Eine Körperverletezung kann trotz Einwilligung als rechtswidrig anzusehen sein, wenn die Tat gegen die guten Sitten verstoße (§ 228 StGB).
Für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit kommt es nicht allein, aber vor allem auf die exante zu bestimmende Art und Schwere des Rechtsgutsangriffs an1.
Für die Sittenwidrigkeit der Tat ist entscheidend, ob die Körperverletzung wegen des besonderen Gewichts des jeweiligen tatbestandlichen Rechtsgutsangriffs unter Berücksichtigung des Umfangs der eingetretenen Körperverletzung und des damit verbundenen Gefahrengrads für Leib und Leben des Opfers trotz Einwilligung des Rechtsgutsträgers nicht mehr als von der Rechtsordnung hinnehmbar erscheint2.
Die Weite und Konturenlosigkeit des Merkmals der guten Sitten in § 228 StGB erfordert, dieses strikt auf das Rechtsgut der Körperverletzungsdelikte zu beziehen und auf seinen Kerngehalt zu reduzieren3. Gesellschaftliche Vorstellungen oder der durch die Tat verfolgte Zweck können lediglich dazu führen, dass ihretwegen eine Einwilligung trotz massiver Rechtsgutsverletzungen Wirksamkeit entfalten kann4. Zur Feststellung eines Sittenverstoßes und damit – über die Unbeachtlichkeit der Einwilligung – zur Begründung der Strafbarkeit von einvernehmlich vorgenommenen Körperverletzungen können sie nicht herangezogen werden5.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 15. August 2018 – 2 StR 152/18
- vgl. BGH, Urteil vom 22.01.2015 – 3 StR 233/14, BGHSt 60, 166, 176 f.[↩]
- BGH, Urteil vom 26.05.2004 – 2 StR 505/03, BGHSt 49, 166, 169 ff.[↩]
- BGH, Urteil vom 22.01.2014 – 3 StR 233/14, BGHSt 60, 166, 178[↩]
- BGH, Urteil vom 22.01.2014 – 3 StR 233/14, BGHSt 60, 166, 178 f.[↩]
- BGH, Urteil vom 22.01.2014 – 3 StR 233/14, BGHSt 60, 166, 179[↩]