Anforderung von Mietverträgen durch das Finanzamt – und der Mieter-Datenschutz

Die Anforderung unter anderem von Mietverträgen durch das Finanzamt beim Vermieter (Steuerpflichtigen) nach § 97 der Abgabenordnung (AO) muss die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) beachten. Eine Einwilligung der Mieter in die Weitergabe an das Finanzamt ist nicht erforderlich, weil die Verarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c DSGVO gerechtfertigt ist. Die Übersendung der Mietverträge an das Finanzamt ist als Zweckänderung nach Art. 6 Abs. 4 DSGVO regelmäßig zulässig.

Anforderung von Mietverträgen durch das Finanzamt – und der Mieter-Datenschutz

Das Finanzamt darf mithin die Vorlage der Mietverträge von der Vermieterin verlangen. Die Vermieterin ist als Verantwortliche im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO nicht berechtigt, die Herausgabe der Mieterdaten zu verweigern.

Das Finanzamt darf auch unter Berücksichtigung der Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung die Vorlage der Mietverträge von der Vermieterin fordern.

Nach § 97 Abs. 1 Satz 1 AO1 haben die Beteiligten und andere Personen der Finanzbehörde auf Verlangen Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen. Die Aufforderung zur Vorlage der Urkunde ist ein Verwaltungsakt im Sinne des § 118 AO2 und im Zusammenhang mit den Auskunftsersuchen nach § 93 AO zu sehen3.

Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung der Verwaltung. Als solche ist sie nach § 102 FGO im gerichtlichen Verfahren darauf zu überprüfen, ob der Verwaltungsakt deshalb rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 5 AO). Um diese Überprüfung, die dem Gericht keinen Raum für eigene Ermessenserwägungen lässt, wahrnehmen zu können, muss die Ermessensentscheidung der Verwaltung im Verwaltungsakt, spätestens aber in der Einspruchsentscheidung, begründet werden4.

Die Anwendung des § 97 AO ist im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall nicht nach § 200 Abs. 1 Satz 2 AO ausgeschlossen.

Im Rahmen einer Außenprüfung wird § 97 AO durch § 200 Abs. 1 Satz 2 AO verdrängt5. Fehlt eine Prüfungsanordnung nach § 196 AO, besteht unter bestimmten Umständen ein Verwertungsverbot.

Für die Abgrenzung zwischen Ermittlungen im Rahmen einer Außenprüfung von Einzelermittlungen ist entscheidend, wie sich das Tätigwerden der Finanzbehörde aus der Sicht des Betroffenen darstellt6. Maßgeblich ist, wie der Steuerpflichtige entsprechend den zu § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entwickelten Rechtsgrundsätzen nach den ihm bekannten Umständen den Gehalt der Ermittlungsmaßnahmen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte7. Im Allgemeinen muss davon ausgegangen werden, dass Maßnahmen eines Außenprüfers zur Ermittlung eines Steuerfalles Prüfungshandlungen sind.

Das erstinstanzlich mit dem vorliegenden Streitfall befasste Finanzgericht Nürnberg8 hat die Vorlageverlangen des Finanzamtes nicht als Prüfungshandlung gewürdigt. An diese Würdigung ist der Bundesfinanzhof gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden. Sie kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt. Das ist nicht der Fall. Das Finanzgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass weder eine Prüfungsanordnung erlassen noch eine Prüfung in den Räumlichkeiten der Vermieterin angesetzt worden war. Vielmehr sind die streitgegenständlichen Anforderungen des Finanzamtes sämtlich in zeitlichem Zusammenhang mit der Einreichung der Einkommensteuererklärungen 2018 und 2019 ergangen. Damit wird deutlich, dass es sich um ein Vorgehen des Finanzamtes im Rahmen einer Veranlagungstätigkeit handelt.

Die Vorlage von Urkunden unterliegt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, das heißt, sie muss zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und die Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar sein9.

Die Vorlage einer Urkunde muss zur Sachverhaltsaufklärung geeignet sein. Das ist nicht der Fall, wenn die Urkunden steuerlich nicht erheblich sind. Zu den steuerlich erheblichen Tatsachen zählt alles, was die finanzbehördlichen Entscheidungen in einem steuerrechtlichen Verwaltungsverfahren beeinflussen kann10. Die in diesem Sinne erheblichen, mitzuteilenden „Tatsachen“ müssen lediglich im Rahmen einer Prognoseentscheidung möglich sein11. Die Finanzbehörde hat hierüber im Wege einer vorweggenommenen Beweiswürdigung zu befinden. Im Interesse der gesetzmäßigen und gleichmäßigen Besteuerung und zur Verwirklichung des verfassungsrechtlich gebotenen Verifikationsprinzips sind die Anforderungen an diese Prognoseentscheidung nicht zu hoch anzusetzen12.

Die angeforderten Urkunden müssen benötigt werden. Das ist nicht gegeben, wenn die steuerrelevanten Tatsachen offenkundig oder verbindlich festgestellt sind.

Der Steuerpflichtige beziehungsweise die andere Person muss die verlangten Unterlagen vorlegen können. Durch ein von privater Seite ergangenes oder vertraglich vereinbartes Verbot zur Herausgabe einer Urkunde wird die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Urkundenvorlage nicht unerfüllbar13.

Schließlich muss die Vorlageaufforderung verhältnismäßig im engeren Sinne sein. Der zeitliche, personelle und sachliche (finanzielle) Aufwand für die vorlagepflichtige Person darf nicht erkennbar in einem Missverhältnis zu dem durch dieses Beweismittel zu erwartenden „Mehr“ an wahrheitsgemäßer Sachverhaltsaufklärung stehen14.

Unter Anwendung dieser Grundsätze waren die streitgegenständlichen Vorlageverlangen des Finanzamtes rechtmäßig.

Das Finanzamt hat in der Einspruchsentscheidung ausgeführt, dass es die Mietverträge zur Kontrolle der steuererheblichen Verhältnisse benötige und diese ein geeignetes Mittel darstellten. Aus den Mietverträgen -gegebenenfalls in Verbindung mit anderen Unterlagen- würden sich unter anderem die Höhe der vereinbarten Mietzinsen, Mieterhöhungen, Abweichungen zu tatsächlich geleisteten Zahlungen, die Zusammensetzung des Mietzinses, die Umlagefähigkeit von Nebenkosten, der Umfang des Nutzungsrechts und die tatsächliche Durchführung der Vermietung ergeben. Ein anderes, gleich wirksames Mittel der Aufklärung sei nicht ersichtlich. Insbesondere könnten das nicht die privaten Aufstellungen der Vermieterin sein, weil sie nur durch diese -ohne Beteiligung der Mieter- erstellt worden seien. Die Namen der Mieter seien erforderlich, um die Zahlungsflüsse dem jeweiligen Mietverhältnis zuordnen zu können.

Diese Erwägungen lassen keine Ermessensfehler erkennen. Insbesondere die Fragen nach den konkret einem Mieter überlassenen Räumlichkeiten (einschließlich Stellplätzen, Garagen, Kellerräumen, Garten et cetera) sowie nach der Höhe des im Rahmen des § 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes maßgeblichen vereinbarten Entgelts15 lassen sich nur anhand der Mietverträge zuverlässig klären. Die Nebenkostenabrechnungen sind für die Frage der Höhe der Einnahmen sowie für die Frage der tatsächlichen Durchführung des Mietverhältnisses relevant. Schließlich sind die Namen der Mieter erforderlich, um das Vorliegen eines Angehörigenmietverhältnisses (§ 15 AO) aufklären zu können. Bei Unklarheiten muss die Finanzbehörde in der Lage sein, die Mieter als „andere Person“ befragen zu können.

Der Finanzbehörde stand nicht als milderes Mittel die sofortige Befragung der Mieter zur Verfügung. Ungeachtet dessen, dass dem Finanzamt nicht alle Mieter bekannt waren, sollen Dritte erst herangezogen werden, wenn die Aufklärung bei dem Beteiligten nicht zum Ziel geführt hat (§ 97 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO). Der Aufwand der Vermieterin, die Mietverträge zu übermitteln, steht schließlich auch nicht im Missverhältnis zu dem beabsichtigten Erkenntnisgewinn der Finanzverwaltung.

Der Vermieterin war die Offenlegung der Mieterdaten auch nicht unmöglich, weil darin eine rechtswidrige Verarbeitung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 DSGVO zu sehen ist. Ungeachtet der Frage, ob die Datenschutz-Grundverordnung auf die durch die Vermieterin verantworteten Verarbeitungsvorgänge Anwendung findet (Art. 2 Abs. 1 DSGVO), war jedenfalls eine Einwilligung der Mieter nicht erforderlich. Denn die Vermieterin war nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c, Abs. 2 DSGVO i.V.m. § 29b Abs. 1, § 97 AO zur Offenlegung der personenbezogenen Daten ihrer Mieter berechtigt.

Das Finanzgericht hat nicht geprüft, ob die Datenschutz-Grundverordnung sachlich auf die durch die Vermieterin als Vermieterin verantworteten Verarbeitungsvorgänge, insbesondere hinsichtlich der Offenlegung gegenüber dem Finanzamt, anwendbar ist.

Offensichtlich handelt es sich bei den Daten der Mieter um personenbezogene Daten nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO und die Offenlegung durch die Vermieterin stellt einen Verarbeitungsvorgang nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO dar16. Ob es sich nach Art. 2 Abs. 1 DSGVO um eine ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung oder um eine nichtautomatisierte Verarbeitung von Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind, handelt, hat das Finanzgericht nicht ermittelt. Jedenfalls aber wäre die Verarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c DSGVO gerechtfertigt. Danach ist eine Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, welcher der Verantwortliche unterliegt. Diese rechtliche Verpflichtung der Vermieterin ergibt sich vorliegend aus § 97 AO.

Es liegt eine zulässige Zweckänderung nach Art. 6 Abs. 4 DSGVO vor. Die Offenlegung der personenbezogenen Daten durch die Vermieterin stellt eine Verarbeitung (Art. 4 Nr. 2 DSGVO) zu einem anderen Zweck als demjenigen dar, zu dem die personenbezogenen Daten der Mieter erhoben wurden, nämlich zum Zweck der Durchführung der Mietverträge (Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b DSGVO). Die Offenlegungspflicht gegenüber dem Finanzamt beruht auf den §§ 29b, 93, 97 AO als nationale Bestimmungen im Sinne von Art. 6 Abs. 4 DSGVO. Darüber hinaus stellt sie auch eine in einer demokratischen Gesellschaft notwendige und verhältnismäßige Maßnahme im Sinne von Art. 6 Abs. 4 DSGVO dar und sichert eines der in Art. 23 Abs. 1 DSGVO genannten Ziele. Denn zu diesen Zielen gehört nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. e DSGVO auch der Schutz eines wichtigen wirtschaftlichen oder finanziellen Interesses der Union oder eines Mitgliedstaats, etwa im Währungs, Haushalts- und Steuerbereich, also sowohl die Steuererhebung als auch die Bekämpfung von Steuerbetrug17. Dass die Vorlage der Unterlagen notwendig und verhältnismäßig ist, hat der Bundesfinanzhof im Streitfall bereits bejaht. Schließlich berührt die Verpflichtung der Vermieterin als Verantwortliche, gemäß Art. 13 Abs. 3 DSGVO die Mieter über die Weiterverarbeitung zu einem anderen Zweck zu informieren, ihre Vorlagepflicht nicht.

Durchdringen kann die Vermieterin schließlich nicht mit ihrem -nicht weiter konkretisierten- Einwand, die Vorlage sei nicht zumutbar, weil sie zu einem strafrechtlich sanktionierten Verhalten aufgefordert werde. Dieser Vorwurf kann sich allenfalls auf § 42 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) beziehen. Durch die Regelungen sollen besonders schwerwiegende Verstöße gegen den Schutz personenbezogener Daten erfasst werden18. § 42 Abs. 1 BDSG betrifft die rechtswidrige Übermittlung oder Zugänglichmachung von Daten einer großen Zahl von Personen an Dritte, die gewerbsmäßig erfolgt. § 42 Abs. 2 BDSG betrifft Fälle, in denen eine unberechtigte Verarbeitung von personenbezogenen Daten erfolgt oder sich jemand die Daten durch unrichtige Angaben erschleicht und dabei im Einzelfall gegen Entgelt oder in Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht handelt. Diese Tatbestandsvoraussetzungen sind offensichtlich nicht gegeben, was auch die Vermieterin nicht ernsthaft behauptet.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 13. August 2024 – IX R 6/23

  1. i.d.F. des Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetzes vom 26.06.2013, BGBl I 2013, 1809, 1834[]
  2. Roser in Gosch, AO § 97 Rz 11; Seer in Tipke/Kruse, § 97 AO Rz 14; Baum in AO – eKommentar [21.06.2023], § 97 AO Rz 13[]
  3. BR-Drs. 139/13, S.195: gleichwertige Ermittlungsinstrumente[]
  4. vgl. BFH, Urteil vom 15.09.1992 – VII R 66/91, BFH/NV 1993, 76, unter 2.b; BFH, Beschluss vom 05.04.2022 – VIII B 42/21, Rz 7; Baum in AO – eKommentar [21.06.2023], § 97 AO Rz 16[]
  5. Klein/Rätke, AO, 17. Aufl., § 97 Rz 1; Roser in Gosch, AO § 97 Rz 3; Niewerth in Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, Stand 119. Lfg. 04.2020 § 97 AO Rz 2[]
  6. vgl. BFH, Urteil vom 25.11.1997 – VIII R 4/94, BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461, unter II. 2.b[]
  7. BFH, Urteil vom 02.02.1994 – I R 57/93, BFHE 173, 487, BStBl II 1994, 377, unter II.B.1[]
  8. FG Nürnberg, Urteil vom 01.02.2023 – 3 K 596/22, EFG 2023, 604[]
  9. vgl. BFH, Urteil vom 23.10.1990 – VIII R 1/86, BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277, unter 2.d zum Auskunftsrecht nach § 93 AO; Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler -HHSp-, § 97 AO Rz 32 ff.; Klein/Rätke, AO, 17. Aufl., § 97 Rz 12; Roser in Gosch, AO § 97 Rz 13[]
  10. vgl. Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 10[]
  11. BFH, Urteil vom 29.10.1986 – VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, ständige Rechtsprechung[]
  12. vgl. BFH, Urteil vom 29.07.2015 – X R 4/14, BFHE 251, 112, BStBl II 2016, 135, Rz 40 f.[]
  13. BFH, Urteil vom 16.05.2013 – II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 43; Schuster in HHSp, § 97 AO Rz 36, m.w.N.[]
  14. Schuster in HHSp, § 97 AO Rz 39[]
  15. vgl. BFH, Urteil vom 22.02.2021 – IX R 7/20, BFHE 272, 200, BStBl II 2021, 479, Rz 11, m.w.N.[]
  16. zur weiten Auslegung dieses Begriffs vgl. EuGH, Urteil „Endemol Shine Finland“ vom 07.03.2024 – C-740/22, EU:C:2024:216, Rz 29[]
  17. vgl. EuGH, Urteil „SS SIA gegen Valsts ie??mumu dienests“ vom 24.02.2022 – C-175/20, EU:C:2022:124, Rz 70, m.w.N.[]
  18. vgl. Becker in Plath, DSGVO/BDSG/TTDSG, 4. Aufl.2023, § 42 BDSG Rz 2; Taeger/Gabel/Wybitul/Zhou, 4. Aufl.2022, BDSG § 42 Rz 1[]

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