Änderungen im Waffenrecht

Die Bundesregierung hat jetzt dem aus dem Amoklauf von Winnenden entstandenen Drang nach Aktionismus nachgegeben und möchte eine Reihe von Änderungen in das bestehende Waffengesetz einführen.

Änderungen im Waffenrecht

Da diese „Verbesserung des Waffenrechts“ noch in dieser Legislaturperiode erfolgen soll, hat das Bundeskabinett keinen Gesetzentwurf beschlossen, zu dem vor der Zuleitung an den Deutschen Bundestag der Bundesrat ja noch hätte Stellung nehmen müssen. Vielmehr hat das Bundeskabinett eine vom Bundesminister des Innern vorgelegte „Formulierungshilfe“ für einen Änderungsantrag zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Sprengstoffgesetzes beschlossen, den die Koalitionsfraktionen nun in das bereits laufende Gesetzgebungsgebungsverfahren zum Sprengstoff einbringen sollen. Die Reform des Sprengstoffrechts liegt derzeit bereits bei den Bundestagsausschüssen, denen sie in erster Lesung zugewiesen wurden. Die Koalition umgeht mit dieser „Formulierungshilfe“ für die Bundestagsabgeordneten also sowohl den Bundesrat (zumindest vorläufig) als auch die erste Lesung im Bundestag.

Mit den nun vorgesehenen Änderungen im Waffenrecht soll das Ziel verfolgt werden, insbesondere Jugendlichen den Zugang zu Waffen zu erschweren und sicherzustellen, dass nur der Berechtigte Zugang zu Waffen hat. Tatsächlich sind in der „Formulierungshilfe“ allerdings noch eine Reihe weiterer Verschärfungen versteckt. Die beschlossenen Formulierungshilfe beruht auf Änderungsvorschlägen einer kurzfristig eingerichteten Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die im Rahmen einer Abstimmung mit den Koalitionsfraktionen im Deutschen Bundestag nochmals geändert wurden.

Die Änderungen sollen – damit sie wegen des nahen Endes der laufenden Legislaturperiode nicht der Diskontinuität anheimfallen – noch vor der parlamentarischen Sommerpause vom Gesetzgeber verabschiedet werden.

Im Einzelnen sind folgende Änderungen des Waffenrechts vorgesehen:

Regelüberprüfung des waffenrechtlichen Bedürfnisses

Die Waffenbehörde soll künftig nicht nur wie bisher nach Ablauf von 3 Jahren nach Erteilung der ersten waffenrechtlichen Erlaubnis, sondern auch nach Ablauf dieses Zeitraums das Fortbestehen des waffenrecht-lichen Bedürfnisses von Waffenbesitzern überprüfen können.
Mit der Änderung § 4 Abs. 4 WaffG wird statt der bisher vorgesehenen einmaligen Regelüberprüfung nach drei Jahren zukünftig der Behörde das Ermessen eingeräumt, das Fortbestehen des Bedürfnisses auch fortlaufend prüfen zu können (§ 4 Abs. 4 Satz 3 WaffG neu). Bislang werden bereits die Zuverlässigkeit und die persönliche Eignung der Waffenbesitzer mindestens alle drei Jahre geprüft, zukünftig betrifft diese Regelüberprüfung auch das Bedürfnis zum Besitz der jeweiligen Waffen.

Waffenrechtliches Bedürfnis für Sportschützen

Das bisher gesetzlich unterstellte waffenrechtliche Bedürfnisses für Sportschützen entfällt.

Die Vorschrift des § 8 Abs. 2 WaffG hebt die organisierten Sportschützen und die Inhaber gültiger Jagdscheine als Regelbeispiele eines besonders anzuerkennenden persönlichen Interesses im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 hervor, wobei hierzu Spezialregelungen zu den waffenrechtlich anzuerkennenden Bedürfnissen dieser Personengruppen in § 13 WaffG (für Jäger) und in  § 14 WaffG (für Sportschützen) bestehen. Die allgemeine Regelung des § 8 Abs. 2 WaffG soll nun ersatzlos gestrichen werden

Nach geltender Rechtslage muss der Sportschütze sein waffenrechtliches Bedürfnis für den Erwerb und Besitz der erlaubnispflichtigen Schusswaffe glaubhaft machen, § 8 Abs. 1 WaffG. Die näheren Einzelheiten regelt die Vorschrift über Sportschützen in § 14 WaffG. Nach § 14 Abs. 2 WaffG muss sich der Sportschütze vor Erwerb der ersten Waffe von seinem Schützenverband (nicht vom eigenen Verein) bescheinigen lassen, dass er mindestens zwölf Monate im Verein mit scharfen Waffen trainiert hat und die Waffe für eine bestimmte anerkannte Schießsportdisziplin, wie sie in einer anerkannten Sportordnung beschrieben ist, benötigt.

§ 14 Abs. 3 Satz 1 WaffG billigt Sportschützen als Grundausstattung zur Ausübung des Schießsports drei halbautomatische Langwaffen und zwei mehrschüssige Kurzwaffen zu. Will der Schütze dieses Kontingent überschreiten, muss er dies gegenüber seinem Verband begründen und das gesteigerte schießsportliche Bedürfnis darlegen. Zukünftig wird ein Waffenerwerb über dieses im Gesetz vorgesehene Grundkontingent hinaus erschwert, indem  § 14 Abs. 3 WaffG um eine Formulierung ergänzt wird, die eine Überschreitung des Grundkontingents nur zulässt, wenn der Schütze seine regelmäßige Wettkampfteilnahme auch oberhalb der örtlichen Vereinsebene zumindest auf der untersten Bezirksebene nachweist.

Altersgrenze für Sportschützen

Die Altersgrenze für das Schießen mit sog. großkalibrigen Waffen im Schießsportverein wird von 14 Jahren (mit Schießstandaufsicht und Einverständnis der Sorgeberechtigten) auf 18 Jahre angehoben.

Durch die Änderung des § 27 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 WaffG soll zukünftig Jugendlichen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, das Schießen mit großkalibrigen Waffen nicht mehr möglich sein. Damit soll erreicht werden, dass dieser Altersgruppe der Umgang mit großkalibrigen Waffen vollständig verwehrt bleibt.

Das Schießen für Minderjährige bleibt zukünftig grundsätzlich auf Kleinkaliberwaffen beschränkt.  Ausnahmen bestehen zukünftig nur  für Einzellader-Flinten, wie sie für die Trap- und Skeet-Disziplinen (Schießens auf Wurfscheiben) Verwendung finden.

Kontrolle der Aufbewahrung

Die Kontrolle der sicheren Aufbewahrung von Waffen und Munition in Räumlichkeiten der Waffenbesitzer wird ausgeweitet. Dies gilt insbesondere für sogenannte „verdachtsunabhängige Kontrollen“.

Nach der geltenden Rechtslage in § 36 Absatz 3 WaffG hat derjenige, der Schusswaffen, Munition oder „verbotene Waffen“ mit behördlicher Genehmigung besitzt, der zuständigen Behörde die zur sicheren Aufbewahrung getroffenen Maßnahmen auf Verlangen nachzuweisen. Bestehen begründete Zweifel an einer sicheren Aufbewahrung, kann die Behörde vom Besitzer verlangen, dass dieser ihr zur Überprüfung der sicheren Aufbewahrung Zutritt zum Ort der Aufbewahrung gewährt. Wohnräume dürfen bisher gegen den Willen des Inhabers nur zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit betreten werden; das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt.

Die geltende Rechtslage umfasst damit keine verdachtsunabhängigen Kontrollen der Aufbewahrung. Erst bei begründeten Zweifeln, also zusätzlichen Anhaltspunkten, kann die Behörde vom Besitzer verlangen, dass dieser ihr zur Überprüfung der sicheren Aufbewahrung Zutritt zum Ort der Aufbewahrung gewährt. Eine zusätzliche Hürde sieht § 36 Absatz 3 beim Betreten des Wohnraums vor, der eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit voraussetzt.

Die politische Hysterie nach den Ereignissen von Winnenden, insbesondere nach der Frage, wie der Täter an die Waffe gelangt ist, hat die Forderung nach verdachtsunabhängigen Kontrollen hervorgerufen, die nun ausdrücklich in das Waffenrecht verankert werden soll.

Durch die Änderung des § 36 Absatz 3 Satz 1 WaffG wird klargestellt, dass die Maßnahmen zur sicheren Aufbewahrung auch bereits bei Antragstellung für eine Besitzerlaubnis nachgewiesen werden müssen. Aus der „Holschuld“ der Behörde wird eine „Bringschuld“ des Waffenbesitzers bzw. Antragsstellers, da die Nachweispflicht nun unabhängig von einem behördlichen Verlangen besteht. Diese Verpflichtung zur Nachweisführung gilt allerdings nicht für die Besitzer, die der Behörde bis zu dem Tag des Inkrafttretens des Gesetzes bereits den Nachweis über die sichere Aufbewahrung erbracht haben.

Durch die Neufassung des § 36 Absatz 3 Satzes 2 WaffG wird der Behörde darüber hinaus die Möglichkeit eingeräumt, verdachtsunabhängig die sorgfältige Aufbewahrung von erlaubnispflichtigen Schusswaffen, Munition oder verbotenen Waffen überprüfen zu können.

Durch die Übernahme von § 36 Absatz Satz 3 WaffG der geltenden Fassung wird klargestellt, dass Wohnräume gegen den Willen nur zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit betreten werden dürfen. Eine andere Frage ist natürlich, welche Schlussfolgerungen die Waffenbehörde aus einem verweigerten Zutritt ziehen darf.

Neue Aufbewahrungsanforderungen und biometrische Sicherung

Das Bundesinnenministerium soll eine Verordnungsermächtigung erhalten zur Aufstellung neuer Anforderungen an die Aufbewahrung von Waffen und Munition, also zur Einführung zusätzlicher Sicherungssysteme. Dabei soll in der Verordnung unter anderem auch die biometrische Sicherung sowohl von Waffenschränken als auch von bestimmten Schusswaffen geregelt werden können.

Nach geltender Rechtslage hat der Besitzer von Waffen oder Munition die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass diese Gegenstände abhanden kommen oder Dritte sie unbefugt an sich nehmen, § 36 WaffG und §§ 13, 14 AWaffV.

Standardmäßig sind diese Sicherheitsbehältnisse derzeit mit Doppelbartschlössern oder mit mechanischen oder elektronischen Zahlenschlössern ausgestattet. Durch die geänderte Verordnungsermächtigung in § 36 Absatz 5 WaffG wird dem Verordnungsgeber ermöglicht,

  • Anforderungen an die technische Sicherungssysteme zur Verhinderung einer unberechtigten Wegnahme oder Nutzung von Schusswaffen,
  • die Nachrüstung oder den Austausch vorhandener Sicherungssysteme bei Waffenschränken sowie
  • die Sicherung der Schusswaffe mit mechanischen, elektronischen oder biometrischen Sicherungssystemen

in einer Rechtsverordnung zu regeln. Die von der „Formulierungshilfe“ vorgesehene Formulierung ermöglicht es dem Verordnungsgeber, diese Sicherungssysteme  nicht nur für Sicherheitsbehältnisse  sondern auch für großkalibrige Schusswaffen vorzuschreiben.

Nationales Waffenregister

Die „Formulierungshilfe“ sieht die Einführung eines elektronisch geführten nationalen Waffenregisters vor.

Durch Änderung der EU-Waffenrechtlinie 2008/51/EG vom 21. Mai 2008 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, ein computergestütztes Waffenregister einzuführen und darin mindestens für 20 Jahre alle Schusswaffen mit folgenden Daten zu erfassen: Typ, Modell, Fabrikat, Kaliber, Seriennummer, Name und Anschrift des Verkäufers und des Waffenbesitzers.

Derzeit werden die Waffenregister bei den Waffenerlaubnisbehörden in den Ländern geführt, die nicht miteinander vernetzt sind. Gesetzlich geregelt wird dieses Register, das bis Ende des Jahres 2012 – und damit zwei Jahre vor Ablauf der in der EU-Waffenrichtlinie vorgegebenen Frist – aufzubauen ist, in dem neu geschaffenen § 43 a WaffG.

Pflichten der Meldebehörden

Die Meldebehörden müssen den Waffenbehörden neben Namensänderung, Wegzug oder Tod zukünftig auch den Zuzug von Waffenbesitzern melden.

Mit dieser Neuregelung sollen insbesondere mögliche Fehler der Behörden kompensiert werden.

Gegenwärtig erhalten die Waffenbehörden vom Zuzug des Inhabers einer waffenrechtlichen Erlaubnis dann Kenntnis, wenn die Übersendung der Papierakte erfolgt. Dies setzt voraus, dass sich der Bürger an seinem neuen Wohnort anmeldet, die Zuzugsmeldebehörde den Datensatz von der Fortzugsmeldebehörde abruft, letztere auf Grund des Wegzugs die Waffenbehörde am früheren Wohnort nach § 44 Abs. 2 WaffG informiert, welche dann die Akte auf dem Postwege an die nunmehr zuständige Waffenbehörde übersendet. Dieser Vorgang kann einige Zeit in Anspruch nehmen und ist zudem fehleranfällig. Bevor nicht alle beschriebenen Maßnahmen umgesetzt sind, hat die Meldebehörde der Zugangsgemeinde Kenntnis von der waffenrechtlichen Erlaubnis, nicht aber die zuständige Waffenbehörde. Die Ergänzung in § 44 Absatz 2 WaffG dient der Schließung einer Regelungslücke und der Schaffung einer normenklaren Rechtslage für die Übermittlungsbefugnis der Meldebehörden. Durch die Ergänzung wird nunmehr sichergestellt, dass die Waffenbehörde bereits im Zeitpunkt der Anmeldung von der Meldebehörde informiert wird, dass ein Inhaber einer waffenrechtlicher Erlaubnis zugezogen ist – und das auch dann, wenn die Meldebehörde der Wegzuggemeinde eine Meldung versehentlich unterläßt.

Vernichtung eingezogener Waffen

Die Möglichkeit der Behörden wird legalisiert, eingezogene Waffen zu vernichten.

Durch Änderung in § 46 Absatz 5 Satz 1 WaffG wird den Waffenbehörden die Möglichkeit eingeräumt, auf den Verkauf von eingezogenen Waffen verzichten zu können. Hierdurch soll insbesondere verhindert werden, dass durch eine Vernichtung eine Entschädigungspflicht im Hinblick auf Artikel 14 Absatz 1 Satz 1 GG ausgelöst wird.

Neue Strafvorschriften

Nach geltender Rechtslage ist ein Verstoß gegen die Aufbewahrungsvorschriften bereits bußgeldbewehrt. Mit der Einführung des neuen § 52 a WaffG und der damit einhergehenden Strafbewehrung stellt die  vorschriftswidrigen Aufbewahrung von Schusswaffen und Munition eine Straftat dar, wenn dadurch Gefahr besteht, dass Schusswaffe oder Munition abhanden kommen. Ein tatsächliches Abhandenkommen ist dafür nicht erforderlich, eine konkrete Gefahr reicht.

Befristete Amnestie

Es wird eine befristete Amnestieregelung eingeführt, nach der Besitzer illegaler Waffen diese bis Ende 2009 straffrei abgeben können, sofern damit keine Straftat begangen wurde.

Im Zusammenhang mit der Waffenrechtsneuregelung 2002/2003 gab es bereits einmal eine befristete Amnestieregelung. Obwohl diese spätestens Ende 2003 gegenstandslos geworden ist, wurde sie bisher formell nicht aufgehoben. Durch die Änderung in § 58 Absatz 8 WaffG werden die Zeitangaben in Satz 1 angepasst, die Amnestie lebt also – zeitlich befristet auf fünf Monate – erneut auf.

Damit soll das angestrebte Ziel gefördert werden, illegalen Waffenbesitzern umfassend die Entledigung durch mehrere Möglichkeiten zu erleichtern. Durch eine neu eingeführte Differenzierung werden jedoch nicht alle verbotenen Verhaltensweisen bei der Abgabe der Waffe innerhalb des Amnestiezeitraums von fünf Monaten von der Strafverfolgung freigestellt:

Die Straffreistellung erstreckt sich nicht auf das Führen von Waffen.

Des Weiteren kommt kein Ausschluss der Straffreiheit in Betracht, wenn dem Täter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen waffenrechtlicher Verstöße bekannt gegeben worden ist oder die Tat im Zeitpunkt der Abgabe der Waffe bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste.