach dem von der Arbeitnehmerin der Staatsanwaltschaft unterbreiteten noch nach dem im Rechtsstreit von ihr vorgetragenen Sachverhalt einen Anhaltspunkt. Die diesbezügliche Würdigung des Landesarbeitsgerichts lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Eine zulässige Verfahrensrüge hat die Arbeitnehmerin nicht erhoben. Die Arbeitnehmerin hat sich allein auf eine vermeintlich vorsätzliche Verletzung von Regeln des Datenschutzes und damit allenfalls auf eine Ordnungswidrigkeit nach § 43 Abs. 2 BDSG berufen. Ihre Auffassung, bereits daraus folge „offensichtlich“ ebenso eine Schädigungsabsicht iSd. § 44 Abs. 1 BDSG, ist abwegig, da anderenfalls Ordnungswidrigkeit und Straftat zusammenfielen.
Überdies wäre es der Arbeitnehmerin zumutbar gewesen, zunächst eine weitere innerbetriebliche Klärung der vermeintlichen Rechtswidrigkeit der Evaluation zu versuchen. Das Landesarbeitsgericht hat durch Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts angenommen, dass zu diesem Zweck eine Befassung der der Fachbereichsleitung vorgesetzten Mitarbeiter der Arbeitgeberin, ihres Referats für Datenschutz oder Justiziariats und schließlich des Datenschutzbeauftragten in Betracht gekommen wäre. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Auch die Arbeitnehmerin zeigt einen solchen nicht auf. Soweit die Revision meint, eine Obliegenheit zur zunächst innerbetrieblichen Klärung scheide bei Selbstbetroffenheit von einer Straftat aus, mag dies der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer keinen Anlass hat, an der Berechtigung seines Vorwurfs zu zweifeln. Hier war aber das Gegenteil der Fall. Die Arbeitnehmerin wusste, dass es im Fachbereich unterschiedliche Beurteilungen über die Zulässigkeit der durchgeführten Evaluationen gab. Der Einwand der Revision, die Arbeitnehmerin habe davon ausgehen müssen, dass der Versuch innerbetrieblicher „Abhilfe“ aussichtslos gewesen wäre, weil die Evaluationen ja trotz der Hinweise von Mitte 2011 und Anfang März 2012 auf die weiterhin ausstehende Wahl einer/s Evaluationsbeauftragten durchgeführt worden seien, verkennt, dass damit noch nicht die der Fachbereichsleitung vorgesetzten Mitarbeiter der Arbeitgeberin, ihres Referats für Datenschutz oder Justiziariats oder der Datenschutzbeauftragte mit der Problematik befasst worden waren.
An einer Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme fehlt es nicht deshalb, weil die Arbeitnehmerin den Strafantrag gegen „Unbekannt“ gerichtet hat. Das Landesarbeitsgericht hat unter Bezugnahme auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, durch die im Antrag (konkret) angeführte Evaluation und die Bezugnahme auf mit dieser zusammenhängende Handlungen (konkret) benannter Mitarbeiter der Arbeitgeberin, insbesondere des Fachabteilungsleiters, habe die Arbeitnehmerin einen klar erkennbaren Zusammenhang des Strafantrags mit Repräsentanten der Arbeitgeberin hergestellt und damit die Ermittlungen gegen die Arbeitgeberin bzw. deren Repräsentanten am Fachbereich Sozialversicherung lenken wollen.
Die Arbeitnehmerin hat ihre Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Arbeitgeberin gem. § 241 Abs. 2 BGB schuldhaft verletzt.
Allerdings kann nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht angenommen werden, die Arbeitnehmerin habe den Strafantrag wider besseres Wissen gestellt, nämlich obwohl ihr bewusst gewesen wäre, dass kein strafbares Verhalten vorlag.
Die Arbeitnehmerin hat es jedoch entgegen der gebotenen Sorgfalt und damit fahrlässig (§ 276 Abs. 2 BGB) unterlassen, die den mit der Evaluation befassten Personen unterstellte Schädigungsabsicht iSd. § 44 Abs. 1 BDSG kritisch zu hinterfragen. Sie hat ohne Weiteres aus einem ihrer Ansicht nach rechtswidrigen Vorgehen auf eine Schädigungsabsicht geschlossen. Dass dieser Schluss nicht richtig sein konnte, war nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts für die Arbeitnehmerin als Volljuristin auch erkennbar. Überdies sprach der Umstand, dass nicht nur ihre Lehrveranstaltungen evaluiert wurden, dafür, dass die verantwortlichen Personen lediglich den gesetzlichen Auftrag nach § 6 HRG iVm. § 1 Abs. 2 EVO erfüllen wollten. Ein Anhaltspunkt für eine Schädigungsabsicht iSd. § 44 Abs. 1 BDSG ergab sich auch nicht daraus, dass der Fachbereich die Evaluation in Kenntnis des Umstands durchführte, dass es an einem gewählten Evaluationsbeauftragten fehlte. Der Arbeitnehmerin war bekannt, dass der Fachabteilungsleiter entgegen der von einer Mitarbeiterin in einer E-Mail von Anfang März 2012 geäußerten Ansicht davon ausging, es sei ausreichend, dass er eine Professorin kommissarisch zur Evaluationsbeauftragten bestellt hatte. Seine diesbezüglichen Aussagen in der Sitzung des Fachbereichsrats am 6.03.2012 sind in dem Strafantrag wiedergegeben.
Einem Verschulden steht nicht entgegen, dass sich die Arbeitnehmerin bei Stellung des Strafantrags hat anwaltlich vertreten lassen. Sie hat weder behauptet, dass Gegenstand der anwaltlichen Beratung die ihr als Arbeitnehmerin obliegenden Pflichten zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Arbeitgeberin gewesen seien, noch hat sie dargelegt, welche rechtliche Auskunft sie über die Voraussetzungen einer Strafbarkeit nach § 44 Abs. 1 BDSG erhalten habe.
Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis ohne Rechtsfehler angenommen, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung sei aufgrund der der Arbeitnehmerin zurechenbaren Pflichtverletzung nicht mehr zu erwarten gewesen, obwohl es an einer vorausgegangenen Abmahnung zu einer vergleichbaren Pflichtverletzung fehlte. Es kann dahinstehen, ob insofern seine Erstbegründung, eine Verhaltensänderung sei auch nach Ausspruch einer Abmahnung nicht zu erwarten gewesen, von den getroffenen Feststellungen getragen wird. Einer revisionsrechtlichen Überprüfung hält jedenfalls die Zweitbegründung stand, die Pflichtverletzung wiege außerdem so schwer, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch die Arbeitgeberin erkennbar ausgeschlossen gewesen sei. Das Landesarbeitsgericht hat dabei zu Recht darauf abgestellt, dass die Arbeitnehmerin mit Nachdruck versucht habe, strafrechtliche Ermittlungen gegen die Arbeitgeberin oder ihre Repräsentanten in Gang zu setzen, obwohl es dafür erkennbar keinen Anlass gegeben habe. Die Nachdrücklichkeit habe sich daran gezeigt, dass die Arbeitnehmerin sogar noch Beschwerde zur Generalstaatsanwaltschaft eingelegt habe, als ihr durch den Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft die Haltlosigkeit ihrer Anzeige bereits vor Augen geführt worden war. Die Arbeitnehmerin hat demnach beharrlich und ohne Rücksicht auf die Belange der Arbeitgeberin eigene, aufgrund der erkennbaren Haltlosigkeit des Vorwurfs nicht schutzwürdige Interessen an einer Aufnahme strafrechtlicher Ermittlungen gegen Repräsentanten der Arbeitgeberin verfolgt. Die tatrichterliche Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dies sei auch ohne Abmahnung geeignet, das Vertrauen der Arbeitgeberin in eine ordnungsgemäße Vertragserfüllung in Form der gebotenen Rücksichtnahme auf ihre Interessen auf Dauer zu beeinträchtigen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Annahme, der Arbeitgeberin sei es angesichts der Pflichtverletzung der Arbeitnehmerin auch unter Berücksichtigung der relevanten Umstände des Streitfalls nicht zumutbar gewesen, das Arbeitsverhältnis der Parteien über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus fortzusetzen, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung ebenfalls stand.
Seine Würdigung, die Arbeitnehmerin habe geradezu leichtfertig gehandelt und die für die Arbeitgeberin mit einem Strafverfahren verbundene negative Publizität in Kauf genommen, hält sich im Rahmen des den Tatsachengerichten zustehenden Beurteilungsspielraums. Dass sie eine Strafbarkeit des Verhaltens der für die Evaluation ihrer Lehrveranstaltung Verantwortlichen für möglich gehalten haben mag und sich selbst von der ihres Erachtens unrechtmäßigen Datenerhebung und -verwertung betroffen sah, vermag sie deshalb nicht ausschlaggebend zu entlasten. Das Berufungsgericht durfte auch die Einlegung der Beschwerde gegen den Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft als besonders hartnäckiges Handeln der Arbeitnehmerin ansehen. Die Arbeitnehmerin hat nicht vorgetragen, inwiefern sie sich mit der Auffassung der Staatsanwaltschaft auseinandergesetzt und etwa neue Anhaltspunkte für eine Schädigungsabsicht der Verantwortlichen geltend gemacht hätte. Zwar ist es tatsächlich nicht zu Ermittlungen gegen die Arbeitgeberin oder ihre Repräsentanten gekommen. Das Landesarbeitsgericht hat aber ohne Rechtsfehler bereits den Umstand, dass die Arbeitnehmerin die Gefahr einer negativen Publizität durch ein Strafverfahren in Kauf genommen hat, als schwerwiegend erachtet.
Das Landesarbeitsgericht hat in seine Abwägung auch zutreffend sowohl den Umstand einbezogen, dass die Arbeitnehmerin als Rechtsanwältin zugelassen ist, als auch die Tatsache, dass ihre rechtsanwaltliche Betätigung bislang kaum wirtschaftliche Bedeutung hatte. Durch die Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts hat es ebenso die Dauer der Beschäftigung der Arbeitnehmerin von gut elf Jahren zum Zeitpunkt der Kündigung, ihr Alter von 58 Jahren und die gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber ihrem Ehemann berücksichtigt. Seine Annahme, auch dies vermöge letztlich nicht, die Interessenabwägung zugunsten der Arbeitnehmerin ausschlagen zu lassen, ist für das Bundesarbeitsgericht nicht zu beanstanden.
Die Arbeitgeberin hatte im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ihr Recht zur ordentlichen Kündigung nicht verwirkt (§ 242 BGB).
Ein Kündigungssachverhalt kann durch Zeitablauf in einem Maß an Bedeutung verlieren, dass selbst eine ordentliche Kündigung nicht mehr gerechtfertigt ist. Der Schutz des Arbeitnehmers wird insoweit durch die Grundsätze der Verwirkung gewährleistet10. Der Arbeitgeber hat das Recht zur ordentlichen Kündigung verwirkt, wenn er in Kenntnis eines Kündigungsgrundes längere Zeit untätig bleibt, dh. die Kündigung nicht erklärt, obwohl ihm dies möglich und zumutbar gewesen wäre (Zeitmoment), und er dadurch beim Arbeitnehmer das berechtigte Vertrauen erweckt, die Kündigung werde auch künftig unterbleiben (Umstandsmoment11).
Danach fehlt es schon am für eine Verwirkung erforderlichen Zeitmoment. Es ist nicht festgestellt, dass die Arbeitgeberin, wie die Revision geltend macht, „nahezu zwei Jahre hat verstreichen lassen“, bevor sie mit dem Kündigungsverlangen an den Personalrat herangetreten ist. Nach dem vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen Vorbringen der Arbeitgeberin hatte diese vielmehr Kenntnis von dem Umstand, dass die Arbeitnehmerin Strafantrag gestellt hatte, erst mit Abgabe des Ordnungswidrigkeitenverfahrens erlangt. Dies war am 18.12 2013. Die Arbeitgeberin hat weiter vorgetragen, die Arbeitnehmerin mit Schreiben vom 20.02.2014 angehört und die Beteiligung des Personalrats mit Schreiben vom 10.04.2014 eingeleitet zu haben. Die Arbeitnehmerin hat nicht dargelegt, dass und in welcher Weise sie dem in den Tatsacheninstanzen entgegengetreten wäre.
Die Kündigung der Arbeitgeberin vom 23.05.2014 ist nicht gem. § 79 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4, § 72 Abs. 1 BPersVG wegen einer nicht ordnungsgemäßen Beteiligung des Personalrats unwirksam.
Die Arbeitgeberin hat den Personalrat ordnungsgemäß über ihre Kündigungsabsicht unterrichtet.
Im Mitwirkungsverfahren nach § 72 Abs. 1 BPersVG ist der Personalrat ebenso umfassend zu unterrichten wie der Betriebsrat nach § 102 Abs. 1 BetrVG12. Für die Mitteilung der Kündigungsgründe gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“13. Der Personalrat ist ordnungsgemäß unterrichtet, wenn ihm der Dienstherr die aus seiner subjektiven Sicht tragenden Umstände für die beabsichtigte Kündigung mitgeteilt hat. Der Arbeitgeber darf allerdings ihm bekannte Umstände, die sich bei objektiver Betrachtung zugunsten des Arbeitnehmers auswirken können, nicht deshalb vorenthalten, weil sie für seinen eigenen Kündigungsentschluss nicht von Bedeutung waren14. Die Unterrichtung ist daher fehlerhaft, wenn er dem Personalrat bewusst unrichtige und oder unvollständige Sachverhalte unterbreitet oder einen für dessen Entschließung wesentlichen, insbesondere einen den Arbeitnehmer entlastenden Umstand verschweigt15.
Bei Anwendung dieser Grundsätze war die Unterrichtung des Personalrats nicht unvollständig. Die Arbeitgeberin hat sowohl die Sozialdaten als auch das Verhalten der Arbeitnehmerin, das sie zum Anlass der Kündigung genommen hat, zutreffend dargelegt. Kündigungsgrund war dabei aus Sicht der Arbeitgeberin die unverhältnismäßige Reaktion der Arbeitnehmerin in Form des Strafantrags auf die vermeintlich rechtswidrige Evaluation bei Unterstellung einer Schädigungsabsicht der Verantwortlichen. Zur Entlastung von dieser Pflichtwidrigkeit waren weitere Meinungen, die die Auffassung der Arbeitnehmerin von der „bloßen“ Rechtswidrigkeit der Evaluation teilten, weder aus der Sicht der Arbeitgeberin noch objektiv geeignet. Die Auffassung der Arbeitnehmerin über eine Unzulässigkeit von Evaluationen ohne gewählten Evaluationsbeauftragten hat die Arbeitgeberin dabei nicht verschwiegen. Sie hat ihre Ausführungen dazu im Strafantrag vielmehr in dem Schreiben an den Personalrat wörtlich wiedergegeben.
Die Kündigung ist nicht wegen einer unterbliebenen Erörterung nach § 72 Abs. 1 BPersVG unwirksam. Insofern bedarf keiner Entscheidung, ob eine Erörterung iSd. § 72 Abs. 1 BPersVG ein mündliches Gespräch zwischen Personalrat und Dienststelle voraussetzt16 oder ob unter besonderen Umständen oder mit Zustimmung des Personalrats auch der Austausch schriftlicher Stellungnahmen genügt17. Eine Erörterung ist entbehrlich, wenn zwischen der Dienststelle und dem Personalrat eine Absprache besteht, dass sie im Falle eines Widerspruchs des Personalrats nur auf seinen ausdrücklichen Wunsch erfolgen soll18. Eine solche, zumindest konkludente – Absprache lag zwischen der Arbeitgeberin und dem Personalrat vor. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, bei der Arbeitgeberin bestehe in Kündigungsangelegenheiten die Praxis, dass sie auf Einwände des Personalrats zu einem Beteiligungsschreiben eine schriftliche Erwiderung fertige und eine mündliche Erörterung nicht mehr stattfinde, falls diese nicht im Einzelfall ausdrücklich vom Personalrat gewünscht werde. Die Arbeitnehmerin hat dagegen keine Verfahrensrügen erhoben. Entsprechend dieser Praxis hat die Arbeitgeberin auf den Einwand des Personalrats mit Schreiben vom 24.04.2014 am 22.05.2014 schriftlich Stellung genommen. Anhaltspunkte, dass der Personalrat den Wunsch nach einer mündlichen Erörterung geäußert hätte, bestehen nicht. Mit der Stellungnahme der Arbeitgeberin vom 22.05.2014 war demnach das Beteiligungsverfahren abgeschlossen, bevor die Kündigung vom 23.05.2014 ausgesprochen wurde.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. Dezember 2016 – 2 AZR 42/16
- BVerfG 2.07.2001 – 1 BvR 2049/00, zu II 1 b cc bbb der Gründe[↩][↩]
- BAG 19.11.2015 – 2 AZR 217/15, Rn. 24; 3.11.2011 – 2 AZR 748/10, Rn.20[↩]
- BAG 19.11.2015 – 2 AZR 217/15 – aaO; 31.07.2014 – 2 AZR 434/13, Rn.19[↩]
- BAG 19.11.2015 – 2 AZR 217/15 – aaO; 20.11.2014 – 2 AZR 651/13, Rn. 22[↩]
- zur fristlosen Kündigung eines Mietverhältnisses vgl. BVerfG 2.10.2001 – 1 BvR 1372/01, zu 2 b der Gründe[↩]
- BVerfG 9.10.1991 – 1 BvR 221/90, zu B II 3 a der Gründe, BVerfGE 85, 23[↩]
- BAG 3.07.2003 – 2 AZR 235/02, zu II 3 b dd der Gründe, BAGE 107, 36[↩]
- BAG 3.07.2003 – 2 AZR 235/02, zu II 3 b dd (2) der Gründe, aaO[↩]
- zu Art. 10 Abs. 1 EMRK vgl. EGMR 17.09.2015 [Langner] – 14464/11, Rn. 42 – 44; 21.07.2011 [Heinisch] – 28274/08, Rn. 64 ff., EuGRZ 2011, 555[↩]
- BAG 23.01.2014 – 2 AZR 638/13, Rn. 25; 15.08.2002 – 2 AZR 514/01, zu B I 3 c der Gründe[↩]
- BAG 23.01.2014 – 2 AZR 638/13 – aaO; 15.08.2002 – 2 AZR 514/01, zu B I 2 a der Gründe[↩]
- BAG 14.01.1993 – 2 AZR 387/92, zu II 1 a der Gründe; 3.11.1977 – 2 AZR 277/76, zu II 2 b der Gründe[↩]
- BAG 22.09.2016 – 2 AZR 700/15, Rn. 26; 16.07.2015 – 2 AZR 15/15, Rn. 15, BAGE 152, 118[↩]
- BAG 22.09.2016 – 2 AZR 700/15, Rn. 27; 16.07.2015 – 2 AZR 15/15, Rn.19, BAGE 152, 118[↩]
- BAG 10.04.2014 – 2 AZR 684/13, Rn. 22; 9.06.2011 – 2 AZR 284/10, Rn. 46[↩]
- zum wortgleichen § 84 Abs. 1 PersVG Berlin BAG 15.08.2006 – 9 AZR 571/05, Rn. 33, BAGE 119, 181[↩]
- BVerwG 17.02.2009 – 1 WB 37/08, Rn. 25 f., BVerwGE 133, 135[↩]
- BAG 15.08.2006 – 9 AZR 571/05, Rn. 45, aaO; 5.10.1995 – 2 AZR 909/94, zu II 2 c der Gründe, BAGE 81, 111[↩]