Externe Abiturvorbereitung als Berufsausbildung

Die ernsthafte Vorbereitung auf ein Abitur für Nichtschüler ist –zumindest ab dem Monat der Anmeldung zur Prüfung– im Rahmen der Kindergeldbewilligung als Berufsausbildung anzusehen.

Externe Abiturvorbereitung als Berufsausbildung

Nach § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ist ein Kind kindergeldrechtlich zu berücksichtigen, das für einen Beruf ausgebildet wird. Nach der Übernahme des Kindergeldrechts in das EStG durch das Jahressteuergesetz 19961 hat der BFH den Begriff der Berufsausbildung neu bestimmt und erweiternd ausgelegt2. Er umfasst jede Ausbildung zu einem künftigen Beruf. Zur Berufsausbildung gehört auch die Schulausbildung3. In Berufsausbildung befindet sich, wer seine Berufsziele noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft darauf vorbereitet4. Einzubeziehen sind alle Maßnahmen, die dem Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen dienen, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufes geeignet sind5. Sie müssen nicht zwingend in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben sein, auch muss die Ausbildungsmaßnahme nicht überwiegend Zeit und Arbeitskraft des Kindes in Anspruch nehmen6.

Entgegen der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes 63.3.2.1 Abs. 2 Satz 77 ist eine Schulausbildung nicht nur dann anzuerkennen, wenn der Schüler in eine schulische Mindestorganisation eingebunden ist, die eine gewisse Lernkontrolle ermöglicht. Auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Begriff der Schulausbildung in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Bundeskindergeldgesetzes a.F.8, kann nur eingeschränkt zurückgegriffen werden, da seit der Systemumstellung zum 1. Januar 1996 der steuerrechtliche Begriff der Berufsausbildung im Kindergeldrecht gilt und somit eine einheitliche steuerrechtliche Auslegung geboten ist. Bei der Auslegung ist der Zweck des Kindergelds zu berücksichtigen, das Existenzminimum eines Kindes von der Besteuerung auszunehmen (vgl. § 31 Satz 1 EStG), weil durch den kindbedingten Aufwand die steuerliche Leistungsfähigkeit der Eltern gemindert wird9.

Das erstinstanzlich mit dem jetzt vom BFH entschiedenen Rechtsstreit befasste Finanzgericht Düsseldorf10 hat – wie der BFH jetzt befand – zutreffend die vorgenannten Grundsätze seiner Entscheidung zugrunde gelegt und zu Recht die Vorbereitung auf die Abiturprüfung für Nichtschüler zumindest ab dem Monat der Anmeldung zur Prüfung als Berufsausbildung i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG beurteilt11.

Die Abiturprüfung ist Abschluss einer schulischen Ausbildung und führt zur allgemeinen Hochschulreife, § 1 PO-NSchA NRW12. Um zur Prüfung zugelassen zu werden, muss der Bewerber darlegen, dass er sich angemessen auf die Prüfung vorbereitet hat, z.B. durch Selbststudium oder durch die Teilnahme an Fernlehrgängen oder an anderen geeigneten Vorbereitungslehrgängen, § 4 Abs. 3 PO-NSchA NRW. Die obere Schulaufsichtsbehörde informiert und berät über die Regelungen der Abiturprüfung und über die Prüfungsanforderungen, § 5 Abs. 1 i.V.m. § 2 PO-NSchA NRW, der Vorsitzende des Fachprüfungsausschusses oder ein von ihm bestimmtes Ausschussmitglied berät in Fragen der fachlichen Vorbereitung und des Prüfungsverfahrens, § 5 Abs. 2 PO-NSchA NRW. Die Prüfung selbst umfasst insgesamt acht Fächer und setzt sich aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil zusammen, § 3 Abs. 3 PO-NSchA NRW. Nach Bestehen der beiden Prüfungsteile erkennt der Zentrale Abiturausschuss die allgemeine Hochschulreife zu, § 17 PO-NSchA NRW. Bereitet sich ein Kind ernsthaft auf das Abitur für Nichtschüler vor, ist es nicht gerechtfertigt, im Hinblick auf die fehlende schulische Mindestorganisation eine Berufs- bzw. Schulausbildung des Kindes zu verneinen und kein Kindergeld zu gewähren; denn in solchem Fall wird die Leistungsfähigkeit der Eltern durch Unterhaltsaufwendungen für das Kind ebenso gemindert wie bei der Abiturvorbereitung auf einem Gymnasium.

Diesem Ergebnis steht die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Kindergeldgewährung bei sog. Au-Pair-Aufenthalten im Ausland nicht entgegen. Bei einem Auslandsaufenthalt im Rahmen eines Au-Pair-Verhältnisses, der auch dem Erwerb berufsbezogener Sprachkenntnisse dient, ist darauf abzustellen, ob das Kind an einem theoretisch-systematischen Unterricht teilnimmt13. Dieses Erfordernis dient jedoch in erster Linie dazu, eine Abgrenzung zu Urlaubsaufenthalten zu ermöglichen. Liegen die von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen vor, ist der Sprachaufenthalt im Ausland als Berufsausbildung zu qualifizieren. Ein Au-Pair-Aufenthalt im Ausland ist aber mit einer üblichen Schul- oder Universitätsausbildung nicht zu vergleichen.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 18. März 2009 – III R 26/06

  1. JStG 1996 vom 11.10.1995, BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438[]
  2. vgl. BFH, Urteile vom 9. Juni 1999 – VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701; vom 24. Juni 2004 – III R 3/03, BFHE 206, 413, BStBl II 2006, 294[]
  3. BFH, Urteil vom 9. Juni 1999 – VI R 34/98, BFHE 189, 95, BStBl II 1999, 705[]
  4. BFH, Urteil in BFHE 206, 413, BStBl II 2006, 294, m.w.N.[]
  5. BFH, Urteile vom 16.04.2002 – VIII R 58/01, BFHE 199, 111, BStBl II 2002, 523; vom 15.07.2003 – VIII R 47/02, BFHE 203, 106, BStBl II 2003, 848[]
  6. BFH, Urteil in BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701[]
  7. BStBl I 2004, 742[]
  8. BSG, Urteile vom 07.09.1988 – 10 RKg 6/87, Aktueller Informationsdienst für die berufsgenossenschaftliche Sachbearbeitung 1988, 2115, betr. Nichtschülerabitur, und vom 22.11.1994 – 10 RKg 3/93, NZS 1995, 234, betr. Gasthörerstudium zur Erlangung der Hochschulreife[]
  9. BFH, Urteil in BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701, m.w.N.[]
  10. FG Düsseldorf, Urteil vom 21.02.2006 – 10 K 171/03 Kg, EFG 2006, 1073[]
  11. ebenso FG Baden-Württemberg, Urteil vom 4. Mai 2001 14 K 73/01, EFG 2001, 1299; vgl. auch FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. November 1998 8 K 268/97, EFG 1999, 296, zu einer Schulfremdenprüfung zur Erreichung des Hauptschulabschlusses[]
  12. Verordnung über die Abiturprüfung für Nichtschülerinnen und Nichtschüler –PO-NSchA NRW– vom 30. Januar 2000, Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen 2000, 140[]
  13. BFH, Urteile in BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701; vom 09.06.1999 – VI R 143/98, BFHE 189, 107, BStBl II 1999, 710, und VI R 24/99, BFH/NV 2000, 27; vom 19. Februar 2002 – VIII R 83/00, BFHE 198, 192, BStBl II 2002, 469; BFH, Beschluss vom 31.08.2006 – III B 39/06, BFH/NV 2006, 2256[]