Steuerhinterziehung – und die Urteilsgründe

Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen, also das Tatgeschehen mitteilen, in dem die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden.

Steuerhinterziehung – und die Urteilsgründe

Dies muss in einer geschlossenen Darstellung aller äußeren und jeweils im Zusammenhang damit auch der dazugehörigen inneren Tatsachen in so vollständiger Weise geschehen, dass in den konkret angeführten Tatsachen der gesetzliche Tatbestand erkannt werden kann1. Nur dann kann das Revisionsgericht auf die Sachrüge prüfen, ob bei der rechtlichen Würdigung eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist (§ 337 StPO).

Die Strafvorschrift der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) wird materiellrechtlich ausgefüllt durch die im Einzelfall anzuwendenden steuerrechtlichen Vorschriften, aus denen sich ergibt, welches steuerlich erhebliche Verhalten im Rahmen der jeweiligen Abgabenart zu einer Steuerverkürzung geführt hat2. Auch hierzu bedarf es ausreichender tatsächlicher Feststellungen, die eine Nachprüfung durch das Revisionsgericht ermöglichen. Dazu gehören insbesondere diejenigen Parameter, die maßgebliche Grundlage für die Steuerberechnung sind (Besteuerungsgrundlagen).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen deshalb die Urteilsgründe bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung regelmäßig nicht nur die Summe der jeweils verkürzten Steuern, sondern für jede Steuerart und jeden Steuerabschnitt gesondert die Berechnung der verkürzten Steuern im Einzelnen angeben3.

Diesen Anforderungen genügte im hier entschiedenen Streifall das angefochtene Urteil nicht:

Das Landgericht stützt den Tatvorwurf der Steuerhinterziehung in Bezug auf den Angeklagten V. allein darauf, dass dieser als verantwortlicher Geschäftsführer der Autohaus H. GmbH in deren Umsatzsteuervoranmeldungen für das zweite, dritte und vierte Quartal 2009 und das erste Quartal 2010 unrichtige bzw. unvollständige Angaben gemacht hat, indem er für insgesamt 282 Rechnungen an die Automobile Ma. an die A. GmbH und 295 Rechnungen GmbH, denen jeweils keine Leistung zu Grunde lag, die offen ausgewiesene Umsatzsteuer nicht in die Umsatzsteuervoranmeldungen aufgenommen hat. Dabei knüpft das Landgericht hinsichtlich dieser vorgenannten Einzelrechnungen hinsichtlich der Entstehung des Steueranspruchs jeweils nur an ein Rechnungsdatum an, das sich aus den dem Urteil beigefügten Tabellen mit den Auflistungen der Rechnungen entnehmen lässt.

Gleichzeitig wird aber vom Landgericht auch festgestellt, dass diese Rechnungen teilweise rückdatiert und nachträglich erstellt und zusätzlich mit den bei der E. GmbH erstellten Rechnungen abgeglichen wurden, so dass das ausgewiesene Datum der Rechnung nicht zwingend dem tatsächlichen Erstellungsdatum der Rechnung entsprach. Ergänzend dazu weist das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung darauf hin, dass nicht aufklärbar war, wann und wo die aufgefundenen Rechnungen geschrieben wurden und zahlreiche Rechnungen nicht sicher an diesem Tag erstellt wurden, der sich als Erstellungstag aus den jeweiligen Rechnungen ergibt.

Damit werden vom Landgericht aber keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob und zu welchem Zeitpunkt die Steuer tatsächlich entstanden ist. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 UStG aF) entsteht bei unberechtigtem Steuerausweis nach § 14c Abs. 2 UStG – wie hier – die Steuer in Ermangelung eines steuerbaren Umsatzes nicht bereits mit der Erstellung einer Rechnung, sondern erst im Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnung. Dabei ist unter „Ausgabe“ letztlich die Aushändigung oder Absendung an den Rechnungsempfänger oder einer von ihm bevollmächtigten dritten Person zu verstehen4. Das Landgericht hat aber außer der dargestellten Anknüpfung an das Rechnungsdatum keine weitergehenden Feststellungen dazu getroffen, wann konkret eine Steuerpflicht des Angeklagten V. entstanden ist. Dies umso mehr als die einzelnen dargestellten Rechnungen rückdatiert und nachträglich erstellt wurden, so dass offen bleibt, wann und in welchem Abrechnungszeitraum die jeweilige Steuerpflicht des Angeklagten V. wurde.

Sollten sich keine weiteren Feststellungen zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuerpflicht und zur Zuordnung der Rechnungen zu den einzelnen verfahrensgegenständlichen Zeiträumen der Umsatzsteuervoranmeldung treffen lassen, hat hier gegebenenfalls eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen zu erfolgen.

Anstelle einer täterschaftlich begangenen Steuerhinterziehung in Bezug auf die Autohaus H. GmbH, die fern liegt, wenn die Angeklagten nicht einmal genaue Kenntnis über die Ausstellung und Übergabe der Rechnungen hatten, kommt für beide Angeklagten auch eine Beihilfe zur Umsatzsteuerhinterziehung in Betracht, die durch die Zeugen D. Verwendung der mit dem Briefkopf der Autohaus H. und M. durch die GmbH erstellten Rechnungen als Eingangsrechnungen der A. Automobile Ma. GmbH und der GmbH im Rahmen der Einbindung in das Umsatzsteuerkarussell begangen wurde.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11. Oktober 2018 – 1 StR 538/17

  1. st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 24.05.2017 – 1 StR 176/17, NStZ 2018, 341; Urteil vom 12.05.2009 – 1 StR 718/08, NJW 2009, 2546; Beschlüsse vom 13.07.2011 – 1 StR 154/11, BFH/NV 2011, 1823; und vom 01.09.2015 – 1 StR 12/15, wistra 2015, 477 mwN[]
  2. vgl. BGH, Beschluss vom 24.05.2017 – 1 StR 176/17, NStZ 2018, 341 mwN[]
  3. vgl. BGH, Beschluss vom 26.04.2001 – 5 StR 448/00, wistra 2001, 308 mwN[]
  4. Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, Stand: Juli 2018, § 13 Rn. 691; Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer/Wäger, UStG, Stand: Januar 2016, § 13 Rn. 54[]

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