Ein Schüler, der in der Schulpause den an die Schule angrenzenden Stadtpark zum Rauchen aufsucht, steht nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
In dem jetzt vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall hielt sich der volljährige Schüler, der als Gymnasiast bei der beklagten Unfallkasse gesetzlich versichert war, am 18.1.2018 in der Schulpause erlaubterweise zur Erholung mit zwei Mitschülern im schulnahen Stadtpark auf und rauchte Zigaretten. An diesem Tag herrschte Unwetter mit Sturm und Schneefall. Während des Aufenthalts fiel ihm ein Ast auf Kopf und Körper. Dadurch erlitt der Schüler ein schweres Schädel-Hirn-Trauma.
Anders als erstinstanzlich das Sozialgericht Hamburg1 hat das Landessozialgericht Hamburg auf die Berufung der Unfallkasse die Klage auf Feststellung eines Arbeitsunfalls abgewiesen2. Der Aufenthalt im Stadtpark habe nicht unter Versicherungsschutz gestanden, weil er nicht im organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule erfolgt sei. Der Einflussbereich der Schule habe ebenso wie die Aufsichtspflicht und -möglichkeit am Schultor geendet. Anhaltspunkte dafür, dass eine besondere Belastungssituation im Unterricht den Spaziergang im Stadtpark notwendig gemacht haben könnte, um die Schulfähigkeit des Schülers zu erhalten bzw. wiederherzustellen, seien nicht ersichtlich.
Mit seiner Revision rügt der Schüler die Verletzung des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII iVm § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst b SGB VII. Versicherungsschutz als Schüler bestehe während der Schulpause unabhängig davon, ob diese auf dem Schulgelände oder außerhalb des Schulgeländes verbracht werde. Der Stadtpark sei von der Schulleitung als sogenannter erweiterter Schulhof angesehen und als solcher behandelt worden.
Dieser Argumentation ist das Bundessozialgericht nun jedoch nicht gefolgt. Es hat die klageabweisende Entscheidung des Landessozialgerichts Hamburg bestätigt und die Revision des Schülers als unbegründet zurückgewiesen. Zu Recht habe das Landessozialgericht Hamburg die auf Feststellung eines Arbeitsunfalls gerichtete Klage abgewiesen, der Schüler habe keinen Arbeitsunfall als Schüler erlitten als er während der Schulpause im schulnahen Stadtpark von einem herabstürzenden Ast verletzt wurde:
Der Aufenthalt im Park zum Zeitpunkt des Unfalles erfolgte außerhalb des organisatorischen Verantwortungsbereichs der Schule. Der organisatorische Verantwortungsbereich der Schule während der Pausen war bereits im Hinblick auf die räumlichen Verhältnisse auf das Schulgelände beschränkt. Die Gestattung zum Verlassen des Schulgeländes während der Schulpausen war nicht als Lockerung der im Übrigen fortbestehenden Aufsichtspflicht gedacht, sondern bezog sich lediglich auf privatwirtschaftliche Tätigkeiten. Trotz der relativen Enge des Schulhofs war der Aufenthalt außerhalb des Schulgeländes während der Schulpausen nicht zwingend erforderlich und somit kein notwendiger Bestandteil der Unterrichtspausen. Für eine Einvernahme des Stadtparks als erweiterter Schulhof fehlt das hierfür nötige Mindestmaß an schulischer Einflussnahme.
Dahinstehen kann, ob ein Parkaufenthalt während der Schulpausen unter Versicherungsschutz gestanden hätte, wenn dieser aufgrund des Schulbesuches erforderlich wäre, um sich zu erholen. Nichts spricht dafür, dass am Tag des Unfalls eine erforderliche Erholung nicht auch innerhalb des Schulgebäudes möglich gewesen wäre. Soweit der Schüler den Park zum Rauchen aufgesucht hat, weil auf dem Schulgelände ein Rauchverbot galt, führt dies ebenfalls nicht zum Versicherungsschutz. Anders als das Verlassen der Schule zum Zwecke der Beschaffung von erforderlichen Nahrungsmitteln3 steht die Einnahme von Genussmitteln mit dem Schulbesuch in keinem sachlichen Zusammenhang. Versicherungsschutz bestand schließlich auch dann nicht, wenn die Schule einen Hinweis auf fehlenden Versicherungsschutz unterlassen haben sollte. Zwar dürfen durch unklares oder missverständliches Verhalten von Schule und Lehrkräften keine vermeidbaren Schutzlücken zulasten der Schüler entstehen4. Unklarheiten aufgrund zu offener schulischer Vorgaben waren im Falle des Schülers aber bereits durch klare räumliche Grenzen und deren Kontrolle ausgeräumt.
Bundessozialgericht, Urteil vom 28. Juni 2022 – B 2 U 20/20 R
- SG Hamburg, Urteil vom 29.11.2019 – S 40 U 227/18[↩]
- LSG Hamburg, Urteil vom 28.10.2020 – L 2 U 1/20[↩]
- vgl. BSG, Urteil vom 19.05.1983 – 2 RU 44/82[↩]
- vgl. BSG, Urteil vom 23.01.2018 – B 2 U 8/16 R[↩]
Bildnachweis:
- (Landes-)Sozialgericht Hamburg 2012: Matthias v.d. Elbe | CC BY-SA 3.0 Unported