Die Haftgerichte sind auf Grund von Art.20 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich und auf Grund von § 26 FamFG einfachrechtlich verpflichtet, das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Sicherungshaft in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassend zu prüfen.
Die Freiheitsgewährleistung des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG setzt auch insoweit Maßstäbe für die Aufklärung des Sachverhalts und damit für die Anforderungen in Bezug auf die tatsächliche Grundlage der richterlichen Entscheidungen.
Es ist unverzichtbare Voraussetzung rechtsstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht1.
Hierfür sind regelmäßig die Akten der Ausländerbehörde beizuziehen2. Von dieser Regel kann nur dann abgesehen werden, wenn sich der festzustellende Sachverhalt aus den vorgelegten Teilen der Akte vollständig ergibt und die nicht vorgelegten Teile keine weiteren Erkenntnisse versprechen3.
Diese Anforderungen sind nicht beachtet, wenn der Haftrichter lediglich die Angabe der beteiligten Behörde im Haftantrag übernimmt, wonach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG aF einer Abschiebung nicht entgegenstehe, weil nach Aktenlage weder eine Anklage noch ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Betroffenen eingeleitet worden sei. Ob es sich jedoch so verhielt, hätte anhand der über den Betroffenen geführten Ausländerakte geprüfen werden müssen.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12. Oktober 2016 – V ZB 8/15
- BVerfG, InfAuslR 2012, 186 Rn. 18; BGH, Beschluss vom 16.06.2016 – V ZB 12/15 15; Beschluss vom 20.01.2011 – V ZB 226/10, FGPrax 2011, 144 Rn. 15[↩]
- BVerfGK 15, 139, 151 mwN[↩]
- BGH, Beschluss vom 16.06.2016 – V ZB 12/15 26; Beschluss vom 10.06.2010 – V ZB 204/09, NVwZ 2010, 1172 Rn. 27; Beschluss vom 17.06.2010 – V ZB 3/10, FGPrax 2010, 261 Rn. 21[↩]