Rentner, deren Erwerbsminderungsrente bereits vor dem 1. Januar 2019 begann, haben keinen Anspruch auf eine Neuberechnung ihrer Rente nach den inzwischen geltenden, deutlich günstigeren Regelungen. Sie können nicht verlangen, dass bei ihrer Rente Zurechnungszeiten in demselben Umfang berücksichtigt werden, wie das bei den ab 2018 und vor allem bei den ab 2019 neu bewilligten Renten geschieht.
In dem beiden hier vom Bundessozialgericht entschiedenenen Revisionsverfahren erhalten die klagenden Rentner aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen, die einer weiteren Erwerbstätigkeit entgegenstehen, bereits seit 2004 beziehungsweise 2014 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Sie gehören damit zur Gruppe der Bestandsrentner. Nach den in den Jahren 2018 und 2019 in Kraft getretenen gesetzlichen Regelungen kommen die – teilweise erheblichen – Verbesserungen bei der Berechnung der Erwerbsminderungsrenten nur den Neurentnern zugute. Die Kläger forderten eine Gleichbehandlung und deshalb eine Berücksichtigung der verlängerten Zurechnungszeiten auch bei ihren Renten. Der Rentenversicherungsträger dies in beiden Fällen ab.
In den Vorinstanzen haben das Sozialgericht Duisburg1 bzw. das Sozialgericht Schleswig2 die Klagen abgewiesen, das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen3 und das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht4 die Berufungen der Kläger zurückgewiesen. Das Bundessozialgericht hat diese Entscheidungen nun bestätigt und auch die Revisionen der beiden Kläger zurückgewiesen:
Das Bundessozialgericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass die Begrenzung der zum 1. Januar 2018 und 1. Januar 2019 eingeführten Leistungsverbesserungen auf die ab diesen Stichtagen neu hinzukommenden Erwerbsminderungsrentner dem Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes widerspricht.
Bei Anwendung des vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Prüfungsmaßstabs für solche Stichtagsregelungen war ein Verstoß gegen Artikel 3 Absatz 1 GG nicht feststellbar. Die vom Gesetzgeber angeführten Gründe für die Differenzierung zwischen Bestands- und Neurentnern sind sachlich nachvollziehbar und nicht willkürlich. Es entspricht einem Strukturprinzip der gesetzlichen Rentenversicherung, dass Leistungsverbesserungen ebenso wie Leistungskürzungen grundsätzlich nur für neu bewilligte Renten gelten.
Der Gesetzgeber durfte auch auf den erheblichen organisatorischen und finanziellen Mehraufwand bei sofortiger Einbeziehung der Bestandsrentner abstellen. Zudem war zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mittlerweile für die Bestandsrentner einen Zuschlag zu ihrer Erwerbsminderungsrente und ebenso zu einer daran anschließenden Altersrente eingeführt hat, der ihnen ab dem 1. Juli 2024 zustehen wird.
Das Bundessozialgericht hat deshalb davon abgesehen, die Verfahren – wie von den Klägern gefordert – auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesver-fassungsgerichts einzuholen, ob die gesetzliche Regelung verfassungswidrig ist.
Bundessozialgericht, Urteile vom 10. November 2022 – B 5 R 29/21 R und B 5 R 31/21 R
- SozG Duisburg, Urteil vom 22.10.2019 – S 53 R 507/19[↩]
- SozG Schleswig, Urteil vom 27.08.2018 – S 21 R 213/16[↩]
- LSG NRW, Urteil vom 13.03.2020 – L 14 R 883/19[↩]
- Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 21.01.2021 – L 1 R 160/18[↩]
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- Bundessozialgericht: Dirk Felmeden