Kommt es während einer Betriebsfahrt zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit einem anderen Verkehrsteilnehmer, weil dieser sich beleidigend verhält, stellen die daraus resultierenden Verletzungen keinen Arbeitsunfall dar.
In dem hier vom Sozialgericht Berlin entschiedenen Fall war der 1978 geborene Arbeitnehmer als Bauleiter tätig. Im Februar 2020 kehrte er von einem beruflichen Termin zurück, als er die Einfahrt zu seinem Betrieb durch den LKW des Zeugen D. zugeparkt sah. Dieser fuhr trotz mehrfacher Aufforderung nicht beiseite. Der Arbeitnehmer musste daraufhin sein Auto stehen lassen und das Betriebsgelände zu Fuß betreten. Als er kurze Zeit später wieder zu seinem Wagen zurückkam, um einen neuen betrieblichen Termin wahrzunehmen, kam es zu einem Wortwechsel, bei dem der Zeuge den Arbeitnehmer als „egoistisches Arschloch“ beschimpfte. Der Arbeitnehmer, der im Begriff gewesen war in sein Auto zu steigen, schlug die Wagentür wieder zu und ging zu dem Zeugen, um „die Sache auszudiskutieren“. Im Verlauf des Streitgesprächs schlug der Zeuge dem Arbeitnehmer ins Gesicht. Der Arbeitnehmer musste daraufhin wegen einer Mittelgesichtsfraktur operiert werden. Die beklagte Unfallversicherung erkannte den Vorfall nicht als Arbeitsunfall an.
Das Sozialgericht Berlin hat die Klage des verletzten Arbeitnehmers nach mündlicher Verhandlung und Vernehmung des am Vorfall beteiligten Zeugen D. abgewiesen. Dies begründete das Gericht im Wesentlichen wie folgt:
Zwar habe sich der Arbeitnehmer auf einem an sich versicherten Betriebsweg befunden, als er vom Betriebsgelände wieder zu seinem Auto ging. Er habe diesen Betriebsweg jedoch wieder verlassen, als er die Wagentür nach den Beleidigungen des Zeugen noch einmal schloss, um die Angelegenheit auszudiskutieren. Darin liege eine Zäsur. Ab diesem Moment habe das Handeln des Arbeitnehmers privaten Zwecken gedient, nämlich dem Zur-Rede-Stellen des Zeugen. Während dieser Unterbrechung des Betriebsweges habe kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung bestanden.
In der obergerichtlichen Rechtsprechung sei anerkannt, dass insbesondere das Zurechtweisen anderer Verkehrsteilnehmer auf dem Weg zur Arbeit oder auf Betriebswegen nicht der betrieblichen Tätigkeit diene und etwaige hieraus resultierende Verletzungen unabhängig vom Verschulden dem privaten Lebensbereich zuzurechnen seien.
Sozialgericht Berlin, Urteil vom 16. Februar 2023 – S 98 U 50/21
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