Der Bundesfinanzhof hat das Bundesministerium der Finanzen jetzt förmlich aufgefordert, einem Revisionsverfahren zur Grunderwerbsteuer beizutreten, in dem die Verfassungsmäßigkeit der Grundbesitzbewertung zu prüfen ist. Auf dem Prüfstand steht freilich nicht die Grunderwerbsteuer an sich, sondern nur die Bestimmung der Bemessungsgrundlage für eine bestimmte Fallgestaltung, in der nicht unmittelbar ein Grundstück erworben wird, sondern Anteile an einer Grundbesitzgesellschaft:
In dem Verfahren ist zu entscheiden, inwieweit für den Erwerb der gesamten Anteile an einer Kapitalgesellschaft mit Grundbesitz Grunderwerbsteuer festzusetzen ist. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes bemisst sich die Grunderwerbsteuer u.a. bei steuerpflichtigen Anteilsvereinigungen und -erwerben nicht nach dem Wert der Gegenleistung (Regelbemessungsgrundlage); vielmehr werden für diese Fälle die vom Finanzamt gesondert festzustellenden Grundbesitzwerte nach §§ 138 ff. des Bewertungsgesetzes, wie sie vor dem 1. Januar 2009 auch für die Erbschaftsteuer maßgeblich waren, als Steuerbemessungsgrundlage herangezogen.
Diese Grundbesitzbewertung hat das Bundesverfassungsgericht im November 2006 in einem zur Erbschaft- und Schenkungsteuer ergangenen Beschluss1 in umfassender Weise als verfassungswidrig beanstandet. Es hat insbesondere festgestellt, dass die Grundbesitzwerte für bebaute Grundstücke zwischen weniger als 20% und über 100% des gemeinen Werts liegen und somit eine so große Streubreite aufweisen, dass der Bewertung Zufälliges und Willkürliches anhaftet, ohne dass dies als Folge einer zulässigen Typisierung verfassungsrechtlich hinnehmbar ist.
Der Gesetzgeber hat im Hinblick auf diese Entscheidung durch das Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24. Dezember 2008 lediglich die Grundbesitzbewertung für die Erbschaft- und Schenkungsteuer neu geregelt. Für die Grunderwerbsteuer hat er es demgegenüber bei den bisherigen, vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Bewertungsvorschriften belassen. Der Bundesfinanzhof zieht deshalb eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht in Betracht und hat nunmehr zunächst das Bundesfinanzministerium aufgefordert, dem Verfahren beizutreten, um sich zu dieser Problematik zu äußern.
Denn die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts lassen sich nicht lediglich auf den nur für die Erbschaft- und Schenkungsteuer bedeutsamen Vergleich der Grundstückswerte mit den für andere der Besteuerung unterliegende Gegenstände anzusetzenden Werten beschränken, sondern betreffen nach Auffassung des Bundesfinanzhofs auch die Binnengerechtigkeit beim Wertansatz für Grundstücke. Sie sind daher für die Grunderwerbsteuer gleichermaßen von Bedeutung, soweit sich die Steuer nicht nach dem Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG), sondern nach den Werten i.S. der §§ 138 ff. BewG (§ 8 Abs. 2 GrEStG) bemisst2.
Der Bundesfinanzhof ist zwar nach Ergehen des BVerfG-Beschlusses zur Grundstücksbewertung im Erbschaftsteuerrecht von der Anwendbarkeit des § 8 Abs. 2 GrEStG jedenfalls für vor dem 1. Januar 2009 verwirklichte Erwerbsvorgänge ausgegangen3. Daran kann nach Überzeugung des Bundesfinanzhofs nun aber nicht mehr länger festgehalten werden. Denn dieser Rechtsprechung lag die Annahme zugrunde, dass der Gesetzgeber die vom BVerfG festgestellten Verfassungsverstöße bei der Grundbesitzbewertung nicht nur für die Erbschaft- und Schenkungsteuer, sondern auch für die Grunderwerbsteuer für nach dem 31. Dezember 2008 verwirklichte Erwerbsvorgänge mit Wirkung ab 1. Januar 2009 beseitigen würde. Da dies nicht geschehen ist, kommt nunmehr eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG –und zwar auch für Besteuerungszeitpunkte vor dem 1. Januar 2009– in Betracht.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27. Mai 09 – II R 64/08