Änderungsbescheid nach Rechtsprechungsänderung – und der Vertrauensschutz

Bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids darf gemäß § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofes des Bundes geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden ist.

Änderungsbescheid nach Rechtsprechungsänderung – und der Vertrauensschutz

Nach den BFH, Urteilen vom 08.02.19951; vom 05.09.20002; vom 10.06.20083; und vom 14.07.20094 recht es dabei für eine Änderung der Rechtsprechung aus, dass ein „im wesentlichen gleich gelagerter Fall“ anders zu entscheiden ist5.

Bei der Prüfung der Frage, ob eine Rechtsprechungsänderung vorliegt, ist weder auf ein „Gesamtbild der Rechtsprechung“6 noch auf bloße Schlussfolgerungen aus früheren Entscheidungen des BFH abzustellen7; denn daraus lässt sich keine konkrete entscheidungserhebliche Aussage ableiten, wann eine Änderung der Rechtsprechung vorliegt. Nur von einem in den entscheidenden Punkten identischen Sachverhalt aus lässt sich die für den Vertrauensschutztatbestand entscheidende Frage beantworten, inwieweit sich die Kriterien der rechtlichen Beurteilung derart geändert haben, dass ein bestimmtes Rechtsproblem inzwischen anders gelöst wird als zuvor8. Der danach erforderliche Vergleich setzt in rechtlicher Hinsicht eine zwar nicht unbedingt ausdrückliche, so aber zumindest eine deutliche Aussage zu einem bestimmten Rechtsproblem voraus9. Auf beiläufig geäußerte Rechtsansichten und Erwägungen, die das Urteil nicht tragen, kommt es hingegen nicht an10.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 24. Juli 2017 – XI B 25/17

  1. BFH, Urteil vom 08.02.1995 – I R 127/93, BFHE 177, 332, BStBl II 1995, 764[]
  2. BFH, Urteil vom 05.09.2000 – IX R 33/97, BFHE 192, 559, BStBl II 2000, 676[]
  3. BFH, Urteil vom 10.06.2008 – VIII R 79/05, BFHE 222, 320, BStBl II 2008, 863[]
  4. BFH; vom 14.07.2009 – VIII R 10/07, BFH/NV 2009, 1815[]
  5. vgl. auch bereits BFH, Urteil vom 07.12 1988 – X R 15/87, BFHE 155, 353, BStBl II 1989, 421, unter II. 1.b, Rz 21[]
  6. so aber Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 176 AO Rz 15[]
  7. vgl. z.B. Frotscher in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 176 Rz 43 und 46; Klein/Rüsken, AO, 13. Aufl., § 176 Rz 17[]
  8. vgl. zu § 176 Abs. 2 AO BFH, Urteil vom 28.10.1992 – X R 117/89, BFHE 170, 11, BStBl II 1993, 261, unter 2.b, Rz 18; von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 176 AO Rz 180[]
  9. vgl. BFH, Urteil in BFHE 222, 320, BStBl II 2008, 863, unter II. 3.c, Rz 50[]
  10. vgl. BFH, Urteil in BFHE 155, 353, BStBl II 1989, 421, unter II. 1.b, Rz 21; a.A. Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 176 AO Rz 15[]