Kindeswohlgefährdung – und die einstweilige Anordung zum Umgangsausschluss

bei einem mehrjährigen Umgangsausschluss handelt es sich um einen Ausschluss „für längere Zeit“ im Sinne von § 1684 Abs. 4 Satz 2 BGB1, der lediglich bei Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung angeordnet werden darf2.

Kindeswohlgefährdung – und die einstweilige Anordung zum Umgangsausschluss

Ein solcher längerfristiger Umgangsausschluss ist nach § 1696 Abs. 2 BGB zwingend aufzuheben, wenn eine Kindeswohlgefährdung nicht mehr besteht3. Auf die in § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB vorgesehene Änderungsschwelle der „triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründe“4 kommt es nicht an5

Zieht ein Fachgericht in den Fällen eines dauerhaften oder längerfristigen Umgangsausschlusses § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB mit der vorgenannten Änderungsschwelle als Maßstab der Abänderung heran, kann darin eine Verletzung des betroffenen Elternteils in seinem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG liegen, wenn dann die den Ausschluss rechtfertigende Kindeswohlgefährdung weggefallen ist, das Fachgericht aber ungeachtet dessen triftige Gründe mit nachhaltigem Kindeswohlbezug verneint und es bei dem Umgangsausschluss belässt.

Daran dürfte es in dem hier vom Bundesverfassungsgericht – insoweit im Rahmen eines obiter dictums – entschiedenen Fall trotz des Zugriffs des Familiengerichts6 auf einen dem Elterngrundrecht nicht entsprechenden materiell-rechtlichen Maßstab im Fachrecht (§ 1696 Abs. 1 BGB) fehlen. Zum einen hat das Familiengericht nicht nur einen anhand von § 1696 Abs. 1 BGB beurteilten Anordnungsanspruch verneint, sondern – allerdings ohne nähere Begründung – auch das dringende Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden, mithin den Anordnungsgrund. Zum anderen lässt sich auf Grundlage der vom Familiengericht im angegriffenen Beschluss getroffenen Feststellungen nicht erkennen, dass eine Gefährdung des Wohls der Kinder bei Umgangskontakten mit dem Beschwerdeführer mittlerweile entfallen sein könnte. In einem eventuellen Hauptsacheverfahren über die Aufhebung des Umgangsausschlusses (vgl. § 166 Abs. 2 FamFG) wird dem wegen des zwingenden Aufhebungsgrundes aus § 1696 Abs. 2 letzter Halbsatz BGB aber näher nachzugehen sein.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 1. Juli 2024 – 1 BvR 1192/24

  1. zum Zeitmoment vgl. Veit, in: BeckOK BGB, 70. Ed. [1/2023], § 1684 Rn. 183.1 m.w.N.[]
  2. zu den Anforderungen vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.01.2023 – 1 BvR 2345/22, Rn. 10 m.w.N.[]
  3. vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 17.09.2016 – 1 BvR 1547/16, Rn. 38 f.; und vom 28.10.2019 – 1 BvR 2237/19, Rn. 3 jeweils m.w.N.[]
  4. vgl. dazu Volke, in: MünchKommBGB, 9. Aufl.2024, § 1696 Rn. 32 m.w.N.[]
  5. vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.09.2016 – 1 BvR 1547/16, Rn. 38 m.w.N.[]
  6. AG München, Beschluss vom 11.01.2024 – 558 F 14086/23; OLG München, Beschluss vom 08.04.2024 – 2 UF 118/24 e[]