Abtretung eines Vorsteuererstattungsanspruchs – und die Abtretungsanzeige

Nach § 46 Abs. 1 AO können Ansprüche auf Erstattung von Steuern, Haftungsbeträgen, steuerlichen Nebenleistungen und auf Steuervergütungen abgetreten, verpfändet und gepfändet werden. Die Abtretung wird gemäß § 46 Abs. 2 AO jedoch erst wirksam, wenn sie der Gläubiger in der nach Absatz 3 vorgeschriebenen Form der zuständigen Finanzbehörde nach Entstehung des Anspruchs anzeigt.

Abtretung eines Vorsteuererstattungsanspruchs – und die Abtretungsanzeige

Nach § 46 Abs. 3 Satz 1 AO ist die Abtretung der zuständigen Finanzbehörde unter Angabe des Abtretenden, des Abtretungsempfängers sowie der Art und Höhe des abgetretenen Anspruchs und des Abtretungsgrundes auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck anzuzeigen. Die Anzeige ist vom Abtretenden; und vom Abtretungsempfänger zu unterschreiben (§ 46 Abs. 3 Satz 2 AO).

Die formalisierte Abtretungsanzeige soll die Abtretenden davor schützen, ihre Erstattungsansprüche unüberlegt, zu unangemessenen Bedingungen oder an unseriöse Zessionare abzutreten. Darüber hinaus soll die einheitliche Gestaltung des amtlichen Vordrucks dem Finanzamt die Bearbeitung der Erstattungsanträge erleichtern1.

Die Abtretungsanzeige ist materielle Wirksamkeitsvoraussetzung und Tatbestandsmerkmal der Abtretung. Ohne sie liegt eine rechtswirksame Abtretung überhaupt nicht vor, und zwar nicht nur gegenüber dem Steuergläubiger, sondern auch nicht im Verhältnis zwischen Abtretenden und Abtretungsempfänger2.

Der Vorsteuererstattungsanspruch ist bereits mit Ablauf des Jahres entstanden3. Auf den Zeitpunkt der Festsetzung des Vorsteuererstattungsanspruchs kommt es insoweit nicht an4.

Aus der Abtretungsanzeige müssen Abtretender und Abtretungsempfänger sowie die Art des abgetretenen Anspruchs eindeutig erkennbar sein5.

Die Angaben zum Abtretungsgrund sollen dem Finanzamt Hinweise geben, ob es sich bei der Abtretung um einen geschäftsmäßigen Erwerb von Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen zum Zweck der Einziehung oder sonstigen Verwertung handeln könnte, der gemäß § 46 Abs. 4 Satz 1 AO grundsätzlich unzulässig ist, sowie dem Finanzamt die Möglichkeit zur schnellen und einfachen Prüfung eröffnen, ob eine Sicherungsabtretung von Ansprüchen vorliegt, zu deren geschäftsmäßigem Erwerb oder Einziehung nach § 46 Abs. 4 Satz 3 AO nur Unternehmen befugt sind, denen das Betreiben von Bankgeschäften erlaubt ist. Zur Bezeichnung des Abtretungsgrundes genügt eine kurze stichwortartige Kennzeichnung des der Abtretung zugrunde liegenden schuldrechtlichen Lebenssachverhalts. Fehlen Angaben zum Abtretungsgrund völlig, leidet die Abtretungsanzeige an einem Formmangel, der nach § 46 Abs. 2 AO zur Unwirksamkeit der Abtretung führt6.

Im hier entschiedenen Streitfall lies sich aus der Formulierung „Verrechnung“ hinreichend deutlich erkennen, dass der Abtretung eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung zugrunde liegt, die nicht auf eine geschäftsmäßige Abtretung schließen lässt. Denn durch die Angabe wird deutlich, dass mit der Abtretung eine Aufrechnungslage hergestellt werden soll, weil der Abtretungsempfänger eine entsprechende Verbindlichkeit beim Finanzamt hat. Das Kästchen „Sicherungsabtretung“ wurde nicht angekreuzt.

Die Abtretungsanzeige muss sowohl vom Abtretenden als auch vom Abtretungsempfänger wirksam unterschrieben worden sein.

Bei Personenvereinigungen haben die zur Vertretung befugten Personen (§ 34 AO) zu unterschreiben7.

Gemäß § 709 Abs. 1 BGB steht die Führung der Geschäfte einer GbR den Gesellschaftern grundsätzlich gemeinschaftlich zu. Die Gesellschafter vertreten die Gesellschaft gemeinschaftlich. Nur wenn einem Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag die Befugnis zur Geschäftsführung eingeräumt wurde, ist er im Zweifel auch ermächtigt, die anderen Gesellschafter Dritten gegenüber zu vertreten (§ 714 BGB). Ein ausdrücklicher Vertretungszusatz war nicht erforderlich. Eine Personengesellschaft wird erst durch das Handeln von zumindest einer natürlichen Person handlungsfähig. Das ergibt sich auch aus dem Erläuterungstext über dem Unterschriftenfeld in der Abtretungsanzeige: „V. Wichtige Hinweise: Die Abtretungsanzeige ist sowohl von dem Abtretenden als auch von dem Abtretungsempfänger zu unterschreiben. Dies gilt z.B. auch, wenn der zeichnungsberechtigte Vertreter einer abtretenden juristischen Person oder sonstigen Gesellschaft personengleich sind (2 Unterschriften).“

Wird der Finanzbehörde die Abtretung angezeigt, so müssen nach § 46 Abs. 5 AO Abtretender und Abtretungsempfänger der Finanzbehörde gegenüber die angezeigte Abtretung gegen sich gelten lassen, auch wenn sie nicht erfolgt oder nicht wirksam oder wegen Verstoßes gegen § 46 Abs. 4 AO nichtig ist.

Die Vorschrift soll der Finanzbehörde die Prüfung ersparen, ob die Abtretung wirksam ist8.

Aus dem Schutzzweck des § 46 Abs. 5 AO folgt, dass das Finanzamt, dem die Abtretung angezeigt worden ist und das an den Abtretungsempfänger gezahlt hat, auch dann von seiner Leistungspflicht gegenüber dem Abtretenden frei wird, wenn die Abtretungsanzeige nicht der in § 46 Abs. 3 AO vorgeschriebenen Form entspricht9. Nach dem Wortlaut der Vorschrift greift der Schuldnerschutz ein, auch wenn die angezeigte Abtretung „nicht erfolgt oder nicht wirksam oder … nichtig ist“; die Unwirksamkeit der Abtretung kann sich danach gemäß § 46 Abs. 2 und 3 AO auch daraus ergeben, dass die Anzeige nicht die gesetzlich vorgeschriebenen Angaben enthält. Die Schuldnerschutzregelung macht hinsichtlich der Rechtsgründe, aus denen die Abtretung nicht wirksam ist, keinerlei Einschränkungen. Dem entspricht auch die Gesetzesbegründung der Vorschrift, in der es heißt: „Da das Lohnsteuerverfahren ein Massenverfahren ist, das im Interesse der redlichen Steuerzahler ohne zeitliche Verzögerung abgewickelt werden muss, ist den Finanzbehörden die eingehende Überprüfung der Wirksamkeit einer eingegangenen Abtretungserklärung nicht zuzumuten“10. Würde sich dagegen der Schuldnerschutz darauf beschränken, dass dem Finanzamt nur erspart bleibt, das hinter der Abtretungsanzeige stehende Rechtsgeschäft (Abtretungsvertrag, § 398 BGB) auf seine Wirksamkeit zu überprüfen, so wäre § 46 Abs. 5 AO nahezu ohne Bedeutung; denn eine solche materiell-rechtliche Prüfung ist dem Finanzamt ohnehin kaum möglich.

Danach greift der Schuldnerschutz, wenn die Abtretung gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen haben sollte, z.B. wenn R den Tatbestand der Untreue verwirklicht haben sollte. Das gleiche gilt, wenn R ein Insichgeschäft getätigt haben sollte. Schuldnerschutz besteht aber auch dann, wenn die Abtretungsanzeige mangels wirksamer Vertretung der A GbR durch R gegen § 46 Abs. 3 Satz 2 AO verstieße. Die Vertretungsmacht der für den Abtretungsempfänger unterschreibenden Person gehört zu den typischerweise von der Finanzbehörde nicht nachprüfbaren Umständen, für die nach § 46 Abs. 5 AO Schuldnerschutz bestehen soll.

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 12.09.200711. Dieses Urteil ist zu einem anderen Sachverhalt ergangen. Dort hat das Finanzamt gegenüber dem Abtretungsempfänger die Wirksamkeit der Abtretungsanzeige in Abrede gestellt hat und die Auszahlung des abgetretenen Anspruchs verweigert. Zur Reichweite des Vertrauensschutzes nach § 46 Abs. 5 AO hat sich das Finanzgericht nicht geäußert. Im Streitfall geht es aber darum, ob sich das Finanzamt gegenüber dem Abtretenden auf Vertrauensschutz berufen kann. Der Sachverhalt, der dem Urteil des Hessischen Finanzgericht zugrunde lag, unterscheidet sich noch in weiteren Punkten vom Streitfall: Das Feld „Abtretungsempfänger“ war nicht ausgefüllt. Im Feld „Unterschrift des Abtretungsempfängers“ war ein Stempel mit den Namen von drei Gesellschaftern angebracht, obwohl ein Gesellschafter geltend machte, schon vor Jahren aus der Gesellschaft ausgeschieden zu sein. Außerdem war die Abtretungsanzeige für den Abtretungsempfänger mit einer nicht lesbaren, d.h. keiner konkreten Person zuordenbaren Unterschrift unterschrieben. An solchen Mängeln leidet die Abtretungsanzeige im Streitfall nicht.

Die Anzeigewirkung tritt auch ein, wenn die Finanzbehörde positiv weiß oder nach den Umständen wissen muss, dass die Abtretung nicht erfolgt, unwirksam oder nichtig ist12. Diese einschneidenden Wirkungen werden allerdings nur einer Abtretungsanzeige zugemessen, die der Abtretende oder sein Vertreter selbst unterschrieben hat; bei fehlender oder gefälschter Unterschrift kann die Finanzbehörde als Schuldner nicht beanspruchen, mit befreiender Wirkung an den in der Anzeige angegebenen Abtretungsempfänger leisten zu können13. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor; die Abtretungsanzeige ist der Klägerin zuzurechnen. Daher gehen auch die -durch nichts belegten- Anschuldigungen der Klägerin fehl, das Finanzamt habe R zu einer Steuerhinterziehung angestiftet und würde eigenes Fehlverhalten vertuschen.

Die Berufung auf den Schuldnerschutz in § 46 Abs. 5 AO steht im Ermessen der Finanzbehörde14.

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 3. März 2016 – 1 K 1990/14

  1. Begründung der Bundesregierung, BT-Drs. 7/2852, S. 47; BFH, Urteil vom 06.02.1996 – VII R 116/94, BFHE 179, 547, BStBl II 1996, 557[]
  2. BFH, Urteil vom 06.02.1996 – VII R 116/94, BFHE 179, 547, BStBl II 1996, 557[]
  3. vgl. BFH, Urteile vom 09.05.1996 – V R 62/94, BFHE 181, 188, BStBl II 1996, 662; vom 12.10.1999 – VII R 98/98, BFHE 190, 25, BStBl II 2000, 486[]
  4. vgl. BFH, Urteile vom 06.02.1996 – VII R 116/94, BFHE 179, 547, BStBl II 1996, 557; vom 06.06.2000 – VII R 104/98, BFHE 192, 21, BStBl II 2000, 491[]
  5. vgl. BFH, Urteil vom 06.06.2000 – VII R 104/98, BFHE 192, 21, BStBl II 2000, 491, unter II. 5.b[]
  6. BFH, Urteile vom 13.11.2001 – VII R 10/00, BFHE 197, 5, BStBl II 2002, 402; vom 28.09.2011 – VII R 52/10, BFHE 235, 111, BStBl II 2012, 92[]
  7. BFH, Beschluss 19.03.2009 – VII B 45/08, BFH/NV 2009, 1236[]
  8. BFH, Urteil vom 05.06.2007 – VII R 17/06, BFHE 217, 241, BStBl II 2007, 738[]
  9. BFH, Urteile vom 25.09.1990 – VII R 114/89, BFHE 162, 202, BStBl II 1991, 201; vom 22.03.1994 – VII R 117/92, BFHE 174, 112, BStBl II 1994, 789; Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 46 AO Rz. 72[]
  10. BT-Drs. 7/2852, S. 47[]
  11. Hess. FG, Urteil vom 12.09.2007 – 5 K 1918/05[]
  12. BFH, Entscheidungen vom 06.12 1988 – VII R 206/83, BFHE 155, 40, BStBl II 1989, 223; vom 14.02.1989 – VII R 55/86, BFH/NV 1989, 751; vom 25.09.1990 – VII R 114/89, BFHE 162, 202, BStBl II 1991, 201; vom 24.04.2006 – VII B 322/05, BFH/NV 2006, 1442; vom 19.03.2009 – VII B 45/08, BFH/NV 2009, 1236, in diesem Punkt entgegen dem ebenfalls von der Klägerin angeführten Urteil des Finanzgericht Baden-Württemberg vom 29.01.2008 1 K 98/04, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2008, 750; vom 08.06.2010 – VII R 39/09, BFHE 229, 482, BStBl II 2010, 839[]
  13. BFH, Beschluss vom 19.03.2009 – VII B 45/08, BFH/NV 2009, 1236[]
  14. Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 46 AO Rz. 73a[]