An die Darlegung der Überzeugungsbildung in den Urteilsgründen bestehen besondere Anforderungen, wenn das Tatgericht seine Feststellungen zum eigentlichen Tatgeschehen allein auf die Angaben des Geschädigten stützt.
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters, dem es obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisionsgerichtliche Überprüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denk- oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn das Tatgericht zu hohe Anforderungen an die Überzeugungsbildung stellt.
Allerdings bestehen besondere Anforderungen an die Darlegung der Überzeugungsbildung, wenn das Tatgericht seine Feststellungen zum eigentlichen Tatgeschehen allein auf die Angaben des Geschädigten stützt. In einer solchen Konstellation, in der die Entscheidung im Wesentlichen davon abhängt, ob das Gericht den Angaben des einzigen Belastungszeugen folgt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die seine Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat.
Dies gilt in besonderem Maße dann, wenn der Belastungszeuge weitere erzwungene Sexualhandlungen behauptet, von denen sich der Tatrichter nicht zu überzeugen vermag1.
Diesen Anforderungen werde das Urteil des Landgerichts in dem hier vom Bundesgerichtshof beurteilten Fall nicht gerecht:
Bedenken begegnet die Beweiswürdigung bereits deswegen, weil sie nicht frei von Unklarheiten und Widersprüchen ist. So hat das Landgericht die Glaubhaftigkeit der Aussage der Tochter maßgeblich auf die Erwägung gestützt, sie habe Einzelheiten zum Geschehen ergänzen können, ohne sich im Vergleich zu vorherigen Aussagen zu widersprechen. Um welche Einzelheiten es sich bei dem vom Umfang her leicht fasslichen Geschehen gehandelt haben soll, wird bereits nicht mitgeteilt. Die als „markant“ bezeichneten Details (Beschreibung des Intimbereichs durch den Angeklagten, Durchführen einer Intimrasur und Einverständnis der Mutter) hatte die Nebenklägerin bereits u.a. in ihrer polizeilichen Vernehmung und gegenüber der Sachverständigen benannt. Zudem widerspricht diese Begründung der Einschätzung der Sachverständigen, derer sich das Landgericht angeschlossen hat. Nach den Angaben der Psychologin soll die knappe Schilderung des Vorfalls gegen eine Falschaussage sprechen. Von ihren kognitiven Fähigkeiten her hätte die Geschädigte den Sachverhalt weiter ausschmücken können, um den Angeklagten zu belasten. Dieser Widerspruch bleibt ungeklärt.
Jedenfalls ist die Beweisführung aber deswegen durchgreifend rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht die Beweiswürdigung, die dem Teilfreispruch zugrunde liegt, nicht erkennbar in seine Beweiswürdigung zum Verurteilungsfall einbezogen hat. In dem dem Freispruch zugrundeliegenden Fall ist dem Angeklagten vorgeworfen worden, seiner Tochter im Kindesalter in die Schlafanzugshose gegriffen und „im Intimbereich manipuliert“ zu haben. Insoweit wertet das Gericht die Aussage der Tochter als „wenig plastisch“; wegen des langen Zeitablaufs und des Alters der Nebenklägerin könne insoweit nicht ausgeschlossen werden, dass ihre Aussage „unter suggestiven Einflüssen“ entstanden sei. Angesichts der besonderen Anforderungen an die „Aussage-gegen-Aussage Konstellation“ hätte dieser Fall vom Verurteilungsfall abgegrenzt und genau dargelegt werden müssen, warum im Verurteilungsfall eine suggestive Beeinflussung auszuschließen ist. Denn das Tatgericht hat eine solche offensichtlich für möglich gehalten. Dann hätte es einer Auseinandersetzung damit im Verurteilungsfall bedurft, zumal es nach Einschätzung des Landgerichts angesichts des Alters der Nebenklägerin (20 Jahre alt) zum Zeitpunkt der Offenbarung der Übergriffe gegenüber ihrer Mutter einer „massiven Beeinflussung“ bedurft hätte. Dieser Gesichtspunkt gilt indes gleichermaßen für beide Vorwürfe.
Die Sache bedurfte daher insgesamt der neuen Verhandlung und Entscheidung.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12. Februar 2020 – 1 StR 612/19
- st. Rspr.; BGH, Urteile vom 20.02.2014 – 3 StR 289/13 Rn. 14; vom 12.12.2012 – 5 StR 544/12 Rn. 5; und vom 29.07.1998 – 1 StR 94/98 Rn. 14 f., BGHSt 44, 153, 158 f.; Beschlüsse vom 24.01.2018 – 5 StR 457/17 Rn. 3 f.; vom 18.09.2013 – 1 StR 380/13 Rn. 10; und vom 22.04.1997 – 4 StR 140/97 Rn. 5, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 13[↩]