Für die Prognose eines Krankenhauses zur Mindestmengenregelung von Operationen ist u.a. das „vorangegangene Kalenderjahr“ maßgebend, das aber nicht mit den letzten vier Quartalen gleichzusetzen ist.
Mit dieser Begründung hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in dem hier vorliegenden Fall die Rechtswidrigkeit des Widerlegungsbescheides der Krankenkassen festgestellt, da das Krankenhaus seine Prognose auf fehlerfreie Grundlage gestützt hat. Gleichzeitig ist das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig1 aufgehoben worden, soweit es festgestellt hat, dass am Klinikum der Klägerin die Mindestmengenregelung für die Leistung „Komplexe Eingriffe am Organsystem Ösophagus“ für das Kalenderjahr 2020 erfüllt ist.
Damit Krankenhäuser komplexe Operationen durchführen dürfen, müssen sie aus Qualitätsgründen bestimmte Mindestmengen leisten. Um diese Eingriffe auch zukünftig abrechnen zu dürfen, erstellen die Krankenhäuser zur Jahresmitte zunächst eine Prognose, die in einem zweiten Schritt von den Krankenkassen widerlegt werden kann. Ein Wolfsburger Krankenhaus wollte auch 2020 komplexe Operationen an der Speiseröhre anbieten. Hierfür prognostizierte es im Juli 2019 das Erreichen der Mindestmenge von 10 OPs im Folgejahr. Grundlage waren die Vorjahreszahlen mit genau 10 Eingriffen, sowie geplante OPs im laufenden Jahr. Die Krankenkassen bezweifelten diese Prognose. Nach ihrer Ansicht käme es auf die aktuelle Leistungsmenge der letzten vier Quartale (Q3/18 – Q2/19) an, wonach die Mindestmenge nicht erreicht werde. Auf die Vorjahreszahlen oder eine pauschale Mitteilung geplanter Fälle sei nicht entscheidend abzustellen. Dies sei bloße Erwartungshaltung.
In seiner Urteilsbegründung hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen ausgeführt, dass die Krankenkassen schon den Wortlaut der Mindestmengenregelungen missachtet hätten. Bei dem „vorangegangenen Kalenderjahr“ handele es sich zweifelsohne nicht um die letzten vier Quartale. Die Regelvermutung könne nicht mit dem Argument konterkariert werden, dass die Vorjahreszahlen in einem anderen Zeitraum nicht erreicht würden. So betont das Landessozialgericht, die Sichtweise der Krankenkassen würde die Mindestmengenregelung ins Gegenteil verkehren. Denn durch die Betrachtung des Quartalszeitraums solle vielmehr den Krankenhäusern die Möglichkeit gegeben werden, auch bei Unterschreitung der Mindestmenge im Vorjahr eine positive Prognose abzugeben sofern die neueren Zahlen in diese Richtung zeigten. Auch konkret geplante OPs könnten einbezogen werden. Genau darin liege das Wesen einer in die Zukunft blickenden Prognose. Aus diesen Gründen ist der Bescheid der Beklagten rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16. Juni 2020 – L 16 KR 64/20
- SG Braunschweig, Urteil vom 21.01.2020 – S 54 KR 399/19[↩]