Hat ein Bauträger aufgrund der rechtsirrigen Annahme seiner Steuerschuld als Leistungsempfänger von ihm bezogene Bauleistungen nach § 13b UStG versteuert, kann er das Entfallen dieser rechtswidrigen Besteuerung geltend machen, ohne dass es darauf ankommt, dass er einen gegen ihn gerichteten Nachforderungsanspruch des leistenden Unternehmers erfüllt oder die Möglichkeit für eine Aufrechnung durch das Finanzamt besteht1.
Sind Bauunternehmer und Leistungsempfänger bei einem vor Erlass des BFH-Urteils vom 22.08.20132 abgeschlossenen und durchgeführten Bauvertrag übereinstimmend von der Steuerschuldnerschaft des Bauträgers ausgegangen und hat der Bauträger die auf die erbrachten Leistungen des Bauunternehmers entfallende Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt, steht dem Bauunternehmer aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung ein Anspruch auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags zu, wenn der Bauträger Erstattung der Steuer verlangt und deshalb für den Bauunternehmer die Gefahr entsteht, wegen der Heranziehung als Steuerschuldner gemäß § 27 Abs.19 UStG die Umsatzsteuer abführen zu müssen3.
Der Kläger schuldet für derartige Umsätze nicht gemäß § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 2 UStG (2008) bzw. § 13b Abs. 2 Nr. 4, Abs. 5 Satz 2 UStG (2010) Umsatzsteuer4. An dieser Rechtsprechung hält der Bundesfinanzhof fest.
Einer vom Kläger begehrten Änderung der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide steht weder § 17 UStG in unmittelbarer oder analoger Anwendung noch der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen.
Der Bundesfinanzhof verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf das BFH-Urteil vom 27.09.20185. Auf die Frage, ob der V. Senat des BFH seine im Beschluss in BFHE 252, 187 geäußerten ernstlichen Zweifel bereits mit seinem Urteil in BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760 aufgegeben hat, was das Finanzamt in Abrede stellt, kommt es dabei nicht an.
Aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 16.05.20186 folgt im Streitfall schon deshalb nichts anderes, weil § 17 UStG, auf den § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG verweist, im Streitfall weder direkt noch analog anwendbar ist.
Zu den vom Finanzamt befürchteten „windfall profits“ kann es in diesem Zusammenhang nicht kommen: Besteht ein Anspruch des Bauunternehmers gegen den Leistungsempfänger auf Zahlung von Umsatzsteuer, kann das Finanzamt ihm gegenüber den Umsatzsteuerbescheid gemäß § 27 Abs.19 UStG ändern7. Sind Bauunternehmer und Leistungsempfänger bei einem vor Erlass des BFH-Urteils vom 22.08.20132 abgeschlossenen und durchgeführten Bauvertrag übereinstimmend von der Steuerschuldnerschaft des Bauträgers ausgegangen und hat der Bauträger die auf die erbrachten Leistungen des Bauunternehmers entfallende Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt, steht dem Bauunternehmer aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung ein Anspruch auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags zu, wenn der Bauträger Erstattung der Steuer verlangt und deshalb für den Bauunternehmer die Gefahr entsteht, wegen der Heranziehung als Steuerschuldner gemäß § 27 Abs.19 UStG die Umsatzsteuer abführen zu müssen8. Dieser Anspruch ist abtretbar9. Eine eventuelle Abtretung hat das Finanzamt anzunehmen10.
Der Bundesfinanzhof weicht mit dieser zivilrechtlichen Sichtweise nicht vom Urteil des Bundesfinanzhofs in BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760, das einen Anspruch auf Nachzahlung der Umsatzsteuer aufgrund von § 313 BGB bejaht hat, ab; denn in Rz 58 seines Urteils in BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760 hat der Bundesfinanzhof ausdrücklich offengelassen, ob ein Anspruch auf Nachzahlung der Umsatzsteuer nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung besteht.
Das Erhebungsverfahren ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Deshalb kam es im hier entschiedenen Fall auf die vom Finanzamt schriftsätzlich erklärte Aufrechnung mit der abgetretenen Forderung eines Bauhandwerkers nicht an. Ebenso greifen die erhobenen Einwendungen des Finanzamtes gegen eine „Erstattung“ der Steuer im Erhebungsverfahren nicht durch.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 23. Januar 2019 – XI R 21/17
- Anschluss an das BFH, Urteil vom 27.09.2018 – V R 49/17, BStBl II 2019, 109; entgegen BMF, Schreiben vom 26.07.2017, BStBl I 2017, 1001, Rz 15a[↩]
- BFH, Urteil vom 22.08.2013 – V R 37/10, BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128[↩][↩]
- Anschluss an BGH, Urteil vom 17.05.2018 – VII ZR 157/17, HFR 2018, 661[↩]
- vgl. dazu allgemein BFH, Urteile in BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128; vom 11.12 2013 – XI R 21/11, BFHE 244, 115, BStBl II 2014, 425[↩]
- BFH, Urteil vom 27.09.2018 – V R 49/17, BStBl II 2019, 109[↩]
- BFH Urteil vom 16.05.2018 – XI R 28/16, BFHE 261, 451, DStR 2018, 1663[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760, Rz 24 ff.[↩]
- BGH, Urteil vom 17.05.2018 – VII ZR 157/17, HFR 2018, 661, m. Anm. Treiber[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760, Rz 61 f.[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760, Rz 63 ff.[↩]