Beiträge zu kapitalbildenden Lebensversicherungen sind auch dann nicht den als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG abziehbaren Beiträgen zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung gleichzustellen, wenn die gesetzlichen Regelungen der Versorgungseinrichtung die Möglichkeit eines Dispenses von der Beitragspflicht wegen des vorherigen Abschlusses einer Lebensversicherung vorsehen.
Dies entschied jetzt der Bundesfinanzhof auf die Klage eines selbständig tätigen Rechtsanwalts und Mitglieds des im Jahr 1994 gegründeten Sächsischen Rechtsanwaltsversorgungswerks. Dieses enthält in seiner Satzung eine antragsabhängige Möglichkeit der Befreiung von der Beitragspflicht, wenn das jeweilige Mitglied bereits vor Gründung des Sächsischen Rechtsanwaltsversorgungswerks anderweitig Vorsorge für sein Alter und eine Berufsunfähigkeit getroffen hat. Nach den einschlägigen Regelungen ist dies regelmäßig der Fall, wenn das Mitglied vor Gründung des Rechtsanwaltsversorgungswerks eine Kapital- oder Rentenversicherung auf den Erlebens- und Todesfall mindestens auf das 60. und höchstens auf das 68. Lebensjahr unter Einschluss der Berufsunfähigkeit und mit einer monatlichen Beitragspflicht in Höhe von mindestens fünf Zehnteln des Regelpflichtbeitrags abgeschlossen hat. Nach den Feststellungen des Sächsischen Finanzgerichts1. Der klagende Rechtsanwalt hatte jeweils im Jahr 1993 bei einem Versicherungsunternehmen zwei kapitalbildende Lebensversicherungen auf den Todes- und Erlebensfall (einschließlich eines Berufsunfähigkeitszusatzes) abgeschlossen, deren Laufzeit im Juli/August 2029 enden soll. Er hatte von seinem satzungsgemäßen Antragsrecht auf Beitragsbefreiung Gebrauch gemacht.
Für die hier entschiedenen Streitjahre 2012 und 2013 machte der Rechtsanwalt seine Beiträge zu den beiden Lebensversicherungen als Sonderausgaben geltend. Er vertrat die Ansicht, hierbei handele es sich um Surrogate zu Beiträgen zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung. Die Beiträge seien daher entsprechend § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) voll abziehbar. Das Finanzamt ordnete die Beiträge dagegen den lediglich beschränkt abziehbaren sonstigen Vorsorgeaufwendungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG zu. Das Sächsische Finanzgericht wies die Klage ab1. Und der Bundesfinanzhof wies nun auch die Nichtzulassungsbeschwerde der Rechtsanwalts als unbegründet zurück:
Eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kommt nicht in Betracht. Es fehlt an der hierfür erforderlichen Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage2.
Der Rechtsanwalt formuliert -sinngemäß- die Rechtsfrage, ob Beiträge zu einer Kapitallebensversicherung wie Altersvorsorgeaufwendungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zum Sonderausgabenabzug zuzulassen sind, sofern ein Angehöriger der freien Berufe, der von seiner Pflicht, Beiträge zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen, auf Antrag befreit wurde, weil eine bereits vor Beginn der dortigen Mitgliedschaft abgeschlossene Kapital- oder Rentenversicherung auf den Erlebens- und Todesfall nach den Regelungen der Versorgungseinrichtung als gleichwertig zur berufsständischen Versorgung angesehen wird.
Diese Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig. Ihre Antwort ergibt sich ohne weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes, sodass es eines Revisionsverfahrens nicht bedarf3. Allein der Umstand, dass zu einer bestimmten Rechtsfrage noch keine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vorliegt, ist insoweit unerheblich4.
Zu den Sonderausgaben zählen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG u.a. Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen sowie zu den berufsständischen Versorgungseinrichtungen, die den gesetzlichen Rentenversicherungen vergleichbare Leistungen erbringen. Jene Beiträge sind in den Grenzen des § 10 Abs. 3 EStG voll abziehbar. Sonstige Vorsorgeaufwendungen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG, denen auch Beiträge zu Kapital- und Rentenversicherungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. bb bis dd EStG in der am 31.12.2004 geltenden Fassung angehören, sind dagegen nur beschränkt nach näherer Maßgabe von § 10 Abs. 4 EStG als Sonderausgaben zu berücksichtigen.
Der eindeutige Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG schließt es aus, die vom Rechtsanwalt erbrachten Altersvorsorgeaufwendungen als Beiträge zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung anzusehen. Die Präposition „zu“ erfordert eine unmittelbare Rechtsbeziehung zwischen dem Leistenden und dem Empfänger der Beiträge. Eine solche Beziehung bestand im Streitfall nicht. Der Rechtsanwalt war als Rechtsanwalt zwar Mitglied des X, einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, von einer Beitragspflicht war er aber befreit. Das Versicherungsunternehmen, mit dem er im Jahr 1993 Kapitallebensversicherungen abgeschlossen hatte und „zu“ dem er in den Streitjahren Beiträge erbrachte, ist keine berufsständische Versorgungseinrichtung, sondern ein hiervon rechtlich unabhängig agierender Lebensversicherer.
Die vom Rechtsanwalt vertretene teleologische Extension des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG kommt nicht in Betracht. Es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke im Gesetz5.
Die vollständige Abziehbarkeit von Beiträgen der Altersvorsorge, die nach der Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen durch das Alterseinkünftegesetz vom 05.07.20046 der Basisversorgung und damit der ersten Schicht des sog. Drei-Schichten-Modells (hierzu zuletzt BFH, Urteil vom 19.05.2021 – X R 20/19, BFHE 273, 237, Rz 25) angehören, beruht auf dem Prinzip der intertemporalen Korrespondenz. Während in der Erwerbsphase Altersvorsorgeaufwendungen steuerlich voll zum Abzug zugelassen werden, erfolgt in der Auszahlungsphase -und somit zeitlich versetzt- eine ebenfalls volle Besteuerung der auf den Beiträgen beruhenden Leistungen7.
Diese nachgelagerte Besteuerung gilt nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG auch für Leibrenten und sonstige Leistungen, die von berufsständischen Versorgungseinrichtungen erbracht werden. Anders verhält es sich bei Anwartschaften aus privaten Kapitalanlageprodukten, die zwar auch zur Altersvorsorge eingesetzt werden können, aber nicht müssen und daher der dritten Schicht im Sinne des vorgenannten Systems zuzurechnen sind8. Hieraus bezogene Leistungen werden nicht nachgelagert, sondern lediglich mit dem Ertragsanteil (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG) oder nach näherer Maßgabe von § 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. b bzw. c EStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der im jeweiligen Jahr des Vertragsschlusses geltenden Fassung nur in Höhe des in den Leistungen enthaltenen Zinses besteuert. Die Altersvorsorgeaufwendungen dürfen -gerade weil die zurückgezahlte Vermögenssubstanz der erworbenen Anwartschaft nicht besteuert wird- aus versteuertem Einkommen erbracht werden.
Die vom Rechtsanwalt erstrebte steuerrechtliche Gleichstellung der von ihm geleisteten Beiträge mit solchen zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen hätte somit überkompensierende Wirkung und konnte daher vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen sein. Eine teleologische Extension des Wortlauts des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ist ausgeschlossen.
Die vom Rechtsanwalt angeführten Erwägungen gebieten kein anderes Ergebnis. Insbesondere trifft es nicht zu, dass die von ihm geleisteten Beiträge zu Kapitallebensversicherungen als Surrogat zu Beiträgen zum Versorgungswerk der Rechtsanwälte einzuordnen sind. Richtig ist bei dieser Betrachtung lediglich, dass die Beitragsbefreiung vom vorherigen Abschluss der in § 12 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 der Satzung genannten Kapital- oder Rentenversicherungen abhängig war. Diese Disposition zwang den Rechtsanwalt aber nicht dazu, keine Anwartschaft auf eine berufsständische Versorgung aufzubauen. Vielmehr machte er lediglich von seinem satzungsgemäßen Recht Gebrauch, hierauf zu verzichten. An diese Gestaltung knüpft die steuerrechtliche Beurteilung der Beitragszahlungen an.
Aus den vorgenannten Gründen kommt auch keine Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO in Betracht.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 13. Januar 2022 – X B 82/21
- Sächs. FG, Urteil vom 11.06.2021 – 1 K 677/17[↩][↩]
- vgl. hierzu statt vieler BFH, Beschluss vom 27.11.2020 – X B 63/20, BFH/NV 2021, 531, Rz 3, m.w.N.[↩]
- vgl. insoweit u.a. BFH, Beschlüsse vom 24.05.2005 – X B 137/04, BFH/NV 2005, 1563, unter 1., sowie vom 18.03.2010 – X B 124/09, BFH/NV 2010, 1278, Rz 6[↩]
- BFH, Beschluss vom 28.10.2020 – XI B 26/20, BFH/NV 2021, 536, Rz 12, m.w.N.[↩]
- vgl. zu den Anforderungen ausführlich BFH, Urteil vom 28.10.2020 – X R 29/18, BFHE 271, 370, BStBl II 2021, 675, Rz 32 ff.[↩]
- BGBl I 2004, 1427[↩]
- u.a. BT-Drs. 15/2150, S. 22[↩]
- vgl. u.a. BFH, Urteil vom 12.12.2017 – X R 39/15, BFHE 261, 203, BStBl II 2018, 579, Rz 20[↩]
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