Beschwerdeanträge genügen den gesetzlichen Anforderungen, wenn die innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Beschwerdeführers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig erhellen, in welchem Umfang und mit welchem Ziel die erstinstanzliche Entscheidung angefochten werden soll1.
In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall streiten die beteiligten Eheleute im Rahmen eines Scheidungsverbunds im Rechtsbeschwerdeverfahren noch um Zugewinnausgleichsansprüche des Ehemanns. Sie schlossen im Jahr 1996 durch formlose Erklärung der Brautleute ohne Beteiligung staatlicher oder religiöser Stellen in Ägypten eine sogenannte Orfioder Urfi-Ehe und am 10.06.1998 vor einem Notar in Alexandria/Ägypten offiziell die Ehe und einen Ehevertrag. Damals besaß der Ehemann die ägyptische Staatsangehörigkeit, während die Ehefrau deutsche Staatsangehörige ist. Seit der offiziellen Eheschließung leben sie in Deutschland. Der Scheidungsantrag ist dem Ehemann, der zwischenzeitlich die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat, am 16.06.2017 zugestellt worden. Der Ehemann hat im Scheidungsverbund den Zugewinnausgleich im Wege eines Stufenantrags geltend gemacht. Das Amtsgericht hat die Ehefrau durch Teilbeschluss rechtskräftig2 zur Auskunftserteilung verpflichtet. Nachdem sie Auskunft erteilt hat, hat der Ehemann seinen Antrag nicht beziffert, sondern angeregt, das Amtsgericht möge vorab entscheiden, ob der Zugewinnausgleich grundsätzlich nach deutschem Recht durchzuführen ist. Dem hat sich die Ehefrau mit einem gegenläufigen Zwischenfeststellungsantrag angeschlossen.
Mit Beschluss vom 29.09.2022 hat das Amtsgericht Rottweil die Ehe geschieden und den Zugewinnausgleichsantrag des Ehemanns zurückgewiesen, weil die Beteiligten im Ehevertrag eine Rechtswahl zugunsten des „islamischen Rechts“ getroffen hätten3. Die gegen den Ausspruch zum Zugewinnausgleich gerichtete Beschwerde des Ehemanns hat das Oberlandesgericht Stuttgart als unzulässig verworfen4. Auf die Rechtsbeschwerde des Ehemanns hat der Bundesgerichtshof die Beschwerdeentscheidung hinsichtlich des güterrechtlichen Ausspruchs aufgehoben und das Verfahren an das Oberlandesgericht Stuttgart zurückverwiesen:
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG iVm §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Das Beschwerdegericht hat durch seine Entscheidung das Verfahrensgrundrecht des Ehemanns auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, welches es den Gerichten verbietet, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren5.
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Beschwerde sei unzulässig, weil der Ehemann keinen bestimmten Sachantrag gestellt habe. Vor dem Amtsgericht habe er auch nach Auskunftserteilung seitens der Ehefrau den Zugewinnausgleichsanspruch nicht beziffert. Daher sei aus dem Beschwerdeantrag „Zugewinnausgleich wie beantragt“ nicht ersichtlich, in welcher Höhe im Beschwerdeverfahren Zugewinnausgleich geltend gemacht werden solle. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass der Ehemann im Beschwerdeverfahren (nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist) zudem hinsichtlich des Zugewinnausgleichs Aufhebung und Zurückverweisung beantragt habe. Zwar sei ein solcher Antrag nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dahin zu verstehen, dass der Rechtsmittelführer die Aufhebung und Zurückverweisung nicht um ihrer selbst willen erstrebe, sondern um seinen Sachantrag aus der ersten Instanz weiterzuverfolgen. Dies könne allerdings vorliegend nicht zur Zulässigkeit seiner Beschwerde führen, da der Ehemann in erster Instanz keinen (bezifferten) Sachantrag gestellt habe, den er weiterverfolgen könnte.
Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung kann die Zulässigkeit der Beschwerde nicht verneint werden, weil der Beschwerdeantrag entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts den gesetzlichen Anforderungen zur Begründung der Beschwerde gerecht wird.
Nach § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat der Beschwerdeführer in Ehesachen und Familienstreitsachen zur Begründung seiner Beschwerde einen bestimmten Sachantrag zu stellen und diesen zu begründen. Diese Vorschrift beruht auf der Erwägung, dass in den weitgehend nach zivilprozessualen Verfahrensregeln geführten Ehe- und Familienstreitsachen keine vollständige Überprüfung der Entscheidung von Amts wegen stattfindet. Der Umfang der Anfechtung richtet sich vielmehr – als Ausfluss der Parteimaxime in der zweiten Instanz – nach dem Sachantrag des Beschwerdeführers, über den das Beschwerdegericht nicht hinausgehen darf (vgl. § 117 Abs. 2 Satz 1 FamFG iVm § 528 ZPO). Ob ein Sachantrag hinreichend bestimmt ist, beurteilt sich nach den allgemeinen, zu § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO entwickelten Grundsätzen des Zivilprozessrechts6.
Zweck des § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist es, den Beschwerdeführer im Interesse der Beschleunigung des Beschwerdeverfahrens dazu anzuhalten, sich eindeutig über Umfang und Ziel seines Rechtsmittels zu erklären und das Beschwerdegericht und den Verfahrensgegner über Umfang und Inhalt seiner Angriffe möglichst schnell und zuverlässig ins Bild zu setzen. Die Vorschrift verlangt keine besondere Formalisierung der Antragstellung. Es genügt vielmehr, wenn die innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Beschwerdeführers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig erhellen, in welchem Umfang und mit welchem Ziel die erstinstanzliche Entscheidung angefochten werden soll.
Eine Schlüssigkeit der gegebenen Begründung ist dagegen nicht erforderlich7. Dabei kann ein unbezifferter Antrag grundsätzlich auch in der Beschwerdeinstanz gestellt werden8.
Gemessen hieran genügt der Beschwerdeantrag des Ehemanns im hier entschiedenen Fall den Erfordernissen des § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG.
Der Ehemann hat die Beschwerde in vollem Umfang eingelegt und beantragt, die Entscheidung des Amtsgerichts zum Zugewinnausgleich aufzuheben und den Zugewinnausgleich, wie beantragt, durchzuführen. Auch aus seiner Beschwerdebegründung ergibt sich keine ausdrückliche Beschränkung des Rechtsmittels. Mangels einer ausdrücklich erklärten Beschränkung der Beschwerde ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Beschwerdeführer seinen erstinstanzlichen Antrag in der Rechtsmittelinstanz weiterverfolgt. Dies wird vorliegend auch dadurch bestätigt, dass der Ehemann auf den der angefochtenen Entscheidung vorausgehenden Hinweis des Beschwerdegerichts bemängelt hat, das Amtsgericht habe über die grundsätzliche Verpflichtung zur Durchführung des Zugewinnausgleichs entschieden, obwohl er bislang noch keinen bezifferten Antrag gestellt habe, weswegen die Entscheidung aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen sei. Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die Zurückverweisung der Sache nicht um ihrer selbst willen erstrebt, sondern deshalb, um die Sachanträge aus der ersten Instanz weiter zu verfolgen9.
Ob der in erster Instanz gestellte Stufenantrag zum Zugewinnausgleich zulässig ist, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Beschwerde.
Die angefochtene Entscheidung kann danach keinen Bestand haben. Der Bundesgerichtshof kann mangels der erforderlichen Feststellungen nicht selbst abschließend in der Sache entscheiden.
Für das weitere Verfahren weist der Bundesgerichtshof auf Folgendes hin: Die prozessuale Selbständigkeit der im Wege des Stufenantrags geltend gemachten Ansprüche bedingt, dass über jeden in der vorgegebenen Reihenfolge aufgrund gesonderter Antragstellung durch Teil- oder Schluss, Beschluss zu befinden ist, weil der frühere Teilbeschluss für die spätere Entscheidung vorgreiflich ist. Nach rechtskräftigem Erlass eines Auskunftsbeschlusses kann das Verfahren nur auf Antrag eines Beteiligten fortgesetzt werden10. Bislang haben die Tatgerichte keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Ehefrau ihre Auskunftsverpflichtung erfüllt hat. Nur dann aber wäre der Ehemann zu einer Bezifferung seines Antrags verpflichtet und die Ehefrau könnte das Verfahren mit einem Antrag auf Abweisung des Stufenantrags insgesamt fortsetzen11. Für das Beschwerdegericht besteht die Möglichkeit, die Sache gemäß § 117 Abs. 2 Satz 1 FamFG iVm § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14. August 2024 – XII ZB 386/23
- im Anschluss an BGH, Beschluss vom 08.02.2023 – XII ZB 351/21 , FamRZ 2023, 877[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 23.09.2020 – XII ZB 490/18 , FamRZ 2021, 117[↩]
- AG Rottweil, Beschluss vom 29.09.2022 – 4 F 199/17[↩]
- OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.07.2023 – 17 UF 220/22[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 03.07.2019 – XII ZB 116/19 , FamRZ 2019, 1442 Rn. 5 mwN; und vom 11.01.2023 – XII ZB 538/21 , FamRZ 2023, 711 Rn. 5 mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 08.02.2023 – XII ZB 351/21 , FamRZ 2023, 877 Rn. 9 mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 08.02.2023 – XII ZB 351/21 , FamRZ 2023, 877 Rn. 10 mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 19.11.2014 – XII ZB 522/14 , FamRZ 2015, 247 Rn. 9 f. mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 08.02.2023 – XII ZB 351/21 , FamRZ 2023, 877 Rn. 12 mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 19.11.2014 – XII ZB 522/14 , FamRZ 2015, 247 Rn. 13 mwN[↩]
- vgl. OLG Stuttgart NJW 2012, 2289 f.; Stein/Jonas/Roth ZPO 23. Aufl. § 254 Rn. 21; MünchKommZPO/Becker-Eberhard 6. Aufl. § 254 Rn. 23[↩]