Strafzumessung – und die falschen Bemessungsgründe

Die Strafbemessung (Strafrahmenbestimmung und Festsetzung der konkreten Strafe) ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, sie von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt1.

Strafzumessung – und die falschen Bemessungsgründe

Die strafschärfende Berücksichtigung von Tatzeit und Tatort begegnet durchgreifenden Bedenken, weil es sich hierbei – soweit nicht die Besonderheiten des Falles ausnahmsweise eine andere Betrachtung rechtfertigen – um ambivalente Umstände handelt, die für sich gesehen nichts über die Schuld des Täters besagen2.

Mit der strafschärfend berücksichtigten Wertung, die Tat sei geeignet, das Rechtsempfinden und Sicherheitsgefühl der Bevölkerung empfindlich zu stören, hat zudem eine Erwägung Eingang in die Strafzumessung gefunden, die besorgen lässt, dass sich die Strafkammer rechtsfehlerhaft von generalpräventiven Erwägungen zur Verteidigung der Rechtsordnung3 leiten ließ und damit der erforderliche Bezug zur konkreten Tat und ihren tatsächlichen Bezügen aus dem Blick geraten ist.

Gleiches gilt für die strafschärfend in die Strafzumessung eingeflossene Erwägung des Landgerichts, in der Herstellung des Videoclips von dem Geschädigten komme eine Verrohung der Sitten zum Ausdruck, der in aller Deutlichkeit Grenzen zu setzen seien. Zwar ist die strafschärfende Erwägung, dass von dem Geschädigten ein Videoclip gefertigt wurde, zulässig und wegen der damit für den Geschädigten verbundenen zusätzlichen Demütigung sogar naheliegend. Der weitere hieran angeschlossene Gesichtspunkt, dass dem in aller Deutlichkeit Grenzen zu setzen seien, ist jedoch ebenfalls rein generalpräventiv und in seiner Notwendigkeit nicht näher belegt.

Zudem enthalten diese Ausführungen eine moralisierende Äußerung, die in der Strafzumessung zu unterbleiben hat4.

Zwar ist eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen weder vorgeschrieben noch möglich, die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände sind aber gemäß § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO in den Urteilsgründen darzulegen5. Dies gilt auch für die Schuld des Angeklagten bestimmende strafmildernde Erwägungen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 4. Dezember 2018 – 1 StR 477/18

  1. st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 02.02.2017 – 4 StR 481/16, NStZ-RR 2017, 105, 106; und vom 16.04.2015 – 3 StR 638/14, NStZ-RR 2015, 240 jeweils mwN; Beschluss vom 10.04.1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349 mwN[]
  2. LK/Theune, StGB, 12. Aufl., § 46 Rn. 127[]
  3. vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 803, 809[]
  4. BGH, Beschluss vom 06.02.2018 – 2 StR 173/17; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 46 Rn. 107 mwN; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1444 mwN[]
  5. st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 02.02.2017 – 4 StR 481/16, NStZ-RR 2017, 105, 106; und vom 02.08.2012 – 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336, 337 jeweils mwN[]