Die Unterschrift unter dem Urteil – und der Verhinderungsvermerk wegen Elternzeit

Weist ein innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO angebrachter Verhinderungsvermerk aus, dass Richter am Landgericht K. wegen der zwischenzeitlich angetretenen Elternzeit an der Unterschrift gehindert war, genügt der Vermerk damit den Anforderungen des § 275 Abs. 2 Satz 2 StPO.

Die Unterschrift unter dem Urteil – und der Verhinderungsvermerk wegen Elternzeit

Wurde eine Verhinderung fristgerecht beurkundet und auf einen diese grundsätzlich tragenden Grund gestützt, kann das Revisionsgericht diese Entscheidung lediglich daraufhin überprüfen, ob dabei der eingeräumte Spielraum in rechtsfehlerhafter Weise überschritten ist oder die Annahme der Verhinderung auf sachfremden Erwägungen beruht und sie sich deshalb als willkürlich erweist1.

Gemessen hieran ist das hier vom Bundesgerichtshof überprüfte Urteil des Landgerichts ordnungsgemäß unterschrieben worden:

Der Verhinderungsvermerk des Vorsitzenden benennt einen generell tragenden Verhinderungsgrund. Die Elternzeit ist geeignet, den mitwirkenden Richter an der Unterschrift zu hindern. Erwerbstätige Eltern, die ihr Kind selbst betreuen und erziehen, haben Anspruch auf Elternzeit nach dem Bundeselterngeldund Elternzeitgesetz2. Dienstgeschäfte, zu denen auch die Unterzeichnung eines Strafurteils zählt3, können dem Richter in der Elternzeit nicht abverlangt werden, denn ihre Inanspruchnahme hat eine Befreiung von der Dienstbzw. Arbeitspflicht ohne Fortzahlung der Bezüge zur Folge4. Die Elternzeit mit ihren intensiven Aufsichtsund Betreuungspflichten bei Kindern in den ersten Lebensjahren ist damit ein vorübergehender rechtlicher und tatsächlicher Hinderungsgrund und ebenso wie genehmigter Erholungsurlaub5 generell geeignet, den Richter von der Unterschriftsleistung abzuhalten, zumal die Unterschrift regelmäßig das Lesen, unter Umständen das Überarbeiten und gegebenenfalls eine Fassungsberatung voraussetzt. Die theoretische Möglichkeit einer Teilzeiterwerbstätigkeit nach § 15 Abs. 4 BEEG ändert daran nichts, zumal eine solche weder nach dem Vermerk des Vorsitzenden des Landgerichts ersichtlich ist, noch von der Revision behauptet wird.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31. Oktober 2019 – 3 StR 261/19

  1. st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 11.05.2016 1 StR 352/15, NStZ-RR 2016, 286 mwN[]
  2. für niedersächsische Richterinnen und Richter vgl. § 2 Abs. 1 NRiG i.V.m. § 81 NBG i.V.m. § 6 MuSchEltZV[]
  3. vgl. BGH, Beschluss vom 27.10.2010 2 StR 331/10, NStZ 2011, 358; KKGreger, StPO, 8. Aufl., § 275 Rn. 29[]
  4. vgl. ErfK/Gallner, 19. Aufl., BEEG § 15 Rn. 10, 25[]
  5. vgl. BGH, Beschluss vom 11.03.1998 1 StR 88/98, StV 1998, 477, 478; MünchKomm-StPO/Valerius, 1. Aufl., § 275 Rn. 30; BeckOK StPO/Peglau, § 275 Rn. 31[]

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