Die Steuerermäßigung für ausübende Künstler (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG) hängt nicht davon ab, ob von den Zuschauern oder Zuhörern eine „Eintrittsberechtigung“ verlangt wird. Ein Trauer- oder Hochzeitsredner ist „ausübender Künstler“, wenn seine Leistungen eine schöpferische Gestaltungshöhe erreichen.
Hochzeits- und Trauerredner können daher unter bestimmten Voraussetzungen den ermäßigten Steuersatz als ausübende Künstler in Anspruch nehmen.
Der ermäßigte Steuersatz von 7 % erfasst auch die Eintrittsberechtigung für Theater, Konzerte und Museen sowie die den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG).
Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall machte der Redner für die von ihm gehaltenen Hochzeits, Geburtstags, Trennungs- und Trauerreden den ermäßigten Steuersatz geltend. Das Finanzamt und das Finanzgericht Nürnberg1 gingen von der Anwendung des Regelsteuersatzes aus. Demgegenüber hält der Bundesfinanzhof die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für möglich:
Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs kommt es für die Steuerbegünstigung der Darbietungen ausübender Künstler nicht auf die Art der Vergütung an. Sie muss nicht in einer von einem Zuhörer oder Zuschauer gezahlten Eintrittsberechtigung bestehen, sondern liegt auch bei einer Vergütung durch den Veranstalter des Ereignisses, wie etwa dem Hochzeitspaar bei einer Hochzeit, vor.
Entscheidende Bedeutung misst der Bundesfinanzhof dem Begriff des „ausübenden Künstlers“ zu. Für die Darbietungen des Trauer- oder Hochzeitsredners müssen eigenschöpferische Leistungen prägend sein. Schablonenartige Redetätigkeiten sind danach nicht begünstigt. Da das Finanzgericht hierzu keine Feststellungen getroffen hatte, hob der Bundesfinanzhof das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg auf und verwies die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das Finanzgericht zurück:
Der ermäßigte Steuersatz ergibt sich nicht bereits aus § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG, da die Übertragung des Urheberrechtes bei der Überlassung des Redemanuskriptes nicht den Hauptzweck der Tätigkeit des Redners bildet, sondern das Halten der Rede2.
Die Anwendung des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG scheitert auch nicht an einer fehlenden „Eintrittsberechtigung“ der Teilnehmer von Hochzeits- oder Trauerfeiern. Nach dieser Vorschrift gilt der ermäßigte Steuersatz für „die Eintrittsberechtigung für Theater, Konzerte und Museen, sowie die den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler“.
Die vorstehend anwendbare Gesetzesfassung vom 09.12 20043 löste die frühere Fassung ab, nach der begünstigt waren „die Leistungen der Theater, Orchester, Kammermusikensembles, Chöre und Museen sowie die Veranstaltung von Theatervorführungen und Konzerten durch andere Unternehmer“, um die gesetzgeberischen Konsequenzen aus der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union Kommission/Deutschland vom 23.10.20034 zur Steuerermäßigung bei Solisten zu ziehen5. Danach hatte der Unionsgerichtshof einen Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz darin gesehen, dass die Bundesrepublik Deutschland die Steuerermäßigung für Solisten nur bei direkt gegenüber dem Publikum erbrachten Konzerten anwendete, nicht aber, wenn die künstlerische Leistung gegenüber einem Veranstalter erbracht wurde, denn hierzu sei nicht der Anhang H Nr. 7 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern einschlägig („Eintrittsberechtigung für Veranstaltungen für Theater, Zirkus, Jahrmärkte, Vergnügungsparks, Konzerte, Museen, Tierparks, Kinos und Ausstellungen sowie ähnliche kulturelle Ereignisse und Einrichtungen“), sondern die Nr. 8 („Werke bzw. Darbietungen von Schriftstellern, Komponisten und ausübenden Künstlern …“).
Auch Art. 98 Anhang III MwStSystRL 2006/112/EG unterscheidet unverändert zwischen der Ermäßigung der Umsatzsteuer in Nr. 7 für die „Eintrittsberechtigung“ für Veranstaltungen, Theater, Zirkus“ etc. und in Nr. 9 für „Dienstleistungen von Schriftstellern, Komponisten und ausübenden Künstlern …“, ohne die Steuerbefreiung eines Künstlers im Gegensatz zu Nr. 7 von einer „Eintrittsberechtigung“ abhängig zu machen. In richtlinienkonformer Auslegung ist § 12 Abs. 2 Nr. 7 UStG deshalb so zu lesen, dass sich das Tatbestandsmerkmal „Eintrittsberechtigung“ nur auf den ersten Halbsatz („Theater, Konzerte und Museen“), nicht aber auf den zweiten Halbsatz („Darbietungen ausübender Künstler“) bezieht.
Hieraus folgt für den Streitfall, dass die Steuerermäßigung des Redners, wenn es sich bei seiner Tätigkeit um die eines „ausübenden Künstlers“ handelt, nicht an der fehlenden Eintrittsberechtigung bei Hochzeits- und Trauerreden scheitert. Aus der Rechtsprechung des EuGH folgt zudem, dass es für die steuerbegünstigte Leistung eines ausübenden Künstlers nach dem Neutralitätsgrundsatz genügt, wenn er sein Entgelt nicht von den Zuhörern oder Zuschauern, sondern von einem Veranstalter (hier: vom Hochzeitspaar oder den Angehörigen) erhält.
Das Finanzgericht hat die Steuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG zu Unrecht mit der Begründung abgelehnt, Hochzeits- und Trauerreden richteten sich nicht als Kulturangebot an die Allgemeinheit, sondern an einen geschlossenen Personenkreis. Denn ein Ausschluss von Privatveranstaltungen (z.B. Künstler tritt bei einer Betriebs- oder Gedenkfeier im Auftrag des Veranstalters vor abgeschlossenem Personenkreis auf) lässt sich weder dem Gesetz noch Art. 98 Anhang – III MwStSystRL („Dienstleistungen ausübender Künstler“) entnehmen. Es wäre auch nicht sachgerecht, würde eine künstlerische Leistung bei einer geschlossenen Hochzeitsfeier nicht begünstigt, während bei einem vergleichbaren Vortrag auf einer Trauerfeier in faktischer Öffentlichkeit, bei der der Zutritt von Nachbarn und anderen Bekannten nicht ausgeschlossen ist und z.B. bei der Trauerfeier einer bekannten Persönlichkeit eine Vielzahl von Teilnehmern erreichen kann, nach der Anzahl der nicht geladenen, aber teilnehmenden Gäste unterschieden werden müsste. Art. 98 Anhang – III Nr. 9 MwStSystRL begünstigt die Tätigkeit eines „ausübenden Künstlers“ vielmehr auch bei einer geschlossenen Veranstaltung.
Die Steuerermäßigung der Tätigkeit des Redners als Hochzeits- oder Trauerredner hängt somit allein davon ab, ob sie als Tätigkeit eines „ausübenden Künstlers“ anzusehen ist. Diese Frage hat das Finanzgericht -von seinem Standpunkt aus konsequent- zu Unrecht offengelassen und lediglich Zweifel an einer künstlerischen Tätigkeit geäußert. Der Bundesfinanzhof kann sie nicht selbst entscheiden, weil hierzu eingehende Tatsachenfeststellungen zur Art und Weise der Tätigkeit des Redners fehlen.
Bei seiner Entscheidung wird das Finanzgericht zu berücksichtigen haben, dass es sich bei den Tatbeständen des § 12 Abs. 2 UStG um Ausnahmeregelungen handelt zum allgemeinen Grundsatz, dass jede entgeltliche Dienstleistung dem Regelsteuersatz unterliegt und daher eng auszulegen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts6 liegt das Wesen einer künstlerischen Tätigkeit in der freien schöpferischen Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden. Die künstlerische Leistung werde geprägt von einer eigenschöpferischen Leistung des Künstlers, in der seine besondere Gestaltungskraft zum Ausdruck komme. Gegen eine künstlerische Tätigkeit würde daher bei einer Redetätigkeit sprechen, wenn sie sich im Wesentlichen auf eine schablonenartige Wiederholung anhand eines Redegerüstes beschränkt7.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 3. Dezember 2015 – V R 61/14
- FG Nürnberg, Urteil vom 01.04.2014 – 2 K 1042/12[↩]
- vgl. dazu schon BFH, Urteil vom 21.10.2009 – V R 8/08, BFH/NV 2010, 476, Rz 21[↩]
- BGBl I 2004, 3310[↩]
- EuGH, Urteil vom 323.10.2003 – C-109/02, EU:C:2003:586[↩]
- BT-Drs. 15/3677, S. 27[↩]
- BVerfG, Urteile vom 24.02.1971 – 1 BvR 435/68, BVerfGE 30, 173, 188; vom 17.07.1984 – 1 BvR 816/82, BVerfGE 67, 213[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 09.02.1982 – VIII R 48/80; vom 29.07.1981 – I R 183/79, BFHE 134, 135, BStBl II 1982, 22, jeweils zur freiberuflichen künstlerischen Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG[↩]