Verweist eine Versorgungsordnung auf die Grundsätze des Beamtenversorgungsrecht, ist der Arbeitergeberin nicht verpflichtet, seiner ehemaligen Arbeitnehmerin auch den Kindererziehungszuschlag nach § 50a BeamtVG zu gewähren
Dienstvereinbarungen sind – ebenso wie Betriebsvereinbarungen – wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und Gesetze auszulegen1. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Parteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt2.
Danach ist der Kindererziehungszuschlag nach § 50a BeamtVG nicht Teil des Versorgungszuschusses.
Nach § 4 Abs. 1 DV Nr. 1 errechnet sich die Höhe der Gesamtversorgung in entsprechender Anwendung der für Beamte des Landes Schleswig-Holstein geltenden Grundsätze. § 4 Abs. 1 DV Nr. 1 erklärt damit nach seinem Wortlaut nicht das Beamtenversorgungsgesetz insgesamt für anwendbar, sondern verweist auf die Grundsätze, nach denen sich die Versorgung der schleswig-holsteinischen Beamten bestimmt. Für die Anwendung dieser Grundsätze enthält die DV Nr. 1 eigenständige, von den Bestimmungen des Beamtenversorgungsrechts abweichende Festlegungen, etwa zum Zahlungszeitpunkt des Versorgungszuschusses (§ 2 DV Nr. 1), zu dem versorgungsfähigen Gehalt und dazu, welche Vergütungsbestandteile hierzu zählen (§ 5 DV Nr. 1), zur Berücksichtigung von Vordienstzeiten (§ 6 DV Nr. 1) und zur Anrechnung von Renten auf die Gesamtversorgung (§ 7 DV Nr. 1). Es sollen daher nicht sämtliche Bestimmungen des Beamtenversorgungsgesetzes für den Versorgungszuschuss maßgeblich sein; vielmehr soll sich die Versorgung der unter die DV Nr. 1 fallenden Beschäftigten unter Berücksichtigung der in der DV Nr. 1 getroffenen Vorgaben an den grundlegenden Prinzipien orientieren, nach denen sich die Versorgung der Beamten richtet.
Es gehört seit jeher zu den grundlegenden Prinzipien des Beamtenrechts, dass sich die Versorgung nach der dem zuletzt wahrgenommenen Amt entsprechenden Besoldungsgruppe sowie der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit berechnet (vgl. § 4 Abs. 3 BeamtVG; ebenso: § 4 Abs. 3 SHBeamtVG) und ein bestimmter Versorgungsgrad (vgl. § 14 BeamtVG ggf. iVm. § 85 BeamtVG; ebenso: § 16 SHBeamtVG) sichergestellt wird. Eine Versorgung erfolgt nach den Grundsätzen des Beamtenversorgungsrechts und ist deshalb beamtenmäßig, wenn es sich um eine an der zuletzt bezogenen Vergütung und der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit orientierte Versorgung mit einem dem Beamtenversorgungsrecht entsprechenden Versorgungsgrad handelt3. Hiervon geht auch die DV Nr. 1 aus. Dies ergibt sich aus der Regelung in § 4 Abs. 2 DV Nr. 1, welche die in § 4 Abs. 1 DV Nr. 1 in Bezug genommenen Grundsätze konkretisiert. Danach sind maßgebende Kriterien für die Festsetzung des Versorgungszuschusses die Dienstjahre, das Gehalt und die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und aus der Gruppenversicherung (§ 1 Abs. 1 Buchst. a und b DV Nr. 1). Die Gesamtversorgung soll daher in Abhängigkeit von der zuletzt bezogenen Vergütung und den anrechenbaren Dienstjahren (§ 4 Abs. 3 BeamtVG) festgelegt werden, von der anschließend die nach § 7 DV Nr. 1 anzurechnenden Versorgungsleistungen in Abzug gebracht werden.
Zu diesen beamtenversorgungsrechtlichen Grundprinzipien zählt der Kindererziehungszuschlag nach § 50a BeamtVG (jetzt: § 58 SHBeamtVG) nicht. Er bemisst sich weder nach dem zuletzt bezogenen Gehalt noch nach den anrechenbaren Dienstjahren. Er ist vielmehr ein von diesen Berechnungsfaktoren unabhängiger Teil der Versorgung, der die ggf. geleistete Kindererziehung honoriert.
Sinn und Zweck der Regelung, die Versorgung der Arbeitnehmer der Beklagten der Versorgung der beim Land Schleswig-Holstein ernannten Beamten anzugleichen, gebieten keine andere Auslegung. Die Beklagte will mit der Gewährung einer Gesamtversorgung in Abhängigkeit vom letzten Gehalt, den ruhegehaltsfähigen Dienstjahren und den anrechenbaren Versorgungsbezügen ein bestimmtes Versorgungsniveau sicherstellen, nicht aber die Kindererziehung honorieren. Diese Leistung wird über die gesetzliche Rentenversicherung abgesichert.
In dieser Auslegung verstößt die Regelung entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gegen höherrangiges Recht. Sie bewirkt keine Diskriminierung wegen des Geschlechts. Nach der DV Nr. 1 besteht Anspruch auf eine Versorgung im Alter, auf die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich anzurechnen sind. Der Umstand, dass darin teilweise auch Rentenansprüche für Zeiten der Kindererziehung enthalten sind, führt nicht zu einer unzulässigen Benachteiligung. Dies ist lediglich die Folge der zugesagten Gesamtversorgung unter Anrechnung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. April 2014 – 3 AZR 83/12