Aufwendungen des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung auf Grund eines (rechtswidrig durchgeführten) Quasi-Splittings von privatrechtlichen Versorgungsansprüchen nach beamtenrechtlichen Grundsätzen sind nach § 225 Abs. 1 Satz 1 SGB VI zu erstatten1.
Gemäß § 225 Abs. 1 Satz 1 SGB VI werden die Aufwendungen des Trägers der Rentenversicherung aufgrund von Rentenanwartschaften, die durch Entscheidung des Familiengerichts begründet worden sind, von dem zuständigen Träger der Versorgungslast erstattet. Aufgrund dieser Vorschrift kann die (hier zahlende) Rentenversicherungsträgerin ihre auf Grundlage des Versorgungsausgleichs erbrachten Leistungen von dem zuständigen Rentenversicherungsträger erstattet verlangen, sofern die übrigen Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch nach § 225 Abs. 1 Satz 1 SGB VI -wie hier- erfüllt sind:
Durch die rechtskräftige Entscheidung über den Versorgungsausgleich wurden Rentenanwartschaften der Ehefrau bei der Klägerin in Höhe von monatlich 166, 40 DM begründet, aus denen die Ehefrau Leistungen bezieht. Die Wirksamkeit der Begründung dieses Rentenanspruchs wird nicht dadurch infrage gestellt, dass das Anrecht des Ehemanns bei dem zuständigen Träger (hier: einem eingetragenen Verein) nicht durch Quasi-Splitting gemäß § 1587 b Abs. 2 BGB hätte ausgeglichen werden dürfen2. Die rechtskräftig gewordene, rechtsgestaltend wirkende Entscheidung über den Versorgungsausgleich geht im konkreten Einzelfall der materiellen Rechtslage vor, bindet die Parteien ungeachtet ihrer Rechtsfehlerhaftigkeit bis zu einer Aufhebung oder Abänderung und ist daher dem Ausgleichsverfahren gemäß § 225 Abs. 1 Satz 1 SGB VI zugrunde zu legen3.
Der Erstattungsanspruch aus § 225 Abs. 1 Satz 1 SGB VI richtet sich gegen den zuständigen Träger der Versorgungslast des ausgeglichenen Anrechts, da er die zugesagte Versorgung im Leistungsfall zu erbringen hatte4.
Rechtlich umstritten ist allerdings, ob § 225 Abs. 1 Satz 1 SGB VI seiner Natur nach nur Ansprüche gegen öffentlich-rechtliche oder ausnahmsweise auch gegen privatrechtliche Versorgungsträger – hier einen eingetragenen Verein – begründen kann.
Teilweise wird angenommen, der Anwendungsbereich des § 225 Abs. 1 Satz 1 SGB VI sei auf den Ausgleich von Versorgungsansprüchen gegen öffentlich-rechtliche Versorgungsträger beschränkt5.
Demgegenüber erstreckt eine Gegenauffassung den Anwendungsbereich des § 225 Abs. 1 Satz 1 SGB VI generell auch auf Fälle, in denen ein Anrecht gesetzeswidrig im Wege des Quasi-Splittings ausgeglichen wurde. Träger der Versorgungslast im Sinne des § 225 Abs. 1 Satz 1 SGB VI sei jeweils der Leistungspflichtige des aufgrund der Entscheidung über den Versorgungsausgleich ausgeglichenen Anrechts. Dazu gehörten nicht nur Versorgungsträger im eigentlichen Sinne, sondern auch sonstige Leistungsträger, wenn die bei ihnen bestehenden Anrechte – gesetzeswidrig – zum Quasi-Splitting herangezogen worden seien, wie etwa eine Berufsgenossenschaft im Hinblick auf eine im Versorgungsausgleich ausgeglichene Verletztenrente6. In gleicher Weise seien im Ausnahmefall auch private Versorgungsträger zur Erstattung von Leistungen nach § 225 Abs. 1 Satz 1 SGB VI verpflichtet, wenn bei diesen bestehende Anrechte zum Quasi-Splitting gesetzeswidrig herangezogen worden seien7.
Die letztgenannte Auffassung ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs zutreffend. Für sie sprechen Wortlaut und Zweck der Vorschrift.
Dem Wortlaut des § 225 Abs. 1 Satz 1 SGB VI lässt sich eine Einschränkung auf öffentlich-rechtliche Versorgungsträger nicht entnehmen. Der in der Gesetzesüberschrift ebenso wie im Gesetzestext verwendete Begriff „Träger der Versorgungslast“ erfasst begrifflich alle denkbaren Versorgungsträger und weist ihnen die Schuldnerstellung zu8. Darunter können auch privatrechtliche juristische Personen fallen, die eine Versorgungszusage übernommen haben9.
Ebenso spricht der Regelungszweck des § 225 Abs. 1 Satz 1 SGB VI für eine Anwendung auch auf privatrechtliche Versorgungsträger. Die Vorschrift soll dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, der die Leistungen an den ausgleichsberechtigten Ehegatten erbringt, einen Ausgleich für diejenigen Aufwendungen aufgrund von Rentenanwartschaften verschaffen, die durch eine Entscheidung des Familiengerichts im Rahmen des Versorgungsausgleichs begründet worden sind und somit nicht auf selbst erworbenen Versicherungszeiten beruhen. Sie wahrt damit das Prinzip der Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs für den Versorgungsträger der ausgleichsberechtigten Person als Spiegelbild der Begründung von Rentenanwartschaften. Hiermit soll gewährleistet sein, dass der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung immer dann und insoweit Erstattung begehren kann, als seine Aufwendungen gegenüber dem Ausgleichsberechtigten gerade auf Anwartschaften beruhen, die durch eine familiengerichtliche Entscheidung über den Versorgungsausgleich erst begründet worden sind10.
Im Hinblick auf diesen Regelungszweck ist es unerheblich, ob der in Anspruch genommene Rechtsträger als juristische Person des öffentlichen oder des privaten Rechts organisiert ist. Die nach § 225 Abs. 1 Satz 1 SGB VI zu erstattenden „Aufwendungen (…) aufgrund von Rentenanwartschaften, die durch Entscheidung des Familiengerichts begründet worden sind“ entstehen unabhängig von der Rechtsform des Versorgungsträgers des ausgleichspflichtigen Ehegatten. Der im Vordergrund stehende Schutzzweck der Kostenneutralität des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung wird allein dann konsequent verwirklicht, wenn der Erstattungsanspruch nur die Begründung von Anrechten durch familiengerichtliche Entscheidung zum Anknüpfungspunkt hat und nicht die Rechtsform des Trägers des auszugleichenden Anrechts.
Auch aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ergibt sich keine Zielsetzung dahingehend, dass § 225 Abs. 1 Satz 1 SGB VI nur auf öffentlichrechtliche Versorgungsträger anzuwenden sei.
Zwar war das Quasi-Splitting nach § 1587 b Abs. 2 BGB ausdrücklich nur bei Anrechten „gegenüber einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts, einem ihrer Verbände einschließlich der Spitzenverbände oder einer ihrer Arbeitsgemeinschaften“ eröffnet. Der Gesetzgeber hat das Quasi-Splitting gemäß § 1587 b Abs. 2 BGB seinerzeit bewusst auf öffentlich-rechtliche Versorgungsträger beschränkt, weil er aufgrund deren weitgehender Insolvenzunfähigkeit und der überschaubaren Anzahl dieser Rentenversicherungsträger annahm, dass das Erstattungsverfahren mit vertretbarem Verwaltungsaufwand und ohne wirtschaftliches Risiko durchgeführt und somit der Anspruch des Rentenversicherungsträgers dauerhaft erfüllt werden könne11.
Auf die so in den Blick genommenen Versorgungsträger ist aber der Erstattungsanspruch nicht beschränkt. Schon die Vorgängervorschriften der § 83 b Abs. 2 Satz 2 AVG und § 1304 b Abs. 2 Satz 2 RVO, die im Zeitpunkt der ergangenen Entscheidung über den Versorgungsausgleich galten, knüpften offen formuliert an Aufwendungen an, die „dem Versicherungsträger auf Grund der nach § 1587 b Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs begründeten Rentenanwartschaften entstehen“. Die Erstattungsvoraussetzung war unabhängig von der Rechtsform des Versorgungsträgers erfüllt, sobald Anrechte im Wege des QuasiSplittings nach § 1587 b Abs. 2 BGB begründet wurden, sei es auch durch fehlerhafte Anwendung dieser Vorschrift. Beschränkt war also von Beginn an nicht die Erstattung der Leistung des Zielversorgungsträgers an die ausgleichsberechtigte Person durch den Versorgungsträger der ausgleichspflichtigen Person, sondern lediglich der Ausgleich im Wege des Quasi-Splittings als solcher.
Zwar wurde die früher noch im Gesetz enthaltene Bezugnahme auf § 1587 b Abs. 2 BGB nicht in den Wortlaut des § 225 Abs. 1 Satz 1 SGB VI übernommen, doch war hiermit ausdrücklich keine Änderung der Rechtslage bezweckt12. Anhaltspunkte dafür, dass der Kreis der Erstattungsverpflichteten durch die neu gefasste Vorschrift auf öffentlich-rechtliche Versorgungsträger beschränkt werden sollte, bestehen nicht. Denn auch in Bezug auf sonstige Versorgungsträger besteht das Bedürfnis der Wahrung der Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs für den Versorgungsträger der ausgleichsberechtigten Person. Daher kann auch der Leistungsträger eines anderen vom Familiengericht im Wege des Quasi-Splittings als ausgleichsfähig herangezogenen Anrechts in den Anwendungsbereich des § 225 Abs. 1 Satz 1 SGB VI fallen13.
Systematische Widersprüche ergeben sich auch nicht daraus, dass sich alle übrigen im Unterabschnitt „Erstattungen“ (§§ 223 ff. SGB VI) geregelten Ansprüche ausschließlich gegen öffentlich-rechtliche Versorgungsträger richten14. Denn Anknüpfungspunkt der in dem Unterabschnitt geregelten Erstattungsansprüche sind jeweils die fremd veranlassten Aufwendungen des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung und ist nicht die Rechtsform des Erstattungspflichtigen.
Der Anspruch wird auch nicht dadurch infrage gestellt, dass die Klägerin etwa nicht schutzwürdig sei, weil sie bereits als Beteiligte am Versorgungsausgleichsverfahren auf eine zutreffende Entscheidung habe hinwirken können15. Denn die gleiche Möglichkeit bestand für den am Versorgungsausgleichsverfahren ebenfalls beteiligten zuständigen Versorgungsträger16.
Nach dem durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts geprägten Verständnis von § 225 Abs. 1 Satz 1 SGB VI kommt es auch nicht darauf an, ob und unter welchen Voraussetzungen der zuständige Rentenversicherungsträger die Möglichkeit hat, aufgrund der Entscheidung über den Versorgungsausgleich oder seiner Inanspruchnahme nach § 225 Abs. 1 Satz 1 SGB VI seinerseits die Versorgung des Ehemanns zu kürzen.
Zwar stehen § 1587 b Abs. 2 BGB und § 225 Abs. 1 Satz 1 SGB VI in einem Regelungszusammenhang, der neben der Begründung eines Anrechts für die ausgleichsberechtigte Person auch die entsprechende Kürzung des Anrechts der ausgleichspflichtigen Person vorsieht (vgl. § 57 BeamtVG sowie entsprechende landesrechtliche Vorschriften). Weder aus dem Wortlaut des § 225 Abs. 1 Satz 1 SGB VI noch aus dem Zweck einer unselbständigen Hilfs- und Garantiefunktion des Erstattungsverfahrens und dem Prinzip der Kostenneutralität für den Versorgungsträger17 ergibt sich jedoch, dass eine solche Kürzungsmöglichkeit für eine Inanspruchnahme aus § 225 Abs. 1 Satz 1 SGB VI vorausgesetzt wird. Der Träger des ausgeglichenen Anrechts hat vielmehr auch dann die Ansprüche des Rentenversicherungsträgers der ausgleichsberechtigten Person zu erfüllen, wenn er selbst eine Kürzung der Versorgung der ausgleichspflichtigen Person nicht vornehmen kann18. Deshalb hat das Bundessozialgericht auch die Heranziehung einer Berufsgenossenschaft zur Erstattung nach § 225 Abs. 1 Satz 1 SGB VI nicht davon abhängig gemacht, dass im Leistungsverhältnis zu ihrem Unfallversicherten entsprechende Kürzungsmöglichkeiten bestehen19.
Hinsichtlich der Berechnung der gemäß § 225 Abs. 1 Satz 1 SGB VI erstattungsfähigen Aufwendungen ist die leistende Versorgungsträgerin an die rechtskräftige Entscheidung über den Versorgungsausgleich gebunden20.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 5. Mai 2021 – XII ZR 45/20
- Fortführung von BGH, Beschluss vom 17.04.1985 – IVb ZB 796/81 , FamRZ 1985, 794 sowie von BSG Urteil vom 21.03.2018 – B 13 R 17/15 R – SozR 4 – 2600 § 225 Nr. 3[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 17.04.1985 – IVb ZB 796/81 , FamRZ 1985, 794, 795 f.[↩]
- vgl. BSG Urteil vom 21.03.2018 – B 13 R 17/15 R – SozR 4-2600 § 225 Nr. 3 Rn. 18 ff.[↩]
- vgl. Hauck/Noftz/Bachmann Sozialgesetzbuch SGB VI [Stand: 4/19] § 225 Rn.20 und BGHZ 81, 100 = FamRZ 1981, 856, 859 f.[↩]
- LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 22.02.2007 – L 1 RA 23/03 18 ff.; LSG NordrheinWestfalen Urteil vom 19.03.2010 – L 13 R 12/05 21 ff.; OLG Köln Urteil vom 04.07.2019 – 15 U 95/18 18 ff.; Leihkauff in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer Beamtenversorgungsgesetz des Bundes und der Länder [Stand: Dezember 2020] 12.02.3 Rn. 32; Reinhard in Ruland/Dünn Gemeinschaftskommentar SGB VI November 2014 § 225 Rn. 6; Eichenhofer/Wenner/Naumann Kommentar zum Sozialgesetzbuch SGB IV § 225 Rn. 3[↩]
- vgl. BSG Urteil vom 21.03.2018 – B 13 R 17/15 R – SozR 4-2600 § 225 Nr. 3 Rn. 27; Wick ZNotP 2019, 441, 447[↩]
- vgl. Hauck/Noftz/Bachmann Sozialgesetzbuch SGB VI [Stand: 4/19] § 225 Rn. 18 f.; wohl auch Rehbein jurisPR-FamR 11/2019 Anm. 6 und jurisPK-SGB VI/Beckmann 3. Aufl. [Stand: 1.04.2021] § 225 Rn.20[↩]
- vgl. BSG Urteil vom 21.03.2018 – B 13 R 17/15 R – SozR 4-2600 § 225 Nr. 3 Rn. 28[↩]
- vgl. Hauck/Noftz/Bachmann Sozialgesetzbuch SGB VI [Stand: 4/19] § 225 Rn.19[↩]
- vgl. BSG Urteil vom 21.03.2018 – B 13 R 17/15 R – SozR 4-2600 § 225 Nr. 3 Rn. 29 ff.; Hauck/Noftz/Bachmann Sozialgesetzbuch – VI [Stand: 4/19] Rn. 12 mwN[↩]
- vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 17.04.1985 – IVb ZB 796/81 , FamRZ 1985, 794, 795 f. mwN zu § 1587 b Abs. 2 BGB; und vom 19.09.1984 – IVb ZB 921/80 , FamRZ 1985, 56, 58 zu § 1 Abs. 3 VAHRG; BSG Urteil vom 21.03.2018 – B 13 R 17/15 R – SozR 4-2600 § 225 Nr. 3 Rn. 27[↩]
- BT-Drs. 11/4124 S.195 zu § 220 SGB VI-E[↩]
- vgl. BSG Urteil vom 21.03.2018 – B 13 R 17/15 R – SozR 4-2600 § 225 Nr. 3 Rn. 27[↩]
- aA LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 19.03.2010 – L 13 R 12/05 24[↩]
- so aber OLG Köln Urteil vom 04.07.2019 – 15 U 95/18 21; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 19.03.2010 – L 13 R 12/05 28[↩]
- vgl. BSG Urteil vom 21.03.2018 – B 13 R 17/15 R – SozR 4-2600 § 225 Nr. 3 Rn. 32[↩]
- BSG Urteil vom 21.03.2018 – B 13 R 17/15 R SozR 4-2600 § 225 Nr. 3 Rn. 31[↩]
- Hauck/Noftz/Bachmann Sozialgesetzbuch – VI [Stand: 4/19] § 225 Rn. 14; vgl. auch Kümmel Beamtenversorgungsgesetz [Stand: Oktober 2014] § 57 Rn. 18[↩]
- vgl. Borth FamRZ 2018, 1820, 1821[↩]
- vgl. BSG Urteil vom 21.03.2018 – B 13 R 17/15 R – SozR 4-2600 § 225 Nr. 3 Rn. 15 ff.[↩]
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