Künstlersozialabgaben dürfen nicht auf Grundlage einer undifferenzierten Schätzung erhoben werden.
Dieser in einem Eilverfahren ergangenen Entscheidung des Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen vorangegangen war eine Betriebsprüfung der Deutschen Rentenversicherung bei einer kleinen Schokoladenmanufaktur, wonach das Unternehmen als sog. Eigenwerber rund 4.200 € Künstlersozialabgaben nachzahlen sollte. Grundlage der Berechnung war eine pauschale Schätzung der Werbeumsätze.
Die Fabrikanten hielten die Schätzung für realitätsfern. Außerdem bedrohe ein Vollzug der Forderung ihre wirtschaftliche Existenz, zumal sie von den Pandemieauswirkungen geschäftlich stark betroffen seien.
Das Landessozialgericht hat die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet, da durchgreifende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Forderung bestünden:
Die DRV habe schon dem Grunde nach nicht dargelegt, dass die Fabrikanten zur Kreis der sog. Eigenwerber gehörten. Dies seien Unternehmen, die nicht nur gelegentlich Werbeaufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilten. Hierfür sei in Bezug auf wesentliche Teile des Zeitraums nichts ersichtlich. Zudem müsse eine Schätzung eine realistische Grundlage haben sowie in sich schlüssig und nachvollziehbar sein. Die DRV habe jedoch völlig sachwidrig, unabhängig von der Unternehmensausrichtung und größe einen pauschalen Jahreswert von 19.000 € Werbeumsätzen für sämtliche Eigenwerber zugrunde gelegt. Wenn das klagende Unternehmen selbst jedoch nur 50 bis 225 € angäbe, brauche es schon sorgfältig ermittelte Tatsachen für die Betragsberechnung und keinen undifferenzierten Tabellenwert. Denn die DRV trage im Rahmen der Betriebsprüfung uneingeschränkt die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit ihrer Bescheide. Sie räume selbst ein, bei der Schätzung nicht differenziert zu haben. Ihr Hinweis auf dafür maßgebliche „Gründe der Vereinfachung“ bringe zum Ausdruck, dass sich die DRV sehenden Auges über rechtsstaatliche Vorgaben hinweggesetzt habe.
Im vorliegenden Fall war in Anwendung von § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den auf der Grundlage einer Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV von der DRV erlassenen Abgabennachforderungsbescheid anzuordnen. Im Rahmen der gebotenen Abwägung der wechselseitigen Interessen sind im vorliegenden Fall die im Grundsatz vom Gesetzgeber mit der Regelung in § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG als vorzugswürdig eingestuften Interessen der Künstlersozialkasse an der alsbaldigen Durchsetzung ihrer (von der DRV festgesetzten) Abgabenforderungen als nachrangig gegenüber den Interessen der Unternehmerin an einer vorläufigen Verschonung von der Erfüllung der festgesetzten Nachforderung zu werten. Davon unberührt bleibt die Verpflichtung der Unternehmerin, den sich aus ihrer eigenen Meldung zur Künstlersozialkasse vom 31.05.2021 ergebenden Abgabepflichten zu entsprechen, soweit die von der Meldung erfassten Aufträge an selbständige Künstler mehr als nur gelegentlich erteilt worden sind.
Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Abgabenbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, hier der Anfechtungsklage, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Maßgebend ist im Ausgangspunkt, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht1. Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen. Es bestehen durchgreifende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.
Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten (Künstlersozialversicherungsgesetz – KSVG) sind (neben den im Katalog des § 24 Abs. 1 Satz 1 KSVG aufgeführten Unternehmen) zur Künstlersozialabgabe auch Unternehmer (sog. „Eigenwerber“)2 verpflichtet, die für Zwecke ihres eigenen Unternehmens Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit betreiben und dabei nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen. Entsprechendes gilt nach § 24 Abs. 2 Satz 1 KSVG für Unternehmen, die nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen, um deren Werke oder Leistungen für Zwecke ihres Unternehmens zu nutzen, wenn im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielt werden sollen.
Aufträge werden nur gelegentlich an selbständige Künstler oder Publizisten im Sinne von § 24 Absatz 1 Satz 2 oder Absatz 2 Satz 1 KSVG erteilt, wenn (Abs. 3 Satz 1) die Summe der Entgelte nach § 25 aus den in einem Kalenderjahr nach Absatz 1 Satz 2 oder Absatz 2 Satz 1 erteilten Aufträgen 450 Euro nicht übersteigt. Bemessungsgrundlage der Künstlersozialabgabe sind gemäß § 25 Abs. 1 KSVG die Entgelte für künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen, die ein nach § 24 Abs. 1 oder 2 zur Abgabe Verpflichteter im Rahmen der dort aufgeführten Tätigkeiten im Laufe eines Kalenderjahres an selbständige Künstler oder Publizisten zahlt, auch wenn diese selbst nach diesem Gesetz nicht versicherungspflichtig sind. Bemessungsgrundlage sind auch die Entgelte, die ein nicht abgabepflichtiger Dritter für künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen zahlt, die für einen zur Abgabe Verpflichteten erbracht werden. In diese Bemessungsgrundlage sind nur Entgelte einzubeziehen, welche tatsächlich an „selbstständige Künstler“ gezahlt worden sind. Damit erfasst sind nur natürliche Personen als Einzelpersonen oder als Mitglieder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Sind die Unteraufträge hingegen an eine GmbH oder sonstige juristische Person, an eine OHG oder eine KG ergangen, fehlt es an der Leistungserbringung durch einen „selbstständigen Künstler“ und damit auch an einer Zahlung an eine solche Person3. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 KSVG hat der zur Abgabe Verpflichtete nach Ablauf eines Kalenderjahres, spätestens bis zum 31.03.des Folgejahres, der Künstlersozialkasse die Summe der sich nach § 25 KSVG ergebenden Beträge zu melden. Soweit (Satz 3) der zur Abgabe Verpflichtete trotz Aufforderung die Meldung nicht, nicht rechtzeitig, falsch oder unvollständig erstattet, nehmen die Künstlersozialkasse oder, sofern die Aufforderung durch die Träger der Rentenversicherung erfolgte, diese eine Schätzung vor. Satz 3 gilt entsprechend (Satz 4), soweit die Künstlersozialkasse bei einer Prüfung auf Grund des § 35 KSVG oder die Träger der Rentenversicherung bei einer Prüfung auf Grund des § 28p SGB IV die Höhe der sich nach § 25 KSVG ergebenden Beträge nicht oder nicht in angemessener Zeit ermitteln können, insbesondere, weil die Aufzeichnungspflichten nach § 28 KSVG nicht ordnungsgemäß erfüllt worden sind. Nach Maßgabe der vorstehend erläuterten gesetzlichen Vorgaben ist im Rahmen der im vorliegenden Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nichts dafür erkennbar, dass die DRV die Unternehmerin zutreffend zur Entrichtung von Abgaben in Höhe von insgesamt 4.196,76 € bezogen auf den Prüfzeitraum 2016 bis 2020 herangezogen hat. Es ist insbesondere nichts dafür auszumachen, dass die Unternehmerin tatsächlich in den einzelnen Jahren des Nacherhebungszeitraums von 2016 bis 2020 Aufträge an selbständige Künstler im Sinne der erläuterten Vorgaben des § 25 KSVG mit einem jährlichen Entgeltvolumen von 19.000 € erteilt haben könnte, wie dies die DRV bei ihrer Entscheidung angenommen hat. 1. Die zur Abgabe Verpflichteten haben nach § 7 KSVG-Beitragsüberwachungsverordnung bei der Prüfung auf Verlangen die Aufzeichnungen nach § 28 KSVG sowie alle ihnen zugrundeliegenden Unterlagen, die Verträge, die über künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen abgeschlossen worden sind, alle zum Rechnungswesen gehörenden Geschäftsbücher und sonstigen Unterlagen, die Eintragungen enthalten oder enthalten können über die Vertragsbeziehungen, die zur Inanspruchnahme von künstlerischen oder publizistischen Werken oder Leistungen geführt haben, die dafür gezahlten Entgelte, die Meldungen nach § 28a Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 2, Abs. 2 und 9 SGB IV sowie die Entgeltunterlagen nach § 8 der Beitragsverfahrensverordnung, Auszüge aus den Prüfberichten der Finanzbehörden und die Prüfungsmitteilungen der Versicherungsträger, vorzulegen, soweit die Vorlage für die Feststellung der Abgabepflicht, der Höhe der Künstlersozialabgabe, der Versicherungspflicht oder der Höhe der Beiträge oder Beitragszuschüsse erforderlich ist.
Inwieweit die Unternehmerin diesen Anforderungen vollinhaltlich entsprochen hat, vermag der Senat nicht abschließend zu beurteilen. Soweit die DRV im Anhörungsschreiben vom 25.11.2021 auf „mehrere Versuche“ abstellt, bei der Unternehmerin „eine Prüfung durch Übersendung der Unterlagen durchzuführen“, erschließt sich der Sachverhalt schon angesichts der Unvollständigkeit der insoweit nicht ordnungsgemäß geführten Verwaltungsvorgänge nur unzureichend. Die in Bezug genommenen „Versuche“ wären natürlich bereits im Rahmen der Verwaltungsvorgänge zu dokumentieren gewesen, stattdessen beginnen diese erst mit dem Anhörungsschreiben vom 25.11.2021. Auch in diesem Anhörungsschreiben wird die Unternehmerin lediglich pauschal noch einmal „zur Übersendung der entsprechenden Unterlagen“ aufgefordert, ohne dass näher und für die Unternehmerin inhaltlich nachvollziehbar dargetan würde, was konkret von ihrer Seite aus Sicht der DRV noch vorzulegen war. 2. Soweit der zur Abgabe Verpflichtete trotz Aufforderung die Meldung nicht, nicht rechtzeitig, falsch oder unvollständig erstattet, nehmen die Künstlersozialkasse oder, sofern die Aufforderung durch die Träger der Rentenversicherung erfolgte, diese eine Schätzung vor (§ 27 Abs. 1 Satz 3 SGB IV). Die Unternehmerin hat am 31.05.2021 die geforderte Meldung gegenüber der Künstlersozialkasse (wenn auch verspätet) abgegeben; auch von Seiten der DRV wird eine inhaltliche Unrichtigkeit dieser Erklärung nicht konkret aufgezeigt. 3. Bezogen auf das Jahr 2016 wird auch von Seiten der Unternehmerin ihre Verpflichtung zur Abführung der Künstlersozialabgabe in Bezug auf die in ihrer Meldung gegenüber der Künstlersozialkasse vom 31.05.2021 angegebenen Aufwendungen nicht in Abrede gestellt. Im Hinblick auf die nachfolgenden Jahre des Nacherhebungszeitraums von 2017 bis 2020 wird schon dem Grunde nach einer Beitragspflicht der Unternehmerin weder von Seiten der DRV nachvollziehbar aufgezeigt noch sind dafür anderweitig Anhaltspunkte erkennbar. In ihrer Meldung gegenüber der Künstlersozialkasse vom 31.05.2021 hat die Unternehmerin im Einzelnen ihre Aufwendungen an selbständige Künstler und Publizisten mit Jahresgesamtbeträgen von 50 € bis 225 € aufgeführt; mit diesen Beträgen hat sie den Rahmen einer nur gelegentlichen und damit nicht künstlersozialabgabenpflichtigen Auftragserteilung im Sinne von § 24 Abs. 3 Satz 1 KSVG nicht überschritten. Auch von Seiten der DRV werden keine Erkenntnisse für eine darüberhinausgehende Heranziehung selbständiger Künstler und Publizisten durch die Unternehmerin aufgezeigt. Damit ist bezogen auf die Jahre 2017 bis 2020 auch von Seiten der DRV nicht einmal nachvollziehbar dargetan worden, dass die Unternehmerin überhaupt zu dem Kreis der sog. „Eigenwerber“ zählte. Dies hätte nach der angesprochenen vom Bundessozialgericht4 vertretenen Definition dieses Begriffs zur Voraussetzung, dass die Unternehmerin in den betroffenen Jahren mehr als nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilt hat. 4. Selbst, wenn (in Bezug auf die Höhe einer dem Grunde nach geschuldeten Abgabenpflicht) eine Schätzungsbefugnis der DRV anzunehmen sein sollte, vermag die im vorliegenden Fall von der DRV vorgenommene „Schätzung“ in keiner Weise den rechtlichen Anforderungen zu genügen. Schätzungen müssen eine realistische Grundlage haben sowie in sich schlüssig und wirtschaftlich nachvollziehbar sein5. Sie sind so exakt vorzunehmen, wie dies bei noch verhältnismäßigem Verwaltungsaufwand möglich ist, dabei müssen sie auf sorgfältig ermittelten Tatsachen gründen und nachvollziehbar sein, weil sie insbesondere nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen6. Bei der erforderlichen Abwägung sind auch die Interessen des Abgabeschuldners an einer Vermeidung überobligatorischer Abgabelasten angemessen zu berücksichtigen7. Es dürfen nur solche Schätzungsmethoden herangezogen werden, die geeignet sind, ein vernünftiges und der Wirklichkeit entsprechendes Ergebnis zu erzielen8. Schätzungen sind hingegen rechtsfehlerhaft, wenn die Schätzungsgrundlagen nicht richtig festgestellt oder nicht alle wesentlichen, in Betracht kommenden Umstände hinreichend gewürdigt worden sind. Entsprechendes gilt, sowiet die Schätzung selbst auf falschen oder unsachlichen Erwägungen beruht9. Soweit Schätzungsergebnisse nicht einmal mehr die rechtlich gebotene Orientierung an den „wahrscheinlichen“ Bemessungsgrundlagen zum Ausdruck bringen, sondern eine bewusst zum Nachteil des Abgabepflichtigen vorgenommene „Schätzung“ anzunehmen ist, kann dies sogar Nichtigkeit des auf ihr beruhenden Verwaltungsakts zur Folge haben10. In der Sache bringt das Vorgehen der DRV gar nicht eine Schätzung im herkömmlichen Sinne zum Ausdruck; noch weniger genügt es den vorstehend erläuterten rechtlichen Anforderungen. Es lässt nicht einmal eine gedankliche Ausrichtung an diesen rechtlichen Vorgaben erkennen.
Die Unternehmerin hat sich gar nicht mit den konkreten betrieblichen Grundlagen und dem Ausmaß einer Heranziehung selbständiger Künstler im Sinne des KSVG auf Seiten der Antragstellerin auseinandergesetzt. Stattdessen hat sich die DRV an einem von der Künstlersozialkasse erarbeiteten Arbeitspapier „Schätzung nach Branchendurchschnitt“ orientiert, welches eine Tabelle mit sog. „branchenüblichen Schätzwerten“ auflistet. Auch auf Nachfrage des Senates vermochte die DRV nichts inhaltlich nachvollziehbar dazu vorzutragen, wie im Einzelnen die Werte in dieser Tabelle zustande gekommen sein sollen. Dabei trägt die DRV im Rahmen der von ihr durchgeführten Betriebsprüfungen uneingeschränkt selbst die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der von ihr erlassenen Bescheide.
Schon der von der DRV herangezogene Begriff „branchenüblicher Schätzwerte“ ist bezogen auf den vorliegenden Zusammenhang irreführend. In der von der DRV herangezogenen Tabelle mit sog. „branchenüblichen Schätzwerten“ bei abgabeverpflichteten Unternehmen im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 KSVG wird hinsichtlich der sog. Eigenwerbung gar nicht näher nach einzelnen „Branchen“ unterschieden; es wird vielmehr gleichmäßig branchenübergreifend für alle „Eigenwerber“ ein Betrag von 19.000 € aufgeführt. Dessen tatsächliche Grundlage ist überhaupt nicht nachvollziehbar, wobei überdies bezogen auf die Jahre 2017 bis 2020 auch von Seiten der DRV nicht einmal nachvollziehbar aufgezeigt worden ist, dass die Unternehmerin überhaupt zum Kreis der sog. „Eigenwerber“ im Sinne der erläuterten Rechtsprechung des BSG zählte. Auch im Rahmen von Schätzungen ist es völlig sachwidrig, unabhängig von der Unternehmensausrichtung und größe einen pauschalen Jahreswert für alle „Eigenwerber“ annehmen zu wollen. Auch soweit ein Unternehmer überhaupt zumindest einen selbständigen Künstler oder Publizisten im erläuterten Sinne beauftragt hat, können die damit verbundenen Aufwendungen auch sich auf nur 50 € im Jahr, bei großen Unternehmen mit einem großen Volumen entsprechender Aufträge aber durchaus auch auf mehrere 10.000 €, mitunter wohl auch auf mehrere 100.000 €, belaufen. Erst eine konkrete Erfassung und Bewertung des maßgeblichen Lebenssachverhalts kann die unerlässliche Grundlage für eine inhaltlich nachvollziehbare Schätzung des im Einzelfall geschuldeten Abgabenbetrages bilden. Im Ergebnis räumt auch die DRV im Schriftsatz vom 08.11.2022 ein, dass der von ihr angeführte „Schätzwert“ keinen konkreten Bezug zu dem – nach den erläuterten rechtlichen Vorgaben gerade ausschlaggebenden – realen Lebenssachverhalt bei den jeweils in Betracht kommenden Abgabenschuldnern aufweist. Sie räumt selbst ein, dass ihre sog. „Schätzung“ „nicht differenziert“ habe. Ihr Hinweis auf dafür maßgebliche „Gründe der Vereinfachung“ bringt inhaltlich letztlich nur zum Ausdruck, dass sich die DRV sehenden Auges über die erläuterten rechtsstaatlichen Vorgaben hinweggesetzt hat. Bezogen auf den vorliegend zu beurteilenden Fall kann gemessen an dem geringen Umsatz der Unternehmerin eine Annahme jährlichen Aufwendungen für selbständige Künstler in Höhe von 19.000 € (dies würde etwa im Jahr 2017 ca. ein Sechstel der Umsatzerlöse ausmachen) nur als völlig realitätsfern beurteilt werden.
Landessozialgericht Niedersachsen -Bremen, Beschluss vom 22. Dezember 2022 – L 2 BA 49/22 B ER
- LSG NRW, Beschluss vom 07.01.2011 – L 8 R 864/10 B ER , NZS 2011, 906[↩]
- vgl. zu diesem Begriff: BSG, Urteil vom 01.06.2022 – B 3 KS 3/21 R , BSGE [vorgesehen], Rn. 12[↩]
- BSG, Urteil vom 25.02.2015 – B 3 KS 5/13 R , SozR 45425 § 24 Nr 15, Rn.20 mwN[↩]
- BSG, Urteil vom 01.06.2022 – B 3 KS 3/21 R – aaO, Rn. 12[↩]
- BSG, Urteil vom 03.12.2015 – B 4 AS 47/14 R , SozR 44200 § 22 Nr 87, Rn. 21[↩]
- BSG, Urteil vom 04.09.2018 – B 12 R 4/17 R , BSGE 126, 226, Rn. 23 mwN[↩]
- BSG, Urteil vom 27.04.2021 – B 12 R 18/19 R , SozR 47815 § 10 Nr 4 (vorgesehen), Rn. 39[↩]
- BFH, Beschluss vom 13.09.2016 – X B 146/15 , Rn. 16, BFH/NV 2016, 1747 und juris[↩]
- BSG, Urteil vom 14.07.1988 – 11/7 RAr 41/87 , SozR 4100 § 115 Nr 2, Rn. 25[↩]
- BFH, Urteil vom 15.07.2014 – X R 42/12 , Rn. 21[↩]